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Plant Adler, sich selbst abzuwickeln? 

Vor dem High Court in London entscheidet sich die Zukunft der Adler Gruppe. Foto: William - stock.adobe.com
Vor dem High Court in London entscheidet sich die Zukunft der Adler Gruppe. Foto: William - stock.adobe.com

Ist die geplante Restrukturierung der Adler Gruppe eigentlich ein Plan, um den Immobilienkonzern bis 2026 abzuwickeln und nicht, um ihn zu retten? Diesen Vorwurf erheben zumindest die Gläubiger, mit denen sich Adler diese Woche vor dem High Court in London über die Annahme des Restrukturierungsplans gestritten hat. Das geht aus einem Argumentationspapier der Gläubigergruppe hervor, das diese beim High Court im Rahmen des Verfahrens eingereicht hat und das FINANCE vorliegt. 

Doch das ist nicht die einzige Kritik, die die Gegner gegen den Restrukturierungsplan vorbringen. FINANCE hat die wichtigsten Punkte zusammengefasst. 

Kurzer Rückblick: Die Adler Gruppe hat Verbindlichkeiten von mehr als 6 Milliarden Euro. Rund die Hälfte der Schulden entfällt auf Anleihen. Im November legte Adler deshalb einen Sanierungsplan vor, der im Kern vorsah, dass neue Anleihen in Höhe von mehr als 900 Millionen Euro begeben werden.  

Gleichzeitig sollte Adler mehr Zeit für die Suche nach einem Wirtschaftsprüfer erhalten, nachdem das Big-Four-Haus KPMG das Testat verweigert und angekündigt hatte, Adler nicht mehr prüfen zu wollen. Doch der Restrukturierungsplan fand nicht die notwendige Mehrheit. Nur 57,7 Prozent der Gläubiger der bis 2029 laufenden Anleiheserie stimmten für die Annahme und nicht wie erforderlich 75 Prozent.  

Adler will sich nach britischem Recht restrukturieren 

Adler hat sich daher entschieden, eine Restrukturierung nach britischem Recht durchzuführen. Der Vorteil: In Großbritannien kann das Gericht einen Restrukturierungsplan annehmen, wenn es überzeugt ist, dass dieser erfolgversprechend ist und eine Insolvenz verhindert, selbst wenn nicht mehr als 75 Prozent der Gläubiger für den Plan gestimmt haben. 

Von Montag bis Mittwoch fand nun vor dem High Court in London die Verhandlung über die Zukunft Adlers statt. Richter Thomas Leech hörte sich die Argumente der Befürworter des Sanierungsplans sowie deren Gegner, der sogenannten Ad-hoc-Gruppe, an. Zur Ad-hoc-Gruppe gehören die Deutsche Bank-Tochter DWS, die US-amerikanischen Finanzinvestoren Strategic Value Partners und Carval Investors sowie der britische Investor Attestor Capital. Gemeinsam halten sie rund ein Drittel der bis 2029 laufenden und 800 Millionen Euro schweren Anleihe.  

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Plant Adler die Abwicklung? 

Die Ad-hoc-Gruppe ist der Ansicht, dass die Adler Gruppe mit ihrem Restrukturierungsplan nicht die Rettung des Immobilienkonzerns, sondern dessen Abwicklung zum Ziel habe. Sie beruft sich dabei vor allem auf ein Gutachten der Boston Consulting Group, das die weitere Restrukturierung Adlers skizziert.  

Im Kern sieht der Plan eine Veräußerung von Adlers Immobilienportfolio vor. Demnach will Adler bis Ende 2024 etwa die Hälfte davon verkaufen, darunter sowohl bestehende Wohneinheiten als auch Entwicklungsprojekte. Der Verkauf soll rund 4,5 Milliarden Euro brutto in Adlers Kassen spülen. In einer zweiten Verkaufstranche soll bis Ende 2026 das restliche Immobilienportfolio verkauft werden und rund 3 Milliarden Euro brutto erlösen. Bis 2027 soll demnach das komplette Portfolio verkauft sein.  

