Prokons Bemühungen, das für die Unternehmensfinanzierung so dringend benötigte Genussrechtskapital im Unternehmen zu halten, scheinen bisher keine großen Erfolge nach sich zu ziehen. Wie der Windkraftfinanzierer heute auf seiner Internetseite meldet, haben Anleger bereits über 200 Millionen Euro abgezogen. Allerdings gibt es auch Anleger, die Prokon überzeugen konnte: Etwas mehr als 10 Millionen Euro sollen wieder zurückgeflossenen sein, nachdem Anleger ihre Kündigung zurückgenommen hatten. Über 70 neue Kunden wurden gewonnen.
Doch angesichts der Geldbeträge, die Prokon braucht, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, ist dies wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Die Kündigungen im Wert von 200 Millionen Euro wiegen schwer, sie machen 14 Prozent des Genussrechtskapitals von 1,4 Milliarden Euro aus. Am Montag hatte Prokon seinen über 75.000 Anlegern zu verstehen gegeben, dass es einen Geldabfluss von maximal fünf Prozent verkraften kann, um der Pleite zu entkommen. Dies entspricht etwa 70 Millionen Euro – ein kaum realistisches Bild angesichts der ausgelösten Dynamik.
Weder konnten die eindringlichen Stellungnahmen auf der Internetseite an der Verunsicherung der Anleger etwas ändern, noch die Gründung der Initiative „Freunde von Prokon". Dieser gehören zwar immerhin schon mehr als 3.800 Anleger an, von den mehr als 75.000 Anlegern ist das allerdings nur ein Bruchteil. Inzwischen prüft die Lübecker Staatsanwaltschaft Strafanzeigen gegen Prokon, die es in den vergangen Wochen vermehrt erhalten hat. Ob ein Anfangsverdacht wegen Betruges und weiterer Wirtschaftsdelikte besteht, kann die Staatsanwaltschaft jedoch erst in einigen Wochen sagen, erklärte Oberstaatsanwältin Wenke Haker-Alm. Solche Meldungen wirken jedoch offenkundig wenig vertrauensbildend.
Anwalt Nieding: „Intransparenz ist das größte Problem“
Prokon selbst sieht sich als Opfer einer „seit Monaten andauernden Hetzkampagne", wie das Unternehmen auf seiner Seite immer wieder bekräftigt. Aus diesem Grund hat Prokon sich auch entschieden, seit Mai 2013 keinerlei Fragen mehr von Medien zu beantworten – höchst ungewöhnlich für Unternehmen, die sich fast ausschließlich über den Kapitalmarkt finanzieren. Anlegerschutzanwalt Klaus Nieding von der Kanzlei Nieding+Barth sieht die Ursache eher in der Kommunikation von Prokon: „Das Problem des Unternehmens ist seine fehlende Transparenz. Es agiert nicht professionell, das fängt schon bei der Kommunikation mit Anlegern und Medien an", erläutert Nieding.
Auch professionelle Strukturen der Finanzabteilung sind zumindest nach außen nicht oder nur rudimentär erkennbar. Handfeste Zahlen sind nur bruchstückhaft vorhanden: Der letzte Geschäftsbericht stammt aus dem Jahr 2011, neuere Zahlen liefert nur ein „Entwurf zur Konzernzwischenbilanz" vom 31.10.2013, erstellt von „internen Administratoren" und nicht testiert, eine Kapitalflussrechnung fehlt. Auch gehe aus den Zahlen nicht klar hervor, wie das geflossene Geld investiert wurde: „Wir können nicht genau sagen, ob nicht ein großer Teil des Geldes einfach in die Verwaltung geflossen ist und ob man je genug Geld für den eigentlich Zweck, den Bau der Windparks, gehabt hat", schlussfolgert Nieding.
Zwei Arten von Genussrechten wurden ausgegeben
Die Folgen einer möglichen Insolvenz für die Anleger und ihre Kündigungsrechte hängen davon ab, welche Genussrechte sie erworben haben. Prokon hat zwei Arten von Genussrechten begeben: Typ A hat keine feste Vertragslaufzeit und eine Mindestvertragsdauer von sechs Monaten, Typ B hat eine feste Vertragslaufzeit und eine Mindestvertragsdauer von fünf Jahren. Klar ist aber, dass die Genussrechtshaber erst dann eine Zahlung auf ihre Genussrechte im Falle der Insolvenz erwarten können, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt sind, so Nieding. Im Vergleich zu Gesellschaftlern stehen sie indes im Vorrang.
Rechtsanwalt Marc Gericke von der Kanzlei Göddecke betont daher wie wichtig es ist, dass sich Anleger „aus der Genussrechtsfalle befreien“. Dabei sei eine Kündigung der Genussrechte nicht unbedingt die beste Lösung: „Dieser Schritt ist vergebene Liebesmühe und läuft aller Voraussicht nach ins Leere. Für die Anleger ist viel wichtiger, dass sie sich für den Insolvenzfall rüsten und ihre Forderungsposition verbessern“, empfiehlt Gericke. Die Kanzlei sieht dabei zwei Möglichkeiten. Zum einen könne man die Anleger aus dem Vertrag befreien, indem man begründet, dass Prokon den Anlegern intransparente Vertragsklauseln vorgesetzt hat. „Die Verträge sind dann unwirksam und die Anleger haben bei der Verteilung der Insolvenzmasse automatisch bessere Karten“, so Gerike. Die zweite Möglichkeit würde an den Schadensersatzansprüchen der Anleger ansetzen. Diese könnten eingeklagt werden, wenn man damit argumentiert, dass Prokon seine Zinsen aus frischem Anlegerkapital gezahlt hat.
Der Konzern verspricht seinen treuen Anlegern in Zukunft Mitbestimmungsrechte, sofern eine Insolvenz verhindert werden kann: „Mit Ihrer Hilfe möchten wir die Rahmenbedingungen dann so verändern, dass wir unser gemeinsames Unternehmen wieder auf einen festen und zukunftssicheren Kurs bringen", beteuert das Unternehmen.