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ING-Diba: „Das Firmenkundengeschäft kann von Retail-Fintechs lernen“

Die ING-Diba setzt in Deutschland bei ihrer Fintech-Strategie auf Kooperationen anstatt Beteiligungen. Zwar liegt der Fokus bisher auf dem Retail-Banking, doch das Firmenkundengeschäft kann sich einiges davon abschauen.
ING-Diba Pressebild

Die Commerzbank setzt bei ihrer Fintech-Strategie auf ihren Main Incubator, die genossenschaftliche DZ Bank forscht dezentral, die Deutsche Bank setzt auf ihre Chief Digital Officers und diverse Fintech-Labore und die HypoVereinsbank betritt die Fintech-Welt über eine Kooperation mit der TU München. Doch auch die ausländischen Banken drängen hierzulande auf den Fintech-Markt. Die holländische ING-Gruppe hat für Deutschland eine eigene Fintech-Strategie abgeleitet: Teil 6 der FINANCE-Serie.

Tomas Peeters: „Fintechs sind für Banken ein Shortcut to Market“

„Fintechs sind für Banken eine Inspiration“, sagt Tomas Peeters gleich zu Beginn des Gesprächs. Zwar ist der Satz längst zur Phrase verkommen. Unrecht hat der Chief Strategy Officer der ING-Diba damit aber nicht. Denn Finanztechnologie-Start-ups sind bei Innovationen oft mutiger als Banken. „Fintechs gehen mit der Regulierung innovativer um und ihre Gründer sind oft richtige Techies, und keine klassischen Banker“, erklärt Peeters und sieht in der Kooperation mit Fintechs für Banken deshalb die Chance, mit neuen Produkten schneller an den Markt zu gehen. Peeters bezeichnet dies als „Shortcut to Market“.

Er gibt dabei offen zu, dass man sich bei Fintechs gerne Ideen abschaut. Diese wiederum bedienen sich bei Kooperationen mit Banken an deren Kundenstamm und nutzen die Vertrauenswürdigkeit der Bank. Für die Zusammenarbeit gilt aus Peeters‘ Sicht eine einfache Grundregel: „Alles, was wir mit Fintechs machen, muss auf die Strategie der ING einzahlen und gleichzeitig Vertrauen und Qualität für den Kunden generieren sowie kosteneffizient für die Bank sein“.

ING-Diba meidet in Deutschland Fintech-Beteiligungen

Aus diesem Grundsatz leitet sich die Fintech-Strategie für Deutschland ab, denn die ING-Diba fährt hierzulande kein Beteiligungs-, sondern eine Kooperationsmodell. „Wir sehen in Deutschland derzeit keine Notwendigkeit, Fintechs zu kaufen“, sagt Peeters und begründet dies damit, dass die Start-ups selbständig bleiben sollten, damit sie ihre Innovationskraft und Schnelligkeit beibehalten können.

Außerdem besteht für die ING-Diba jederzeit die Möglichkeit, auf die Fintech-Strukturen des ING-Konzerns zurückzugreifen. Gruppenweit gibt es bei der ING mit Benoit Legrand einen eigenen Head of Fintech, der direkt an den Chief Innovation Officer reportet. Und operativ feuert die ING-Gruppe auch aus allen Fintech-Rohren: Die Bank veranstaltet regelmäßig Hackathons mit externen und internen Teilnehmern, in Amsterdam gibt es zudem ein „Innovation Studio“, das wie ein Incubator funktioniert und junge Fintechs kauft, aufbaut und begleitet. In Belgien sammelt man über den Accelerator “Fintech Village“ neue Ideen.

Hierzulande arbeitet die ING-Diba laut Peeters mit vier Fintechs zusammen: Neben dem Fintech des Jahres 2015, Gini, das mithilfe semantischer Datenanalyse dem Papierkrieg die Stirn bietet, kooperiert die ING-Diba auch mit Kobil, das schnelle Überweisungen ohne SMS, TAN oder zusätzliche Hardware ermöglicht. Über das Fintech WebID können sich Kunden online legitimieren und sparen sich somit den Gang in die Filiale. Der Robo-Advisor Easyfolio hingegen hilft den ING-Diba-Kunden mit einfachen Lösungen zur Geldanlage in ETF-Produkte. Diese Fintechs nutzt die ING-Diba bisher nur im Retail-Geschäft. Laut Peeters überlegt man derzeit jedoch, wie sie auch im Firmenkundengeschäft eingesetzt werden können. 

Firmenkunden-Banken können von Retail-Fintechs lernen

Potential für Corporate-Fintechs sieht Peeters vor allem im Dokumenten- und Zahlungsverkehr, genauer gesagt den Zahlungen in Echtzeit. Im Treasury sei punktuell mit Fintech-Lösungen zu rechnen, wie beispielsweise mit der bereits im Einsatz befindlichen Devisenhandelsplattform 360T, die im Juli 2015 an die Deutsche Börse verkauft wurde.

Bei der Finanzierung haben es Fintechs allerdings schwer: „Das liegt vor allem daran, dass die Finanzierungsnischen in Deutschland durch Banken sehr gut abgedeckt sind“, erklärt Peeters. Die Einstiegsbarrieren sind dadurch um ein Vielfaches höher als in den angelsächsischen Ländern. Hinzu kommt, dass Innovationen im Firmenkundengeschäft schwerer durchzusetzen sind als im Retail-Geschäft, da ein Unternehmen ein ganzes Kernbanken-Set besitzt, wohingegen Privatkunden eine einzelne Hausbank haben. Für Neuerungen müssen deshalb nach Meinung des ING-Managers bei Firmenkunden alle Banken an einem Strang ziehen, was schnelle Reaktionen auf Trends quasi ausschließt.

Laut Peeters können sich Corporate-Fintechs dennoch einiges bei ihren Retail-Schwestern abschauen: „Auch bei Unternehmen wird die Online-Legitimation immer wichtiger“, ist sich Peeters sicher. Und auch Big Data könne noch besser genutzt werden, zum Beispiel für Bilanzanalysen, die ganz auf den jeweiligen Firmenkunden zugeschnitten sind.

philipp.habdank[at]finance-magazin.de

Info

Keine Bank kann es sich leisten, sich den Fintechs zu verschließen. Deshalb prüfen fast alle Geldhäuser Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Die FINANCE-Themenseite Fintech-Strategien zeigt wie die Deutsche Bank, Commerzbank, DZ Bank und Co. mit den Start-ups umgehen.