Fresenius: Zurück zu alter Stärke?

Mit Michael Sen an der Spitze scheint in Bad Homburg die Zeit des Zauderns vorbei: Seit er im Oktober 2022 Vorstandsvorsitzender des Gesundheitskonzerns wurde, hat das Management unter dem Motto „Future Fresenius“ ein ganzes Bündel an Maßnahmen angestoßen, um Fresenius auf Zukunftsfähigkeit zu trimmen und für den Kapitalmarkt wieder attraktiv zu werden. Zuvor wurde erst einmal der komplette Vorstand umgebaut, beginnend mit der Neubesetzung des CEO- und des CFO-Postens, nachdem innerhalb eines Monats zunächst die damalige Finanzchefin Rachel Empey und dann auch CEO Stephan Sturm ihren Hut genommen hatten. So kommt es, dass Finanzvorständin Sara Hennicken, seit September 2022 im Amt, heute die Dienstälteste im Fresenius-Management ist, dicht gefolgt von Vorstandschef Michael Sen. Das Duo hat seitdem das Strategieprogramm aufgesetzt und vorangetrieben – mit dem Wissen, dass spätestens nach dem Gewinnrückgang vor Zinsen und Steuern (Ebit) im Geschäftsjahr 2022 von 4,2 Milliarden Euro auf 1,8 Milliarden Euro etwas passieren musste. Dazu gehörte zuallererst die bereits länger im Raum stehende Entflechtung der Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) aus dem Fresenius-Konzernverbund, dicht gefolgt von allerlei Portfoliobereinigung. Fresenius musste nach dem Sinkflug aktiv werden In den Jahren davor hatten bereits sinkende Margen und eine hohe Verschuldung zum Sinkflug des Fresenius-Aktienkurses beigetragen. Das zu Hochzeiten Mitte 2017 bei knapp 80 Euro notierende Papier tritt seit zwei Jahren in der Region um 25 Euro auf der Stelle. Zuletzt sorgte im Juni die Aussicht, dass sich die positiven Trends zum Jahresauftakt auch im zweiten Quartal fortsetzen, immerhin für einen Hoffnungsschimmer: Das Papier überschritt kurzzeitig die 30-Euro-Marke. „Die ‚neue‘ Fresenius – also ohne FMC – ist operativ wachstumsstark und hat ein hohes Potential zur Schuldentilgung.“ Sven Kürten, Analyst bei der DZ Bank Einige Wochen zuvor hatte der DZ-Bank-Analyst Sven Kürten dem Gesundheitskonzern schon eine attraktive Gewinndynamik für die nächsten Jahre attestiert. „Die ‚neue‘ Fresenius – also ohne FMC – ist operativ wachstumsstark und hat ein hohes Potential zur Schuldentilgung“, schrieb er in einer Analyse. „Gleichzeitig ist die Aktie günstig und hat das Potential zu einer Neubewertung durch Investoren in der näheren Zukunft.“ Noch werden die Fortschritte von den Anlegern aber nicht goutiert, obwohl auch andere Analysten dem neuen Managementteam Verbesserungen bescheinigen. Pharmariese mit zu komplexer Unternehmensstruktur Die Zurückhaltung dürfte auch daran liegen, dass Fresenius erst einen Teil des Weges zur Neuaufstellung gegangen ist, auch wenn CEO Sen den strategischen Portfolioumbau, der in Teilen des Konzerns durchaus kritisch gesehen wird, erst einmal als abgeschlossen erachtet. Großprojekt und Herzstück des Umbaus war die Ende November 2023 vollzogene Dekonsolidierung der Dialysetochter FMC, die nun als Aktiengesellschaft firmiert und an der Fresenius weiter 32 Prozent hält. Diese Entflechtung wird bei Fresenius wahlweise als „historischer Schritt“ oder „Zäsur“ bezeichnet, war aus Expertensicht aber vor allem seit längerem fällig: Investoren und Analysten hatten zuvor die Trennung von Fresenius und FMC gefordert. Der Grund dafür war nicht nur, dass FMC vollkonsolidiert war, obwohl Fresenius nur 32 Prozent hält, sondern vor allem auch, dass die operativen Schwierigkeiten von FMC voll in der Fresenius-Bilanz durchschlugen. Portfoliobereinigung und umfangreiche Desinvestitionen Generell haben CEO Sen und CFO Hennicken in den Desinvestitionsmodus geschaltet, um sich künftig auf die Kerngeschäfte und aussichtsreichsten Wachstumskandidaten konzentrieren zu können: den privaten Krankenhausbetreiber Fresenius Helios sowie Fresenius Kabi, wo der Konzern seine Biopharmazeutika, seine Produkte zur klinischen Ernährung, die Medizintechnik und generische, intravenös zu verabreichende Arzneimittel gebündelt hat. Frei nach dem Motto: Weniger ist mehr. So hat Fresenius durch den Verkauf einer Beteiligung den Ausstieg aus dem peruanischen Krankenhausgeschäft vollzogen. Auch die auf Kinderwunschkliniken spezialisierte Eugin-Gruppe hat der Konzern veräußert, ebenso wie die Tochtergesellschaften Meditec und Ibs des Gesundheits-App-Anbieters Curalie, dessen Aktivitäten eingestellt wurden. Mehr zum Thema Fresenius verkauft Eugin-Gruppe für eine halbe Milliarde Euro Die Neuordnung bei Fresenius ist in vollem Gange. Der Gesundheitskonzern verkauft seine auf Kinderwunschkliniken spezialisierte Eugin-Gruppe an KKR. Auch die