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Wackelemittent Carillion schockt Schuldscheininvestoren

Ist der britische Baukonzern Carillion wirklich „too big to fail“? Die Krise des Unternehmens, das erst im Januar einen Schuldschein emittiert hat, spitzt sich zu.
Carillion/Peter Langdown

Der Schuldscheinmarkt eilt von Rekord zu Rekord, doch ausgerechnet aus Großbritannien, von wo noch ganz wenige Emittenten stammen, kommen sehr schlechte Neuigkeiten: Der Baukonzern Carillion, der erst im Januar einen Schuldschein über 112 Millionen Pfund platziert hat, ist in arge Bedrängnis geraten. Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr musste das Unternehmen seine Geschäftsprognose kassieren.

Das hat Folgen: Der Aktienkurs geht in den freien Fall über: An der Londoner Börse verloren die Papiere rund 60 Prozent auf weniger als 17 Pence. An der Frankfurter Börse fielen die Papiere um 40 Prozent auf einen aktuellen Wert von rund 30 Cent.

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Noch beunruhigender aber ist, dass die Bilanz den Ertragseinbruch nicht mehr abfangen kann. Carillion räumt jetzt ein, dass der Konzern seine finanziellen Covenants beim nächsten anstehenden Test am Jahresende nicht wird einhalten können. Die Zielvorgabe, eine Relation von Nettoverschuldung zu Ebitda zwischen dem 1,0- und 1,5-Fachen, hält das Unternehmen für unerreichbar. Schuld seien unter anderem ein Margenverfall im britischen Geschäft und der verschobene Start eines Großprojekts im Mittleren Osten.

Nun will das Management versuchen, den Covenant-Test auf Ende April 2018 zu verschieben. Bis dahin soll eine Lösung präsentiert werden, wie die Bilanzprobleme gelindert werden könnten. Dafür werden die Briten frisches Eigenkapital benötigen, um die Verschuldung zu senken. Aber auch eine finanzielle Restrukturierung ist ausdrücklich Teil der Überlegungen. 

Carillion will Covenant-Test auf April verschieben

So überraschend das Ausmaß der Schieflage ist, die Krise hatte sich schon seit längerem angedeutet. Bereits im Sommer waren Spekulationen laut geworden, Carillion könnte eine Kapitalerhöhung benötigen. In britischen Medien werden Analysten und Marktbeobachter zitiert, die eine Restrukturierung des Fremdkapitals für unumgänglich halten. Dass zu den Finanzierungsinstrumenten seit einem knappen Jahr nun auch ein Schuldschein gehört, dürfte dieses Ansinnen aber deutlich erschweren. Selbst die Verschiebung des Covenant-Tests könnte sich als Hürde erweisen. 

Der Grund dafür ist, dass Schuldscheine in aller Regel keine Mehrheitsbeschlüsse kennen, sondern für Änderungen der Bedingungen die einstimmige Zustimmung aller Investoren verlangen. In vielen Schuldscheinen sind jedoch Investoren engagiert, die wenig bis keine Erfahrung mit Finanzrestrukturierungen haben. Blockieren sie eine Lösung, droht der Schuldschein auszufallen, was eine Kaskade von Folgeausfällen in der Kapitalstruktur des Emittenten auslösen könnte. 

Briten spekulieren, Carillion sei „too big to fail“

Wie genau die Investorenstruktur bei dem Carillion-Schuldschein aussieht, ist öffentlich nicht bekannt. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass sich aufgrund der Herkunft des Emittenten nicht viele deutsche Adressen den Carillion-Schuldschein gezeichnet haben. Für Carillion wäre es in der aktuellen Situation hilfreich, wenn der Großteil der Schuldscheininvestoren in der Londoner City säße. 

Denn in Großbritannien wird schon über mögliche Auffanglösungen diskutiert. Auf der Insel kursiert die Annahme, Carillion sei wegen seiner Vielzahl an wichtigen Schlüsselprojekten „too big to fail“. Der Konzern steht hinter einer Reihe von Projekten, in denen er im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften wichtige Infrastrukturdienste leistet.

Die Vermeidung eines Zahlungsausfalls wäre auch für den Schuldscheinmarkt eminent wichtig, kennt der Markt doch bislang so gut wie keine Defaults. Obwohl die Risiken zuletzt gestiegen und die Kupons gesunken sind, werden Schuldscheine bei Investoren nach wie vor als sichere Anlage vermarktet.