Adler-Gläubiger kritisieren Ungleichbehandlung 

Mit den Verkaufserlösen sollen nach Ansicht der Ad-hoc-Gruppe jedoch nicht alle Gläubiger gleichranging bedient werden, sondern vor allem die Gläubiger der bis 2026 laufenden Anleihen sowie die Investoren, die Adler frisches Geld geliehen haben. Diese würden von dem Restrukturierungsplan profitieren.  

Die Gläubiger, der bis 2029 laufenden Anleihe, würden laut Ad-hoc-Gruppe letztlich nur 10,6 Prozent der Verkaufserlöse erhalten. Nach englischem Recht darf das Gericht jedoch keine Gläubigergruppen bevorzugen oder schlechter stellen. Im Falle einer Insolvenz würden alle Gläubiger gleichbehandelt und hätten Anspruch auf einen proportionalen Anteil an den Rückflüssen.  

Adler wolle zudem Kosten einsparen und sich „gesundschrumpfen“, heißt es in dem Argumentationspapier der Ad-hoc-Gruppe weiter. Doch dies sei „ein Euphemismus“ angesichts der Tatsache, dass Adler bis Ende 2024 die Zahl der Beschäftigten von aktuell 681 auf etwa 150 reduzieren will, merken die Autoren des Argumentationspapiers spitz an. Auch dieser Personalabbau spricht aus Gläubigersicht für eine geplante Abwicklung und nicht für eine Rettung Adlers. 

Die Ad-hoc-Gruppe kommt deshalb zu dem Schluss, dass der Restrukturierungsplan nicht die Rettung der Adler Gruppe als fortbestehendes Unternehmen zum Ziel habe. „Vielmehr handelt es sich um eine schrittweise Veräußerung aller ertragreichen und entwicklungsfähigen Vermögenswerte über einen bestimmten Zeitraum.“ Adler wickelt sich nach Ansicht der Ad-hoc-Gruppe selbst ab. 

Gläubiger würden keinen Profit mit Insolvenz machen 

Doch damit nicht genug. Die Ad-hoc-Gruppe wehrt sich gegen den Vorwurf, eine Insolvenz von Adler herbeiführen zu wollen, weil sie damit Profite erzielen würde. Sie hätten demnach die Anleihen angeblich zu einem Kurs gekauft, der unter der Insolvenzquote liege. Bei einer Insolvenz würden sie also Geld verdienen.  

Dieser Vorwurf sei haltlos, heißt es in dem Argumentationspapier. Angesichts der Preise, zu denen die Anleihen erworben wurden, würden die Mitglieder der Ad-hoc-Gruppe im Falle einer Insolvenz Verlust machen. Dennoch pikant: Dieser werde jedoch geringer ausfallen als der Verlust, den sie nach dem vorgeschlagenen Plan erleiden würden. 

Darüber hinaus zieht die Gruppe in Zweifel, dass das britische Gericht überhaupt für den Fall zuständig sei. Die Übertragung der Anleihen von der Adler Gruppe auf die eigens gegründete britische Tochter AGPS BondCo sei nach deutschem Recht umstritten, schreiben sie. Deshalb habe eines der Mitglieder der Ad-hoc-Gruppe Klage vor dem Frankfurter Landgericht erhoben. 

High Court entscheidet am 12. April über Adler

Richter Thomas Leech will sein Urteil am 12. April verkünden. Dann könnte Adlers Zukunft etwas klarer aussehen. Die Zeit drängt. Lehnt Leech den Restrukturierungsplan ab, könnte es eng werden. Zum einen müssen bis zum Ende des Monats Schulden von einer halben Milliarde Euro abgelöst werden, zum anderen müsste Adler bis dahin einen geprüften Jahresabschluss für 2022 vorlegen. Ohne Wirtschaftsprüfer ein Ding der Unmöglichkeit.  

Die Adler Gruppe wollte auf Nachfrage von FINANCE mit Verweis auf das noch laufende Verfahren keinen Kommentar abgeben. 

Falk Sinß ist Redakteur bei FINANCE. Er hat Soziologie, Politologie und Neuere und Mittlere Geschichte in Frankfurt am Main sowie in Mainz Journalismus studiert, wo er auch einen Lehrauftrag inne hatte. Vor seiner Zeit bei FINANCE war Falk Sinß drei Jahre Redakteur der Zeitschrift Versicherungswirtschaft und zehn Jahre für verschiedene Medien des Universum Verlags tätig.