Commerzbank fordert von Wirecard-Prüfer EY 190 Millionen Euro

Die Commerzbank macht gegen den früheren Abschlussprüfer des zusammengebrochenen Zahlungsdienstleisters Wirecard in Frankfurt Schadenersatz geltend. Die Großbank fordert von EY 190 Millionen Euro, weil sie in Folge des Bilanzskandals Ausfälle aus einem Kreditengagement von 2018 erlitt. EY war von 2012 bis 2020 für die Bilanzprüfung bei Wirecard zuständig. Die Commerzbank wirft der Big-Four-Gesellschaft schwere Fehler bei der Abschlussprüfung und dadurch eine falsche Darstellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse bei Wirecard vor. 2020 wurde bekannt, dass 1,9 Milliarden Euro aus dem sogenannten Drittpartner-Geschäft fehlen. Das Geld sollte angeblich auf südostasiatischen Treuhandkonten liegen, die jedoch nicht existierten. Der Großteil der in den Wirecard-Bilanzen ausgewiesenen Gewinne entfiel auf solche Drittpartner-Geschäfte. EY hatte die Bilanzen bis 2018 uneingeschränkt testiert. Auch im KapMug-Verfahren geht es um Schadensersatz Neben dem Commerzbank-Prozess sind auch fünf Jahre nach der Pleite von Wirecard weitere zivilrechtliche Verfahren offen, darunter das Kapitalanlegermusterverfahren (KapMug) in München, das beispielhaft für mehrere tausend Kläger klären sollte, ob ein Anspruch auf Schadensersatz besteht oder nicht. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte Ende Februar in einem Teil-Musterbescheid entschieden, dass die Bestätigungsvermerke keine Kapitalmarktinformation im Sinne des KapMug seien. Dieser Bescheid hat zur Folge, dass die rund 8.500 Schadensersatzklagen gegen EY nun einzeln vor dem Landgericht München I verhandelt werden müssten, falls der Bundesgerichtshof die Entscheidung bestätigt. In diesen müsste dann jeweils nachgewiesen werden, dass EY falsch geprüft hat. Auf Seiten der geschädigten Anleger kam es vor wenigen Wochen zudem zu einem Anwaltswechsel. Seither vertreten den Musterkläger Kurt Ebert die Anwälte Elmar Vitt, Marc Liebscher und Wolfgang Schirp vor dem Landgericht München I. Peter Mattil legte sein Mandat in der Angelegenheit nieder. Commerzbank-Fall ist anders gelagert als KapMug-Verfahren Vom KapMuG-Verfahren unterscheidet sich die Auseinandersetzung in Frankfurt jedoch, denn die Commerzbank klagte nicht als Anlegerin, sondern als Kreditgeberin. Sie hatte Wirecard zusammen mit anderen Banken Geld geliehen und einen Rahmen vereinbart, innerhalb dessen der Münchner Zahlungsdienstleister flexibel Fremdmittel nutzen konnte. Deshalb ist der Frankfurter Prozess nicht ausgesetzt, Termin für die mündliche Urteilsverkündung ist der 18. Juli. Für ähnlich gelagerte Fälle kann das Urteil Signalwirkung entfalten. Eine Geldbuße der Aufsichtsprüferaufsichtsstelle (Apas) und eine Sperre für neue Prüfmandate bei kapitalmarktorientierten Unternehmen bis Ende März 2026 akzeptierte EY im Frühjahr 2024. Die Apas sah es als erwiesen an, dass EY bei den Abschlussprüfungen der Wirecard AG in den Jahren 2016 bis 2018 seine Berufspflichten verletzte. EY prüft Commerzbank nicht mehr Die Commerzbank wechselte in der Folge des Bilanzskandals zu KPMG als Abschlussprüfer. Die Deutsche Bank-Tochter DWS ließ EY – anders als geplant – nicht als Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2020 antreten, hat die Gesellschaft aber ab 2026 mit der Prüfung der Bilanzen mandatiert. Mit dem Ansinnen, EY auch bei Volkswagen und Deutscher Bank als Abschlussprüfer hinauszukegeln, scheiterte der Anlegeranwalt Schirp allerdings auf den Hauptversammlungen in den vergangenen zwei Wochen. Bei dem in den Niederlanden ansässigen Biotech-Konzern Qiagen gewann die niederländische EY-Gesellschaft trotz der Apas-Sperre sogar ein neues Dax-Großmandat. Für das Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt beauftragte EY nach Medienberichten die Kanzleien Lutz Abel und Freshfields. Die Commerzbank ließ sich durch Anwälte von Ashurst vertreten.

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