Autoindustrie in Deutschland: Krisenstimmung verstärkt sich
Die Prognosen für die deutsche Automobilindustrie stehen weiterhin schlecht: Die Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage schlechter als im Vormonat und blicken mit noch größerem Pessimismus auf die kommenden sechs Monate. Das zeigt der Geschäftsklima–Index des Ifo-Instituts. Der Rückgang der Geschäftserwartungen auf -30,4 Punkte verdeutlicht die Unsicherheit in der Branche (-28,2 im Oktober). Die schwache Nachfrage, die durch die abgearbeiteten Auftragsberge und unzureichende neue Bestellungen geprägt ist, belastet zusätzlich.
Auch auf dem Arbeitsmarkt der Branche zeigt sich ein düsteres Bild. Trotz eines leichten Anstiegs im Vergleich zum Vormonat bleibt der Indikator der Beschäftigungserwartungen mit -34,1 Punkten im Langzeittief. Viele Unternehmen zögern bei Neueinstellungen oder erwägen Stellenkürzungen. Diese Zurückhaltung spiegelt die Unsicherheit wider, die durch die tiefgreifende Transformation und den intensiven Wettbewerb in der Branche verursacht wird.
Im Auslandsgeschäft zeigt sich laut Ifo-Institut ein gemischtes Bild. Während die Exporterwartungen von -31,3 Punkten im Oktober auf -19,2 Punkte im November gestiegen sind, bleibt die Unsicherheit über die zukünftige Handelspolitik bestehen. Die Aufwertung des Dollars nach der Wahl könnte jedoch den Exporteuren zugutekommen. Unternehmen beobachten die Entwicklungen genau, um ihre Strategien entsprechend anzupassen und von möglichen Vorteilen zu profitieren.
Trübe Stimmung auch im Einzelhandel
Die Restrukturierungswelle im Einzelhandel wird immer größer. Mehr als ein Drittel der Händler plant, bis Ende 2024 umfassende Umstrukturierungen einzuleiten. Dabei stehen Arbeitsplatzabbau und Filialschließungen im Fokus, um Kosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das zeigt eine Studie von FTI-Andersch und dem Marktforschungsinstitut Verian. Besonders betroffen ist der Non-Food-Bereich, in welchem 50 Prozent der Unternehmen Personalabbau als zentrale Maßnahme sehen. Im Vergleich dazu plant nur jedes vierte Industrieunternehmen ähnliche Schritte. Die wirtschaftliche Lage im Handel wird pessimistischer eingeschätzt als in der Industrie, was die Sorge vor einer Insolvenzwelle verstärkt.
Die Herausforderungen für den Einzelhandel sind vielfältig. Neben dem Arbeitskräftemangel, der 91 Prozent der Unternehmen belastet, stellen auch Refinanzierungen eine große Hürde dar. Zwei Drittel der Händler kämpfen mit den gestiegenen Anforderungen der Finanzierer.
„Die ersten prominenten Insolvenzen haben wir bereits gesehen. Jetzt treffen strukturelle Herausforderungen auf die wohl schlechteste wirtschaftliche Lage seit der Wirtschafts- und Finanzkrise. Und das gepaart mit einer anhaltend schlechten Konsumstimmung. Zuletzt sind neben den so genannten Vertikalisten und Plattformbetreibern zusätzlich noch weitere internationale Anbieter aggressiv auf den deutschen Markt gedrängt. Das Ergebnis: An einer Marktbereinigung wird kein Weg vorbeiführen“, sagt Dorothée Fritsch, Managing Director und Handelsexpertin bei FTI-Andersch.
Trotz dieser Schwierigkeiten ziehen 83 Prozent der Unternehmen eine strategische Neuausrichtung in Betracht, um langfristig stabil zu bleiben. Maßnahmen wie Portfolio-Bereinigungen und verstärktes Liquiditätsmanagement stehen dabei im Vordergrund. (Weitere Maßnahmen in der Grafik)
Info
Verian hat im Auftrag von FTI-Andersch im Rahmen der Studie ‚German Economic Pulse 2024‘ 200 Unternehmen in Deutschland aus den Branchen Automobil, Maschinen- und Anlagenbau, Konsumgüter und Handel zu aktuellen Themenstellungen um wirtschaftlichen Ausblick, Restrukturierung, Insolvenzen, Refinanzierungen und sonstigen strukturellen Herausforderungen befragt. Der Umsatz der Unternehmen beträgt mindestens 50 Millionen Euro. Rund ein Viertel der befragten Unternehmen erwirtschaften im Jahr mehr als 500 Millionen Euro.
