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Wie WTS und FAS die Big Four angreifen

WTS-Chef Fritz Esterer (links) und FAS-Chef Ingo Weber greifen die Platzhirsche im Consulting an.
WTS/FAS

Die Consulting-Branche ist im Umbruch. Die Digitalisierung treibt die Nachfrage nach Beratungsleistungen in die Höhe, und die Beratungshäuser setzen alles daran, an die lukrativen Aufträge zu kommen. 

Doch den kleinen Beratungshäusern hilft das bisher wenig. Während die sogenannten Big Four (KPMG, PwC, Deloitte und Ernst & Young) in die Beratung drängen und die Platzhirsche McKinsey, BCG und Bain unter Druck setzen, fallen die mittelständischen Häuser im Kampf um die bestbezahlten, weil größten Mandate zurück. 

Eine Fusion ist für die kleineren Wettbewerber oft die einzige Möglichkeit, nicht den Anschluss zu verlieren. Diesen Weg sind auch die mittelständischen Beratungshäuser FAS und WTS gegangen. Im Juli verkündeten sie ihren Zusammenschluss, dabei wird die Steuerberatungsgesellschaft WTS die Mehrheitsgesellschafterin der Financial-Advisory-Boutique FAS. Die Pläne sind ambitioniert: Gemeinsam wollen sie den großen Strategieberatern sowie den Big Four die Kunden streitig machen.

WTS betreut über 70 Prozent der Dax30-Konzerne

Dabei ist die WTS bereits jetzt keineswegs unbekannt im Markt: Sie ist mit einem Umsatz von rund 100 Millionen Euro nach den Big Four die fünfgrößte Steuerberatungsgesellschaft in Deutschland. Zum Vergleich: Die viertplatzierte Deloitte kommt mit der Steuerberatung auf einen Umsatz von knapp 250 Millionen Euro. 

„Wenn es um Steuerberatung geht, betreuen wir über 70 Prozent der Dax30-Unternehmen“, sagt WTS-Chef Fritz Esterer und nennt einige große Namen wie Siemens und Deutsche Post. Auch außerhalb des Dax30 konnte WTS bereits große Mandate wie Epcos oder MAN gewinnen. Daneben berät WTS Unternehmen auch beim Outsourcing von Steuerabteilungen, ein Thema, mit dem sich laut Esterer in Zukunft fast alle Konzerne beschäftigen müssten. So hat WTS beispielsweise E.on und die Allianz bei der Ausgliederung ihrer konzerninternen Steuerabteilungen beraten. 

Bei der Suche nach lukrativen Mandaten dürfte WTS zugute kommen, dass ihr Chef Esterer bei den großen Dax-Konzernen kein Unbekannter ist: Vor seiner Zeit bei WTS leitete der Steuerberater die Konzernsteuerabteilung von Siemens. WTS selbst ist im Jahr 2000 als Ausgründung von Siemens entstanden. Seitdem Esterer Mitte 2009 den Vorstandsposten bei WTS übernommen hat, trimmt er die Gruppe auf Wachstum.

FAS soll WTS zusätzliche Consulting-Expertise liefern

„Um Zugang zu Großkunden zu gewinnen, ist Größe eben wichtig.“

FAS-Chef Ingo Weber

Großes Wachstumspotential sieht Esterer unter anderem in der dritten Säule von WTS nach der Steuerberatung und dem Outsourcing von Steuerabteilungen – dem Financial Advisory. Noch trägt dieses mit einem Umsatz von rund 8 Millionen nur wenig zum Gesamtumsatz bei. Mit dem Zusammenschluss von FAS und WTS Consulting soll sich genau das ändern: „Wir haben zwar schon einen sehr guten Zugang zu den Dax30-Unternehmen, doch bisher fehlte uns schlicht die Kapazität, um bei diesen Kunden auch Financial-Advisory-Services anzubieten.“

Diese sollen jetzt die FAS-Berater liefern. Die Boutique, die vom Vorstandschef Ingo Weber geleitet wird, hat ihren Beratungsschwerpunkt bei IFRS-Themen (darunter Umstellungen auf IFRS und Updates zu IFRS-Regeln), Prozessoptimierungen sowie Transaktionen und Bewertungen. Zwar ist das Unternehmen in den vergangenen Jahren stark gewachsen, mit einem Umsatz von 11 Millionen Euro und 60 Beratern gehört es aber noch zu den kleineren Wettbewerbern. Während die FAS im SDax und MDax bereits gut vertreten ist, kam der Berater mit seiner Unternehmensgröße bislang nicht in größerem Umfang an Dax30-Mandate heran, erzählt FAS-Chef Ingo Weber.

