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Wertmanagement: Die schlimmsten Fehler, die größten Mythen

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Sind Finanzkennzahlen der richtige Weg, um Werttreiber zu kommunizieren? Eher nicht, meint FINANCE-Kolumnist Niels Dechow.
IPGGutenbergUKLtd/Thinkstock/Getty Images

Eigentlich ist Wertmanagement (oder „Value Based Management“) ganz einfach – und vielleicht auch deshalb in deutschen Führungsetagen so beliebt. Die Idee dieses Konzepts ist es, dass wir uns auf die Frage konzentrieren, inwieweit unsere Aktivitäten im Unternehmen Mehrwert für die Anteilseigner schaffen. Wo dies nicht der Fall ist, sind Veränderungen angesagt.

Diese Logik ist simpel und nachvollziehbar – weniger einfach ist es, sie so zu kommunizieren, dass die Organisation sie aufnimmt und  mit Leben füllt. Zu oft wird Wertmanagement anhand von Finanzkennzahlen  kommuniziert, bei denen die meisten Mitarbeiter ohne Finanzhintergrund nur Bahnhof verstehen  und  keinen Bezug zum Tagesgeschäft  erkennen können. So wird Wertmanagement gewiss nicht funktionieren!

Nicht-Finanzer und der Schaden durch Kennzahlen

Das Problem: CFOs und Controllern fällt es leicht, im Kleinen das große Gesamtbild zu erkennen. So funktionieren schließlich ja auch Finanzmodelle, Werttreiberbäume und Controlling-Strukturen. Für die Nicht-CFOs und Nicht-Controller sieht es hingegen aus, als ob wir lediglich versuchen, die ganze Organisation anhand einer Reihe von simplen Kosten/Nutzen-Funktionen darzustellen – als ob die eigene Organisation nichts anderes wäre als eine Reihe von Stellschrauben und Hebeln.

Was innerhalb der Finanzabteilung oft geleugnet wird, aber trotzdem wahr ist: Werttreiberbäume und Finanzmodelle veranlassen uns schnell dazu, uns in unserer Sichtweise zu beschränken. Kennzahlen führen leicht zu dem Gedanken, dass es immer und unmittelbar hilft, Kosten dort zu reduzieren, wo der (finanzielle) Nutzen einer Produktion oder einer  Dienstleistung nicht mehr stimmt. Diese Sichtweise ist viel zu digital. Es wird sehr viel organisatorisches Momentum kosten, wenn Veränderungsmaßnahmen immer (wieder) von stellschraubenbasierter Zielsetzungslogik angetrieben werden.

Wertschöpfung braucht mehr als Werte

Für denjenigen, der eine Veränderung, eine Verbesserung anstoßen will, sind Werttreiberbäume gefährlich, weil sie eben durch ihre Repräsentation das reale Leben, die tatsächliche Ineffizienz und das wirkliche Potential nur als eine kalkulatorische Problematik darstellen. Auf Zahlenbasis sieht es immer simpel aus, wenn man an bestimmten Stellschrauben dreht und die daraus zu erwartenden Ergebnisse errechnet.

In der Realität aber geht es nicht um die Veränderung der Zahlen, sondern um die Veränderung einer Organisation. Um  Prozesse, Vorgehensweisen, Annahmen – kurz: um die Praxis. Was aber, wenn wir vor lauter Werttreiberbäumen  den Wald – sprich: die Strukturen und Prozesse der Organisation – gar nicht mehr erkennen können?

„Wertschöpfung braucht Werte“ ist der Titel eines schon älteren, aber immer noch lesenswerten Buchs. Thematisch hört es sich an, als ob ich genau diesen Standpunkt verfolge.  Stimmt, Werte sind gut! Das nützt aber alles nichts, wenn diese nicht auch unternehmerisch thematisiert werden. Und da sind wir am Knackpunkt. Ebenso wie Werte braucht auch Wertmanagement eine Thematisierung, die eine fortlaufende Veränderung darstellt und zur Verbesserung animiert. 

Dabei muss ganz und gar nicht auf die kalkulatorische Repräsentation verzichtet werden. Nur: Es ist wichtig, dass sie zum Vorhaben der fortlaufenden Verbesserungen auch wirklich passt. „Draußen“ in der Organisation – im Werk, im Vertrieb – ist die finanzielle Darstellung oft nicht wirklich angebracht. Vielmehr geht es darum, die Pflichten, die Verantwortungen und die Rollen der Manager prägnant zu thematisieren.