Preos erwartet Insolvenzverfahren
Der vorläufige Insolvenzverwalter des Büroimmobilienkonzerns Preos, Rainer Bähr (HWW Hermann Wienberg Wilhelm), hat dem Amtsgericht Leipzig ein Gutachten vorgelegt, das die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Preos empfiehlt. Derzeit wird eine Eröffnung des Verfahrens erwartet, so das Unternehmen. Die bisherigen Prüfungen sollen auf eine Insolvenzquote von unter 1 Prozent hindeuten. Es besteht die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter nach der Verfahrenseröffnung die Masseunzulänglichkeit anzeigen muss, was die Situation für Gläubiger weiter verschärfen könnte.
Bereits im Juli deutete sich bei Preos eine Insolvenz an: Dem ging voraus, dass das Oberlandesgericht Frankfurt am Main eine Stundung fälliger Zinsen in Höhe von etwa 5 Millionen Euro abgelehnt hatte. Dadurch konnten die geplanten Maßnahmen zur Restrukturierung für die Preos-Wandelanleihe nicht umgesetzt werden. Das Unternehmen wurde damals vom Gericht zur Insolvenzanmeldung aufgefordert.
Tupperware Deutschland meldet Insolvenz an
Nun hat es auch Deutschland getroffen: Nachdem die US-Muttergesellschaft von Tupperware Insolvenz anmelden musste, ist jetzt auch die deutsche Gesellschaft zahlungsunfähig. Der vorläufige Insolvenzverwalter Thomas Rittmeister (Reimer) prüft derzeit Sanierungsoptionen. Der Geschäftsbetrieb läuft zwar weiter, doch die Lagerbestände könnten bereits Anfang 2025 erschöpft sein, heißt es. Eine wesentliche Herausforderung ist die Abhängigkeit von ausländischen Lieferungen, da die Produktion in Portugal und Belgien eingestellt werden soll. Die US-Muttergesellschaft Tupperware Brands Corporation zieht sich aus Europa zurück und hat selbst ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 eingeleitet, was die Situation zusätzlich erschwert.
Rittmeister plant derzeit Verhandlungen mit der amerikanischen Konzernobergesellschaft, um die Versorgung sicherzustellen. Die deutsche Tupperware-Gesellschaft, die 2022 noch 79 Mitarbeiter beschäftigte und über 70 Millionen Euro Umsatz erzielte, könnte ohne Unterstützung der Schwestergesellschaften keine Umsätze mehr generieren.
Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren
Unter den Schutzschirm hat sich Ende November der Haushaltswaren-Discounter Kodi gerettet. Das Unternehmen mit Sitz in Oberhausen muss finanzielle Schwierigkeiten überwinden. Mit rund 1.800 Beschäftigten und knapp 240 Filialen soll der Betrieb vorerst normal weiterlaufen. Die Geschäftsführung bleibt im Amt und arbeitet an einem Sanierungsplan, der im Frühjahr 2025 dem Amtsgericht Duisburg und den Gläubigern präsentiert werden soll. Die finanzielle Schieflage wird auf Kaufzurückhaltung und gestiegene Energiekosten zurückgeführt. Die Sanierungsexperten Holger Rhode und Raul Taras (Görg) sowie der Unternehmensberater Thomas Montag (Montag & Montag) wurden in die Geschäftsführung von Kodi berufen.
Nach ihrem Rekordjahr 2023 ist die Hotelkette Achat in Schwierigkeiten geraten. Achat Hotels sowie ihr Tochterunternehmen Loginn Hotels haben Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Der Betrieb in allen 49 Hotels läuft weiter und Buchungen bleiben gültig. Die einst wachstumsstarke Hotel-Gruppe leidet unter den Corona-Nachwirkungen, der Inflation und dem verändertem Buchungsverhalten. Die Restrukturierung soll mit Unterstützung von Sanierungsexperten wie AC Tischendorf und Turnaround Management Partners erfolgen, um das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen. Hinter der Hotelgruppe steht der Mittelstandsinvestor Hannover Finanz.
