Restrukturierer auf dem Sprung: Warum der Recruiting-Markt boomt

In den vergangenen Monaten war ein bemerkenswerter Trend zu beobachten: Zahlreiche Restrukturierungsexperten und -teams, insbesondere in Kanzleien, haben ihre Arbeitgeber gewechselt. Zu den renommiertesten Namen zählen etwa Kolja von Bismarck, der von Sidley Austin zu Clifford Chance zurückgewechselt ist, oder auch Jörn Kowalewski, der Latham & Watkins für Willkie Farr & Gallagher den Rücken kehrte. Die Wechselbereitschaft der Restrukturierer scheint weiterhin ungebremst. Doch was treibt die Sanierungsspezialisten derzeit an, besonders häufig den Arbeitgeber zu wechseln? FINANCE hat sich im Markt umgehört. Corona-Pandemie hat Nachwirkungen auf Recruiting Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Coronavirus-Pandemie hat branchenübliche Wechselbewegungen zunächst ausgebremst. Viele Juristen waren mangels Job-Alternativen oder aus Sicherheitsgründen nicht offen für einen Arbeitgeberwechsel. Nach einer Phase des Abwartens aufgrund der bestehenden Unsicherheiten entstand wieder Raum für neue Überlegungen und strategische Neuausrichtungen, schätzt Private-Equity-Anwalt Ludger Schult, Gründungspartner der Kanzlei Lark, der die Branche beobachtet. Nach der ausgestandenen Pandemie stehen daher aktuell mehr Arbeitnehmer – und damit auch Juristen – einem Berufswechsel aufgeschlossener gegenüber. Schluck-Amend: „Wettbewerb um Top-Talente ist brutal“ Alexandra Schluck-Amend ist Leiterin Restrukturierung und Insolvenz bei der Kanzlei CMS Deutschland. Foto: CMS Doch das erklärt noch nicht die hohe Fluktuation, speziell bei Restrukturierungsexperten. Diese lässt sich vor allem auf die aktuell stark gebeutelte Wirtschaft und den dadurch enorm gestiegenen Bedarf an Sanierern zurückführen. Das bestätigt auch die Restrukturierungsexpertin Alexandra Schluck-Amend, Partnerin bei CMS. „Die Teams arbeiten derzeit laufend an der Kapazitätsgrenze. Das gilt für alle Restrukturierungsteams in größeren Einheiten“, so die Leiterin Restrukturierung und Insolvenz bei CMS. Kanzleien bereiten sich also gezielt auf das ansteigende Restrukturierungsgeschäft vor, indem sie Kapazitäten in diesem Bereich aufbauen. Als Beispiel nennt Private-Equity-Anwalt Schult etwa die US-Kanzlei Willkie, die einen starken Wachstumskurs in den Bereichen Corporate und Restrukturierung verfolge und in diesem Zuge Personal von Latham abgeworben hatte. Der Recruiting-Markt für Juristen mit Restrukturierungsexpertise hat sogar einen neuen Höhepunkt erreicht: „Der Wettbewerb um Top-Talente ist brutal, mittlerweile sogar schlimmer als der Wettbewerb um Mandate“, konstatiert Schluck-Amend. Diese Restrukturierungsexperten haben gewechselt Warum Kanzleien keinen Sanierungsnachwuchs suchen Wäre das aber nicht die Sternstunde des Nachwuchses? Schließlich könnten die Kanzleien dem erhöhten Personalbedarf auch mit Rekrutierungen von Universitätsabsolventen oder Junganwälten gerecht werden. Diese Rechnung geht allerdings nicht auf, wie Schluck-Amend erläutert: „In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage fordern Mandanten erfahrene Berater, die sofort einsatzfähig sind.“ In diesen Fällen werden auch übliche Altersgrenzen – die sich üblicherweise zwischen 60 und 65 bewegen – von Kanzleien gerissen, ist im Markt zu hören. Nachwuchssanierer werden demzufolge eher seltener gesucht. Ein weiterer Aspekt betrifft die Aufstiegschancen in der eigenen Kanzlei, unabhängig von der Berufserfahrung. Nicht wenige Juristen, die im eigenen Unternehmen schon länger auf eine Beförderung warten, haben in der jüngsten Vergangenheit den Absprung in Richtung eines anderen Hauses gewagt. Besonders häufig fanden solche Wechsel in international ausgerichteten Kanzleien statt. Gerade in diesen gebe es oft zu wenige Partnerstellen, weiß Schluck-Amend. Ludger Schult ist Private-Equity-Anwalt und Gründungsmitglied der Kanzlei Lark. Foto: Lark In dieser Gemengelage wittern Boutiquen ihre große Chance. Um ambitionierte Restrukturierer auf sich aufmerksam zu machen, bieten sie ihnen attraktive Entfaltungsmöglichkeiten, die nicht jeder in einer Großkanzlei bekommt. Diese können möglicherweise auch ein geringeres Gehalt ausgleichen. „Boutiquen geben unternehmerisch denkenden Anwälten viele Möglichkeiten, das Steuer selbst in die Hand zu nehmen, anstatt nur Matrosen auf einem großen Dampfer zu sein“, erklärt Schult. „Denn in Boutiquen bestehen naturgemäß weniger Mandatskonflikte und strategische Limitierungen, was gerade für junge Partner besonders attraktiv ist.“ Wechsel als Karriere-Booster für Sanierungsanwälte Doch auch erfahrene Sanierer, die bereits auf Partnerebene tätig sind, schauen sich derzeit nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten um. Woran könnte das liegen? In manchen Fällen führen die steigenden Umsatz- und Ertragsanforderungen zum Wechselwillen. Insbesondere Kanzleien mit starker internationaler Verflechtung müssen strenge wirtschaftliche Vorgaben einhalten. Viele US-Häuser legen zum Beispiel großen Wert darauf, dass jedes angenommene Mandat in Gänze profitabel ist. Dadurch steigt der Performancedruck der verantwortlichen Partner in den einzelnen Ländergesellschaften, die – wie in Deutschland – auch noch mit geringeren Stundensätzen operieren müssen als etwa in den USA. Das verschärft die Lage zusätzlich und kann dafür sorgen, dass Anwälte sich zu anderen Kanzleien hinwenden. Hinter vorgehaltener Hand vermuten Marktteilnehmer, dass dies unter anderem zu den prominenten Wechseln bei Latham geführt haben könnte. „Mandanten wollen in der Krise die besten Berater.“ Alexandra Schluck-Amend, Leiterin Restrukturierung und Insolvenz bei CMS Deutschland Wird die Wechseldynamik in der Restrukturierungsbranche anhalten? Schluck-Amend ist überzeugt: „Ja.“ Ihre Vermutung stützt die Rechtsexpertin auf zwei Aspekte. Einerseits müssen viele Kanzleien die kürzlich entstandenen Lücken wieder auffüllen. Und andererseits dürfte die hohe Auslastung der Restrukturierungsteams noch eine ganze Weile andauern. Das bedeutet aber auch: Für erfahrene Restrukturierer ist vielleicht genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um einen Jobwechsel zu initiieren. Denn der zunehmende Wettbewerb um erfahrene Talente wird die Gehaltsniveaus aller Voraussicht nach ordentlich in die Höhe treiben. Mehr zum Thema Alexandra Schluck-Amend: die Vielwissende Alexandra Schluck-Amend ist seit 20 Jahren in der Restrukturierung tätig. Unzählige Fälle sind auf ihrer Liste, darunter auch Uniper. Sie punktet vor allem mit ihrem breiten Wissen. Teil 3 unserer Restrukturierer-Serie. Mehr lesen

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