„Wir sind beim Recruiting offensiv im Markt unterwegs“

Die große Restrukturierungs- und Insolvenzwelle ist in Deutschland bislang ausgeblieben, dennoch hat PwC Deutschland wie einige andere Beratungshäuser auch den Bereich Restrukturierung als Wachstumsfeld ausgerufen – sowohl im Strategiebereich bei der Tochter Strategy& als auch im Kerngeschäft. Woran machen Sie das fest? Englert: Zwar ist die Zahl der Insolvenzen bislang niedrig, dennoch hat Covid-19 in vielen Unternehmen tiefgreifende Veränderungen angestoßen. Eine Restrukturierung muss nicht immer eine harte finanzielle Sanierung bedeuten. Bei transformatorischen Restrukturierungsthemen rollt eine recht große Welle auf uns zu. Viele Unternehmen stellen ihre Portfolien auf den Prüfstand und überlegen, welche Bereiche sie ausbauen und welche sie verkleinern sollten. Wir setzen dort an und führen künftig die Beraterteams für finanzielle Restrukturierung und für strategische Transformation bei PwC Deutschland und seiner Strategieberatung Strategy& noch enger zusammen. Ihr jüngster Neuzugang Michael Weiss ist seit Juni neuer Partner im Bereich Restrukturierung bei Strategy& in München und soll auch bei Transformationsprojekten beraten. Wie groß ist das Team derzeit? Gassmann: Derzeit haben wir in dem Bereich bei PwC, der sich vornehmlich um „klassische“ bankengetriebene Restrukturierungsthemen oder Insolvenzen kümmert, rund 120 Mitarbeiter. Daneben gibt es bei Strategy& ein Team, das sich dem Thema „Fit for Growth“ widmet und das einen stärkeren strategischen Fokus hat. Darin arbeiten mehr als 60 Personen, die sich mit transformatorischen Neuaufstellungen befassen – das heißt, wie sich Unternehmen so umbauen lassen, dass die zukunftsfähigen Teile gestärkt werden. Diesen Schwerpunkt bringt auch Michael Weiss mit. Ich gehe davon aus, dass wir in dem Bereich in den kommenden drei Jahren deutlich mehr Nachfrage sehen werden – dazu tragen die Folgen der Corona-Pandemie und der Digitalisierungsschub bei, aber auch der stärkere Fokus auf ESG und Nachhaltigkeit. Was bedeuten diese Wachstumspläne für das Personaltableau? Gassmann: Wir wollen speziell im deutschsprachigen Raum Personal aufbauen. Ich sehe das Potential, unser Strategy&-Team „Fit for Growth“ in den kommenden Jahren von 60 auf 120 Personen zu verdoppeln. Englert: Auch bei der stärker bankengetriebenen Restrukturierung gibt es Raum für Wachstum, etwa durch neue Sanierungsverfahren wie die präventive Sanierung nach Starug. Diese fordert auch von den Beratern neue Kompetenzen. Zurzeit umfasst das Team bei PwC im deutschsprachigen Raum 120 Personen, Ende 2022 halte ich eine Teamstärke von 160 bis 170 Personen für realistisch. Die Gesprächspartner Peter Gassmann ist kürzlich zum Global Leader von Strategy& aufgestiegen. Er ist zudem bereits seit 2014 Europachef der Strategieberatung und fungiert als globaler Leiter des ESG-Geschäfts von PwC. Beide Positionen übt er weiterhin aus. Joachim Englert ist seit 2003 bei PwC und wurde 2005 Partner. Seit Juli 2018 leitet der erfahrene Restrukturierer als Mitglied der Geschäftsführung den Bereich Advisory, in dem die Strategie-, Management- und Transaktionsberatung gebündelt sind. Wettbewerb in der Restrukturierungsberatung ist groß Wie wichtig ist die Restrukturierungs- und Transformationsberatung für PwC und Strategy& hierzulande auf der Umsatzseite? Englert: Der Umsatzbeitrag des Restrukturierungs- und Transformationsbereichs liegt anteilig derzeit etwa bei 10 bis 15 Prozent des Gesamtumsatzes. In den kommenden zwei bis drei Jahren dürfte der Umsatzanteil der Restrukturierungs- und Transformationsberatung jedoch auf 20 Prozent und mehr klettern, auch wenn sich nicht jede Leistung immer komplett trennscharf einem einzelnen Bereich zuordnen lässt. Insgesamt war das gerade abgelaufene Geschäftsjahr für uns ein sehr erfolgreiches. Unsere Teams sind operativ sehr gut ausgelastet. Sie sind nicht die einzigen am Markt, die in der Restrukturierung wachsen wollen. Auch Wettbewerber wie EY Parthenon oder Alvarez & Marsal haben Ambitionen. Wie hart ist der Kampf um gute Talente? „Der Wettbewerb um Talente ist sehr stark, das spüren wir deutlich.