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Finanzielles Risiko bei Ratenzahlung

Risiko Ratenzahlung: Bei einer Insolvenz kann der Insolvenzverwalter Zahlungen auch Jahre später noch zurückfordern.
Thinkstock / Getty Images

Bei jeder nachträglichen Stundung oder Ratenzahlung drohen Unternehmen noch Jahre später erhebliche finanzielle Risiken. Grund ist die Insolvenzanfechtung: Stellt der Kunde einen Insolvenzantrag, muss das Unternehmen damit rechnen, alle bezahlten Raten an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen – und das noch bis zu zehn Jahre, nachdem die Zahlung geleistet wurde. Gegen dieses Risiko können Unternehmen sich beispielsweise durch Factoring absichern.

Erklärungen des Kunden, in denen dieser bestätigt, dass er weiter zahlungsfähig sei, helfen nur bedingt. Sie haben insbesondere dann wenig Aussagekraft, wenn der Verkäufer nach Meinung des Gerichts erkannt hat, dass der Kunde vor der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht. Selbst nachfolgende Bargeschäfte, also Zahlungen vor oder kurz nach weiteren Lieferungen, sind riskant, weil diese nach dem Gesetzeswortlaut von der Insolvenzanfechtung nicht ausgenommen sind.

Risiko im Vorfeld schwer zu begrenzen

Fakt ist: Es gibt wenige Möglichkeiten, das Insolvenzanfechtungsrisiko im Vorfeld zu begrenzen. Unternehmen sollten daher genau prüfen, ob es bei ihren Kunden Anzeichen gibt, die auf deren (drohende) Zahlungsunfähigkeit hindeuten, bevor sie mit ihnen nachträgliche Stundungen oder Ratenzahlungen vereinbaren. Ansonsten besteht im Falle einer Insolvenz des Kunden ein hohes Risiko, dass die Unternehmen erhaltene Zahlungen ganz oder teilweise zurückerstatten müssen.

Der Anspruch des Insolvenzverwalters begründet sich der Argumentation des Bundesgerichtshofs (BGH) zufolge bereits dadurch, dass das Unternehmen durch die Vereinbarung der Ratenzahlung von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und damit der sogenannten Insolvenzreife des Kunden wusste. In den vergangenen Jahren hat der BGH seine Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung insoweit zu Gunsten der Insolvenzverwalter verschärft.

Rechtsprechung zu Gunsten der Insolvenzverwalter

So ist es nach Ansicht der Karlsruher Richter bereits ein Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit des Kunden, wenn dieser eine einzige Verbindlichkeit nicht bezahlt. Voraussetzung ist allerdings, dass die nicht beglichene Rechnung „erheblich“ ist – wobei diese Formulierung Raum für Interpretation lässt. Zudem sind schleppende Zahlungen, Vollstreckungsversuche oder geplatzte Schecks laut BGH Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit des Kunden. Generell gilt: Ein Unternehmen kann vermuten, dass sein Kunde zahlungsunfähig ist, wenn dieser die Zahlungen einstellt oder erklärt, seine Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können. Ist die Erklärung mit einer Stundungsbitte verbunden, wird damit aus Sicht des BGH grundsätzlich dokumentiert, dass das Unternehmen wusste, dass der Kunde nicht mehr zahlen kann.

Nimmt der Verkäufer von seinem Kunden Ratenzahlungen in unregelmäßigen Abständen in Verbindung mit einem Stillhalteabkommen an, geht der BGH sogar davon aus, dass der Gläubiger weiß, dass sein Vertragspartner durch die Ratenzahlungen andere Gläubiger benachteiligt (sogenannter Gläubigerbenachteiligungsvorsatz). Diese Kenntnis gilt sogar dann, wenn der Schuldner alle Raten am Ende ordnungsgemäß bezahlt hat. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe belegt ein Ratenzahlungsvergleich für sich allein hingegen noch nicht, dass ein Unternehmen die (drohende) Zahlungsunfähigkeit seines Kunden kennt. Vielmehr sei diese Kenntnis in jedem Einzelfall zu beurteilen. Für Unternehmen ist daher die Lage nur sehr schwer zu beurteilen.

Kritik an der Rechtsprechung des BGH

Wegen ihrer etwas schematischen Betrachtung ist die Rechtsprechung des BGH aus der Praxis vielfach kritisiert worden. Übliche Zahlungsvereinbarungen seien aufgrund der Rechtsprechung kaum noch umsetzbar, lautet ein häufiger Vorwurf. Gerade in langjährigen Geschäftsbeziehungen oder bei saisonbedingten Liquiditätsengpässen lassen sich Unternehmen auf Wunsch der Kunden häufig auf nachträgliche Ratenzahlungen ein.

Verschiedene Verbände, zuletzt der Mittelstandsverbund ZGV, fordern eine Änderung des Insolvenzrechts. Mittelständler würden durch die derzeitige Auslegung bei Insolvenzanfechtungen zunehmend mit existenzbedrohenden Regressforderungen konfrontiert. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat Anfang April eine Anhörung zu diesem Thema gehalten. Bei seiner Rede auf dem Deutschen Insolvenzrechtstag in Berlin am 4. April hat Bundesjustizminister Heiko Maas das Anfechtungsrecht als aktuell größte Baustelle im Insolvenzrecht bezeichnet. Maas erklärte, dass es nicht sein könne, dass derjenige, der einen Zahlungsaufschub gewähre, fünf Jahre später dafür büßen müsse. Er hat ein zügiges Einschreiten des Gesetzgebers in Aussicht gestellt. Im nächsten Schritt wollen die Wirtschaftsverbände konkrete Vorschläge zur Änderung des Anfechtungsrechts machen. Ob und wann eine Reform erfolgt oder der BGH seine Rechtsprechung einschränkt, ist allerdings weiter offen.

Unternehmen müssen sich also bis auf weiteres der Risiken der aktuellen Rechtsprechung bewusst sein und sich sehr genau überlegen, ob, mit wem und in welcher Form sie Ratenzahlungen vereinbaren.

redaktion[at]finance-magazin.de

Dr. Johan Schneider ist Partner und  Fachanwalt für Insolvenzrecht am Hamburger Standort bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen auf allen insolvenzrechtlichen Gebieten.