Wertschöpfung braucht eine Übersetzung

Abstraktion von der finanziellen Repräsentation ist also nötig, denn im Werk und im Vertrieb kann die ganze Kapitalmarktrhetorik wenig bis gar nichts bewegen. Wertmanagement braucht eine Thematisierung, die inhaltlich begeistern kann, indem sie aufzeichnet, wie ein Wertbeitrag geschaffen werden kann.

Wer also mit dem Begriff Wertmanagement  um sich wirft, muss dies in bereichsrelevante Themen übersetzen, zum Beispiel Produktqualität, Liefertreue, Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterethos und so weiter. Im Arbeitsalltag der Mitarbeiter eines Unternehmens bleibt der Shareholder ein Mythos, eine unbekannte Größe, ein Beispiel für typisches „Managersprech“, in dem  es viel einfacher ist, die Distanz zwischen zwei Zahlen zu messen und zu diskutieren als  eine Strecke von A nach B zurückzulegen.

Wer Wertmanagement betreiben will, muss sich damit auseinandersetzen, wie man in der Organisation verständlich mit dem Bild der Kosten-Nutzenfunktion umgeht. Dies soll keineswegs  in Frage stellen, dass sich eine Simulation von Zeit zu Zeit lohnt. Doch Vorsicht: Unterschätzen Sie niemals, wie weit der Weg von Simulation zu Kommunikation ist.  Kosten senken, um den Mehrwert der Shareholder zu sichern, mag kalkulatorisch gesehen nicht verkehrt sein. Verkehrt wird es erst, wenn man Kostensenkung und Budgetkürzung als Fokuspunkte definiert, weil man dadurch nicht  Impulse schafft, sondern Stillstand erzeugt.  

Wertmanagement: Fangen Sie an mit drei Fragen!

Ist also eine traditionelle finanzielle (kennzahlenbasierte) Darstellung von Wertmanagement überhaupt hilfreich? Die Antwort ist ganz klar Nein! Immer wieder habe ich beobachten dürfen, dass Manager nicht verstehen, warum ihre Organisation mit dem schön „gelaunchten“ Wertmanagement-Programm nicht vorankommt. Selten wird dabei wird überlegt, ob es vielleicht auch an der finanziell geprägten Kommunikation durch traditionelle Kennzahlen liegt?

Aber gut, ganz ohne Kennzahlen geht es natürlich auch nicht. Deshalb möchte ich, dass Sie sich folgende Fragen stellen, die auch einer der Mitbegründer der wertmanagement-orientierten Sichtweise schon gestellt hat – Bennet Stewart:

Falls Sie Kennzahlen verwenden, um Wertmanagement zu betreiben, wofür genau werden diese Zahlen verwendet?

Vielleicht gehören Sie ja auch zu der Gruppe von Managern, die Maßnahmen aus den Zahlen heraus definieren? Wenn nicht, könnte es ja sein, dass Sie stattdessen die Kennzahlen dafür verwenden, den Erfolg kumulativer Veränderungen zu kommunizieren und in Beziehung zu setzen. Damit wird ermöglicht, dass alle sich mit der Veränderung und ihrer Notwendigkeit selbst auseinandersetzen können. Das ist gut.

Falls Sie Veränderungen in Ihrer Organisation anstreben, wie werden diese in den Kontext gesetzt?

Einige mögen einen radikalen Ansatz, andere sehen es eher als Prozess. Mir geht es um die Frage, wie Sie in Ihrer Wahl der Kontextualisierung Fokus auf die Kontinuität nehmen? Fällt dieser Fokus weg, ist nämlich schnell das Momentum verloren, und das wäre nicht gut.

Wenn Sie in ihrer Organisation Wert auf Deckungsbeiträge legen, inwieweit werden diese Beiträge zurückgeführt auf Handlungen und Aktivitäten?

Ein Beitrag kommt ja nun mal nicht aus dem Nichts. Im Strategiebereich spricht Mintzberg von den fünf P’s. Die Marketing-Leute sprechen von vier, Finance-Manager brauchen nur drei: Preis-Struktur, Produkt-Mix und Prozess-Excellenz. Zusammen sagen diese drei P’s etwas über Marge. Und das passt gut zu Momentum, oder nicht?

redaktion[at]finance-magazin.de

Info

Niels Dechow, PhD, ist Professor für Unternehmensrechnungslegung und Controlling an der European Business School (ebs). Für FINANCE bloggt er regelmäßig zu den neuesten Trends im Controlling. Alle Beiträge seines Blogs „Controlling 2020“ finden Sie hier.