“ Peter Gassmann, Strategy& Gassmann: Der Wettbewerb um Talente ist sehr stark, das spüren wir deutlich, sind aber gut gerüstet. Um Talente zu gewinnen und zu binden braucht man ein Alleinstellungsmerkmal. Aus unserer Sicht ist das die Verknüpfung mit der gesamten Wertschöpfungskette von der Strategie bis zur Umsetzung. Wir führen sehr viele Gespräche und sind beim Recruiting für Restrukturierungs- und Transformationsspezialisten offensiv im Markt unterwegs. Uns hilft sicherlich das Konzernumfeld: Wir sind stabil durch die Coronakrise gekommen. Aus dem Markt war zu hören, dass mancherorts Kurzarbeit angeordnet war oder Beförderungen ausgesetzt wurden. Das haben wir nicht gemacht. Was macht einen guten Restrukturierer Ihrer Meinung nach aus? Englert: Restrukturierer müssen besondere Qualitäten mitbringen. Transformationen und Restrukturierungen gehen meist damit einher, dass einzelne Stakeholder auf etwas verzichten müssen, und das ist nicht immer leicht. Restrukturierer müssen unterschiedliche Beteiligte vom neuen Weg überzeugen und ihre Einschätzungen selbstbewusst vertreten. Dafür brauchen sie exzellente kommunikative Fähigkeiten. Außerdem bringen gute Restrukturierer herausragende analytische Kompetenzen mit. Gassmann: Eine weitere wichtige Fähigkeit ist aus meiner Sicht, dass der Berater eine ganzheitliche Sichtweise auf die Situation hat und gegenüber Vorständen, Finanzgebern, Mitarbeitern und allen weiteren Beteiligten mit hoher Kompetenz und Glaubwürdigkeit auftritt. Man braucht nach wie vor Spezialwissen und muss verstehen, wie sich eine Restrukturierung auf Personalthemen, Steuerfragen und Finanzkennzahlen auswirkt. Aber das allein reicht nicht mehr. Gute Restrukturierer sind heute in der Lage, die Schwachpunkte eines Unternehmens zu erkennen, zu adressieren und in neue Konzepte für die Zukunft zu gießen. Sie müssen visionär arbeiten. Englert: Auch die Aufstellung in einem Team mit breit gefächertem Know-how ist wichtiger geworden. Vor zehn Jahren gab es noch altgediente Kollegen im Markt, die eine Restrukturierung auch schonmal weitgehend im Alleingang durchgefochten haben – das ist heute nicht mehr vorstellbar. „Die Aufstellung in einem Team mit breit gefächertem Know-how ist wichtiger geworden.“ Joachim Englert, PwC Deutschland Warenkreditversicherer als Risikofaktor im Mittelstand Schauen wir einmal nach vorn – in welchen Branchen und Bereichen werden Restrukturierungs- und Transformationsberater in den kommenden Monaten besonders stark gefragt sein? Gassmann: Es gibt eine Vielzahl internationaler Projekte, bei denen große Unternehmen ihre strategische Aufstellung überdenken. Die Restrukturierung vollzieht sich bei den meisten so, dass sie das zukunftsfähige Geschäft umbauen und stärken, an anderer Stelle aber auch kürzen und abbauen. Englert: Ich bin gespannt, wie es für diejenigen Unternehmen weitergeht, die in der Coronakrise große Schulden aufnehmen mussten. Anfang Juli ist zudem der Schutzschirm für die Warenkreditversicherer ausgelaufen – auch da wird sich zeigen müssen, wie sich die Warenkreditversicherer künftig positionieren. Für manchen Mittelständler ist das ein weiterer Risikofaktor. Die Risikoeinschätzung der Warenkreditversicherer dürfte künftig noch intensiver und analytischer werden. Info Die wichtigsten Nachrichten aus der Welt der Restrukturierung finden Sie immer in unserem Themen-Hub Transformation by FINANCE sowie regelmäßig auch im zugehörigen Newsletter.

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