FAS will von WTS-Netzwerk profitieren

Gemeinsam setzen WTS und FAS nach dem Zusammenschluss mit über 100 Beratern 20 Millionen Euro um – laut Weber ist das eine Benchmark, mit der man sich durchaus an Dax30-Kunden wagen kann: „Um Zugang zu Großkunden zu gewinnen, ist Größe eben wichtig.“

Helfen soll nicht nur die Anzahl der Mitarbeiter an sich, sondern vor allem das internationale Netzwerk von WTS. Zwar ist FAS mit acht Standorten im gesamten deutschsprachigen Raum präsent, doch das ist nicht vergleichbar mit dem Netzwerk von WTS, das in über 100 Ländern aktiv ist.

Das Netzwerk ist nach dem Vorbild der Big Four aufgebaut: Es gibt eine Dachgesellschaft, bei der Beratungen aus anderen Ländern Mitglied sind. Ohne ein solches Netzwerk hätte die FAS nur geringe Chancen auf ein großes Projekt bei einem Dax30-Unternehmen, da sie nicht in der Lage wäre, die Konzerntöchter im Ausland zu betreuen. Das habe sich laut Ingo Weber schon jetzt geändert: Nach dem Zusammenschluss konnten die FAS-Berater bereits mehrere Projekte gemeinsam mit dem internationalen WTS-Netzwerk gewinnen.

WTS will Big-Four-Schwäche ausnutzen

So zuversichtlich die beiden Vorstandschefs auch sind – gegen die etablierten Unternehmens- und Steuerberater der Big Four anzukommen, dürfte eine enorme Herausforderung werden. FAS und WTS versuchen daher, sich bewusst von ihnen abzugrenzen. Zum einen wollen sie eine Zwei-Marken-Strategie fahren, bei der die FAS klar für Financial-Advisory-Service stehen soll, während die WTS als Name für die Steuerberatung bleibt. „Die Ein-Marken-Strategie der Big Four halte ich für nicht so sinnvoll“, sagt FAS-Chef Weber, „dadurch verwässert die Marke.“

Einen weiteren Vorteil sehen die beiden Berater darin, dass sowohl WTS als auch FAS keine Wirtschaftsprüfung anbieten. „Wir haben uns bewusst gegen die Wirtschaftsprüfung entschieden, um nicht in Konflikt mit der Unabhängigkeit zu geraten“, erklärt WTS-Chef Fritz Esterer. Tatsächlich kämpfen die Big Four mit dem Problem, dass sie nur sehr begrenzt dort beraten dürfen, wo sie bereits die Bilanzen prüfen.

„Haben uns bewusst gegen Wirtschaftsprüfung entschieden.“

Fritz Esterer, FAS

FAS und WTS: „Unsere Preise sind wettbewerbsfähig“

Die Berater wollen sich auch durch ihre Mitarbeiter abgrenzen: Im Gegensatz zu den Konkurrenten kommt laut eigener Aussage ein großer Teil der WTS- und FAS-Mitarbeiter direkt aus den Konzernen, alleine etwa 200 Mitarbeiter hätten zuvor im Dax30 gearbeitet. „Sie haben daher Prozess- und Implementierungskompetenz und wissen, wie es läuft“, erläutert FAS-Chef Ingo Weber. 

Nun sind die Big Four dafür bekannt, dass sie durch Quersubventionierungen besonders attraktive Preise anbieten können. Ingo Weber will sich davon nicht abschrecken lassen: Zum einen sei das eigene Back Office lange nicht so kostenintensiv wie bei den großen Beratungshäusern, zum anderen seien die Partnergehälter niedriger – FAS und WTS seien daher durchaus in der Lage, wettbewerbsfähige Preise zu bieten.

Das fusionierte Beratungshaus hat sich vorgenommen, um 15 Prozent jährlich zu wachsen. In ein paar Jahren könnte es dann womöglich im Bereich der Steuerberatung sehr nahe an die eine oder andere Big Four-Gesellschaft herankommen, sagt Fritz Esterer. Eine klare Kampfansage an die Big Four.

Info

Die Big Four werden für die mittelständischen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften immer mehr zur Konkurrenz. Wie sich KPMG, PwC, Deloitte und EY entwickeln und wer die besten Mandate gewinnt, können Sie auf unserer Themenseite zu den Big Four nachlesen.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.