Entflechtung von FMC schreitet voran. Mehr lesen Fresenius steigt sukzessive bei Vamed aus Auch das Sorgenkind Vamed erwischt es: Bislang war Fresenius mit 77 Prozent an Vamed beteiligt. Die Performance der Mehrheitsbeteiligung war 2023 jedoch mit nur einem mageren organischen Umsatzwachstum von 1 Prozent und einer enttäuschenden negativen Ebit-Marge von 0,7 Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Anstatt Vamed selbst weiter teuer umzubauen, hat Fresenius jetzt einen gestückelten Verkauf der Aktivitäten eingefädelt. Die Mehrheit am Vamed-Rehabilitationsgeschäft soll dabei an den Private-Equity-Investor PAI Partners gehen. Das Rehabilitationsgeschäft ist der größte Vamed-Geschäftsbereich und kam im vergangenen Geschäftsjahr 2023 auf einen Umsatz von 1 Milliarde Euro. Für die Aktivitäten von Vamed in dessen Heimatmarkt Österreich hat Fresenius ein österreichisches Käuferkonsortium aus den Bauunternehmen Porr und Strabag gefunden, die für das Geschäft 90 Millionen Euro auf den Tisch legen. Der Vamed-Geschäftsbereich High-End-Services (HES) dagegen, der für Fresenius Helios und andere Krankenhäuser als Dienstleister aktiv ist, wird auf Fresenius übertragen. Mehr zum Thema Fresenius besiegelt Abschied von Vamed Fresenius steigt schrittweise aus seiner Unternehmensbeteiligung Vamed aus. Die österreichischen Aktivitäten gehen an ein Konsortium aus den Bauunternehmen Porr und Strabag. Alle Änderungen im Überblick. Mehr lesen Die angekündigten Vamed-Desinvestitionen führen laut Fresenius zu nicht zahlungswirksamen Sondereinflüssen in Höhe von rund 600 Millionen Euro. Gleichzeitig verspricht sich CFO Hennicken mit dem Exit eine um 50 Basispunkte verbesserte Profitabilität. CFO Hennicken implementierte neue finanzielle Steuerung Die neue Fresenius-Welt mit Helios, Kabi und der 32-Prozent-Beteiligung FMC ist deutlich überschaubarer. Im Fokus stehen dabei drei Segmente: erstens Biopharma mit chemischen und biologischen Medikamenten sowie die klinische Ernährung, zweitens Medizintechnik, wo Softwarekomponenten wichtiger werden, sowie drittens die medizinische Versorgung. Um die Performance gezielter zu steuern, hat das Team um CFO Sara Hennicken, die im Markt einen guten Ruf genießt, früh in ihrer Amtszeit ein neues finanzielles Steuerungssystem („Fresenius Financial Framework“) eingeführt. Durch Wachstumsbänder sollen die Schlüsselkennzahlen nun leichter interpretierbar sein. Neu ist, dass der Schwerpunkt auf der Rendite liegt in Form von Ebit-Margenbändern in den Segmenten. Auf Konzernebene werden unter anderem die Rendite auf das investierte Kapital (ROIC), der Verschuldungsgrad und die Cash Conversion Rate (CCR) betrachtet. Das Projekt war zeitintensiv, wird von Analysten aber als wichtiger Pfeiler für ein Mehr an Transparenz gesehen, auch in Richtung Kapitalmarkt. Hennicken überwacht zudem ein Sparprogramm, bei dem überwiegend durch Prozessoptimierung, Kosteneinsparung und Digitalisierung bisher jährliche Einsparungen von rund 280 Millionen Euro (ohne FMC) berichtet wurden. Allerdings mussten dafür zunächst auch einmal 221 Millionen Euro in die Hand genommen werden. Bis 2025 will der Konzern rund 400 Millionen Euro sparen. FINANCE Köpfe Sara Hennicken Fresenius SE & Co. KGaA Mehr lesen Erste Schritte in der Transformation, weitere müssen folgen Alle Aktivitäten zusammen – das Sparprogramm, die Erlöse aus den Verkäufen, aber auch eine höhere Ertragskraft – sollen helfen, die Verschuldung zu senken, die durch den von Ex-Chef Stephan Sturm angeführten jahrelangen aggressiven Übernahmekurs aufgelaufen war. CFO Hennicken rechnet damit, in diesem Jahr ihren Zielkorridor von 3,0x bis 3,5x Net Debt/Ebitda zu erreichen. Unterm Strich bleibt: Fresenius erfindet sich gerade nicht neu, aber das war bei einem Traditionskonzern auch nicht zu erwarten – zumal er in der Gesundheitsbranche mit grundsätzlich funktionierenden Geschäftsmodellen operiert. Bislang wurde das Bestehende aufgeräumt, aussortiert und neu geordnet. Diese Neuausrichtung soll den Grundstein für die Zukunft legen. Es bleiben aber noch viele Fragen offen, die Sen und Hennicken im Laufe der weiteren Transformation beantworten müssen. Setzt Fresenius mit Kabi und Helios auf die richtigen Zukunftsfelder? Wie wird die Produkt-Pipeline bei Kabi bestückt? Gelingen Helios’ Wachstumsambitionen, die der Klinikbetreiber unter anderem in Spanien hegt? Und nicht zuletzt: Sorgen all diese Bestrebungen dafür, dass das Fresenius-Management wieder einen überzeugenden Investment Case schaffen kann? Es bleibt weiter spannend in Bad Homburg.

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