Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) baut ihren Beratungsarm aus. Das Team des Bereichs „Process Excellence“ der Beratung Kienbaum wechselt zu EY. Es handelt sich um rund 40 Mitarbeiter und zwei Partner in Deutschland, der Schweiz, den USA und China. Das Team wird in die Management-Beratung von EY Deutschland sowie in die EY-Organisationen in der Schweiz, den USA und China integriert. Bei EY Deutschland arbeiten rund 4.000 EY-Berater.
Die bisherigen Kienbaum-Partner Martin Neuhold und Matthias Brey werden in diesem Zuge in die Partnerschaft von EY eintreten. Rolf Friedrich, bisher bei Kienbaum tätig aber kein Partner, wird ebenfalls zum EY-Partner ernannt. Die Kartellbehörden müssen dem Wechsel des Teams noch zustimmen.
Bei dem Bereich Process Excellence handelt es sich um produktionsnahe Prozess- und Organisationsberatung. Die Neugestaltung von Produktionsprozessen spielt gerade bei der Transformation von Geschäftsmodellen eine wichtige Rolle. Das Thema ist hochaktuell, weil die Digitalisierung ebendiese Transformation antreibt. In den Unternehmen herrscht daher eine hohe Nachfrage nach Beratung. Kienbaum selbst konzentriert sich im Zuge der Trennung von dem Team auf klassische Ablauf- und Aufbauorganisation sowie Human-Resources-Organisation.
Big Four bauen Beratungsgeschäft aus
Für EY ist die Verstärkung ein wichtiger Schritt, um das Beratungsgeschäft weiter aufzubauen und sich so von der Konkurrenz abzugrenzen. Die vier großen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften (Big Four) KPMG, PwC, Deloitte und EY setzen derzeit alle auf den Ausbau ihrer Beratungssparten, weil sich im klassischen Wirtschaftsprüfungsgeschäft nicht mehr viel verdienen lässt.
Um Beratungsexpertise aufzubauen, übernehmen die Gesellschaften nicht nur einzelne Partner oder Teams, sondern auch ganze Firmen. So hat Deloitte allein dieses Jahr mehrere Unternehmen übernommen, darunter die Start-up-Schmiede Makers, die Digitalagentur Acne oder den Analytics-Spezialisten SCDM Germany. Außerdem holte Deloitte die Telekom- und Digitalisierungsexpertin Christine Mareen Rupp von der PwC-Tochter Strategy&.
PwC warb die Banken-IT-Expertin Sandra Babylon von der Unternehmensberatung Accenture ab und verstärkte ihre Kapitalmarktberatung mit dem Investmentbanker Carsten Stäcker, der von der Mainfirst Bank kam.
EY hat Kivala HR und Etventure gekauft
Auch EY hatte dieses Jahr einige Zukäufe im Beratungsbereich zu vermelden: Im September gaben die Stuttgarter die Übernahme der Unternehmensberatung Kivala-HR bekannt, kurz davor kauften sie die Digitalberatung Etventure.
Besonders haben sich bisher die Bemühungen von PwC und Deloitte ausgezahlt: Die beiden Unternehmen setzten im Geschäftsjahr 2016/2017 mehr mit der Beratung um als mit der Prüfung. Die Wachstumsraten sind hoch: PwC wuchs um über 18 Prozent in der Beratung, Deloitte sogar um rund 45 Prozent.
Wie sich das Beratungsgeschäft von EY im vergangenen Geschäftsjahr entwickelt hat, ist nicht bekannt, die aktuellen Zahlen werden voraussichtlich Anfang 2018 vorgelegt. Im Vorjahr wuchs EY um rund 8 Prozent in der Beratung und setzte dabei erstmals mehr um als mit der Prüfung – das lag allerdings vor allem daran, dass die Umsätze im Prüfungsgeschäft geschrumpft sind.
Info
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Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.
