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Zahl der Zombie-Unternehmen steigt

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Die weltweite Anzahl an Zombie-Unternehmen ist auf rund 2000 Unternehmen gestiegen. Foto: Tabthipwatthana – stock.adobe.com
Die weltweite Anzahl an Zombie-Unternehmen ist auf rund 2000 Unternehmen gestiegen. Foto: Tabthipwatthana – stock.adobe.com

Sie sind hochverschuldet, haben ein nicht tragfähiges Geschäftsmodell und sind dennoch am Leben: die sogenannten Zombie-Unternehmen. Und ihre Zahl steigt seit Jahren konstant, wie das Ergebnis einer aktuellen Studie des Beratungshauses Kearney zeigt. Demnach gab es 2021 weltweit rund 2000 börsennotierte Unternehmen, die als sogenannte Zombies klassifiziert werden – 200 mehr als noch im Vorjahr. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Beratungshauses Kearney.

Als Zombies werden Unternehmen bezeichnet, die zwar weiter existieren, aber über kein funktionierendes Geschäftsmodell verfügen, konkret Unternehmen, die drei Jahre in Folge nicht in der Lage sind, mit ihrem operativen Ergebnis die laufenden Zinsverbindlichkeiten zu decken.

2021 gab es rund 200 zusätzliche Zombies

Die Unternehmensberatung Kearney hat für die Studie die Jahresabschlüsse aller börsennotierten Unternehmen weltweit ausgewertet. So wurden insgesamt rund 70.000 Unternehmen analysiert, die heute an der Börse sind oder in den vergangenen Jahren gelistet waren. Das zentrale Ergebnis: Die Zahl an Zombies ist im vergangenen Jahr um rund 200 Unternehmen weltweit gestiegen, 2020 hatte die Zahl noch bei rund 1800 beziehungsweise 4,2 Prozent der Unternehmen gelegen. 2021 ist diese Zahl auf 4,7 Prozent der gelisteten Unternehmen gestiegen. Die Gesamtzahl aller aktiven börsennotierten Unternehmen liegt aktuell bei rund 43.000.

Als Hauptgrund für den Anstieg führt Kearney die Folgen der Coronapandemie an – vor allem die globalen Lieferkettenprobleme hätten zu wirtschaftlichen Verwerfungen geführt. Für die Unternehmensberatung ist aber auch die weltweite Insolvenzrechtslage ein Faktor – von den Unternehmen, die nicht über ein nachhaltiges Geschäftsmodell verfügen, schieden im vergangenen Jahr lediglich 83 – also nur rund 5 Prozent – auch tatsächlich wegen Insolvenz aus den Märkten. Aus Sicht der Unternehmensberatung „ein klares Zeichen für die unzureichende globale Wirkung des Insolvenzrechts”.

Im analysierten Betrachtungszeitraum von 2010 bis 2021 ist zudem ein kontinuierlicher Trend erkennbar: Die Zahl der Zombie-Unternehmen steigt konstant. Gab es 2010 noch weltweit 620 „Zombies”, waren 2015 es bereits etwa 1300 und 2021 gar rund 2000 Zombies. Im Durchschnitt stieg die Zahl an solcher Unternehmensvehikel seit 2010 um 9 Prozent an.

Zahl der Zombie-Unternehmen steigt in Europa schneller

In Europa ist die Zahl der Zombies von 2020 auf 2021 stärker gestiegen als im weltweiten Vergleich. 2020 lag der Anteil an börsennotierten „untoten“ Unternehmen bei 4,7 Prozent, 2021 stieg er auf 5,5 Prozent. Europa ist damit einer der Märkte mit einer bedenklichen Entwicklung – so lag die Zahl an Zombies 2010 noch bei 1,2 Prozent und hat sich damit bis Ende des vergangenen Jahres nahezu verfünffacht.

Um eine Zukunftsprognose darüber abgeben zu können, wie sich die Anzahl der Zombies entwickeln wird, hat Kearney zudem einen Stresstest der Zahlen vorgenommen und dafür den Faktor Unternehmenszinsen betrachtet. Derzeit liegt die Zinslast der betrachteten Unternehmen bei durchschnittlich 1,5 Prozent. Würde sich die Zinslast um den Faktor 1,5 erhöhen, stiege der Anteil an „Zombies” in Europa von 5,5 auf 6,2 Prozent. Bei einer Verdopplung der Unternehmenszinsen würde der Zombie-Anteil in Europa gar auf 7,1 Prozent klettern – dies entspräche einem Anstieg um fast ein Drittel (29 Prozent).

In Deutschland gibt es 25 Zombie-Unternehmen

Für den deutschen Markt identifiziert die Studie aktuell 25 Zombies. Damit liegt deren Zahl auf dem gleichen Niveau wie 2016. In den Jahren dazwischen war diese zwischenzeitlichen gesunken, als Grund dafür geht Kearney den leichten Anstieg der Staatsanleihen-Rendite bis 2018. Im Anschluss war die Rendite wieder gesunken, in dieser Zeit hatte auch die Zahl der Zombie-Unternehmen wieder zugenommen. „Zombies werden genährt durch den leichten Zugang zu Kapital“, so die Schlussfolgerung der Studie.

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Immobiliensektor wird zum Sorgenkind

Betrachtet man die einzelnen Branchen im weltweiten Vergleich, fällt der Immobiliensektor als Sorgenkind auf: 2021 waren knapp 8 Prozent aller börsennotierten Immobilienunternehmen Zombies. Besser steht der Retail-Sektor mit einem Zombie-Anteil von 4,7 Prozent da, wobei allerdings der Online-Handel mit 5,6 Prozent negativ heraussticht. Kearney begründet dies mit einer hohen Zahl an Start-ups in diesem Segment. Zudem verzeichnet der Retail-Sektor insgesamt mit 14 Prozent die höchste jährliche Zuwachsrate aller Branchen.

Als gefährdet sieht Kearney auch die Airlines an. In der Branche liegt der Anteil der Zombie-Unternehmen zwar nur bei 3,1 Prozent – dieser Wert würde bei einem Anstieg der Zinsen um den Faktor 1,5 auf 6,1 Prozent steigen, bei einer Verdopplung der Unternehmenszinsen gar auf 12 Prozent. Gut schneiden hingegen zwei der Kernbranchen der deutschen Industrie ab. So gibt es im Automotive-Sektor nur 3,7 Prozent Zombies und in der Maschinenbau-Branche nur 3,3 Prozent Zombies.

In der Gesamtbetrachtung setzt sich der besorgniserregende Trend der vergangenen Jahre fort – die Zahl der Zombie-Unternehmen, die eigentlich Insolvenzfälle sein müssten, aber dennoch weiter existieren, steigt weiter, sowohl weltweit als auch in Deutschland. Dass die Zahl der Zombies in Deutschland vergleichsweise eher gering ausfällt, lässt sich auch auf das deutsche Insolvenzrecht zurückführen. Hierzulande ist durch die 90-Prozent-Klausel geregelt, dass Unternehmen 90 Prozent ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten in einem Dreiwochenzeitraum bezahlen können müssen. International könnten vergleichbare Regelungen helfen, Zombie-Zustände von Unternehmen zu verhindern.

Paul Siethoff ist Redakteur bei Finance und schreibt vorrangig über Transformations-Themen. Er hat Kommunikationswissenschaften und Journalismus in Erfurt und in Mainz studiert. Vor seiner Zeit bei FINANCE schrieb Paul Siethoff frei für die Frankfurter Rundschau für die Ressorts Wirtschaft und Politik.

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