In Lüdenscheid hat der Automobilzulieferer Gerhardi Kunststofftechnik Insolvenz angemeldet. Das Amtsgericht Hagen hat Jan-Philipp Hoos (White & Case) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Das Traditionsunternehmen, das seit 1796 besteht und 1.500 Mitarbeiter an drei deutschen Standorten beschäftigt, produziert Kunststoffteile. Trotz intensiver Sanierungsbemühungen konnte die Insolvenz nicht vermieden werden. Der Geschäftsbetrieb wird fortgeführt.
Das Cyberversicherungsunternehmen Cogitanda Dataprotect aus Köln und seine verbundenen Unternehmen haben Insolvenz angemeldet. Philip Schober (Brinkmann & Partner) wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Cogitanda agiert als Assekuradeur für Cyberversicherungen und bietet darüber hinaus umfassende Dienstleistungen an, um Cyberschäden zu vermeiden und im Schadensfall zu beheben. Derzeit wird die wirtschaftliche Lage der Gruppe geprüft, um Sanierungsmöglichkeiten und Investoren zu finden. Bestehende Versicherungsverträge bleiben gültig, jedoch wird kein Neugeschäft gezeichnet. Der Zahlungsverkehr erfolgt über Treuhandkonten.
Der Reiseveranstalter We-Flytour steht vor einer ungewissen Zukunft, nachdem über ihr Vermögen Insolvenz angeordnet wurde. Heike Metzger (Pluta) wurde zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Metzger und ihr Team prüfen derzeit die Fortführungsmöglichkeiten des Heilbronner Reiseveranstalters. Alle noch nicht angetretenen Reisen bis zum 10. Dezember 2024 wurden storniert, während Reisen ab dem 11. Dezember noch geprüft werden. Die Buchung von neuen Reisen ist derzeit nicht möglich. Kunden sollten nicht eigenständig stornieren, um zusätzliche Kosten zu vermeiden.
Die Sauter Feinmechanik aus Metzingen hat beim Amtsgericht Tübingen einen Insolvenzantrag gestellt. Ilkin Bananyarli (Pluta) wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt. Der Geschäftsbetrieb mit 240 Mitarbeitern läuft uneingeschränkt weiter, während Bananyarli erste Gespräche mit Geschäftspartnern führt. Ziel ist eine tragfähige Zukunftslösung, wobei ein Investorenprozess geplant ist.
Nachdem die Holding des Holzimperiums Ziegler Mitte November in die Insolvenz musste, haben nun auch die Tochtergesellschaften Ziegler Holzindustrie, Naturheld, Ziegler Logistik, Ziegler Global Logistics, Engelhardt + Geißbauer, E+G Besitzgesellschaft und ZG Distributionsgesellschaft Insolvenz angemeldet. Das Amtsgericht Weiden bestellte auch in diesen Fällen Volker Böhm (Schultze & Braun) als vorläufigen Insolvenzverwalter. Beide Unternehmen sind stark von der Baukrise betroffen. Böhm prüft derzeit die Fortführung der Geschäftsbetriebe und ließ gegenüber dem „Oberpfalz Echo“ verlauten, dass es für einige Betriebe bereits Interessenten gibt.
Distressed M&A
Die Max Valier Holding hat das Maschinenbauunternehmen Kolbus aus Rahden übernommen. Die Transaktion erfolgt im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens, das vom Amtsgericht Bielefeld eröffnet wurde, und zum Jahreswechsel vollzogen werden soll. Max Valier übernimmt den Geschäftsbetrieb von Kolbus und plant die Integration der Auslandsgesellschaften. Dennoch musste das Unternehmen Standorte in Großbritannien und Krostitz schließen. Kolbus agiert im Bereich Verpackungsmaschinen und Flexodruck. Im Juli hatte Kolbus einen Insolvenzantrag gestellt. Stefan Meyer (Pluta) wurde zum vorläufigen Sachwalter bestellt.
Christian Kaufmann (Pluta) hat als Insolvenzverwalter der Fensterbau Gussek einen Investor gefunden. Gerdes übernimmt den Betrieb in Elsnigk. Die Übernahme erweitert das Gerdes-Portfolio um Holz- und Holz-Aluminium-Fenster. Die Gussek-Gruppe hatte im August 2024 Insolvenzanträge gestellt, jedoch konnte keine Gesamtlösung für die Gruppe gefunden werden.
Info
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Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.

