Herr Reuther, die neue Strategie der Commerzbank liegt vor, bleibt an vielen Stellen aber noch recht vage. Können Sie uns mehr Details zu Ihrer neuen Strategie im Firmenkundengeschäft nennen?
Mit unserer Strategie im Firmenkundengeschäft wollen wir vor allem profitabel und nachhaltig wachsen. Sie umfasst vier wesentliche Bausteine, die im Firmenkundensegment Erträge in dreistelliger Millionenhöhe bringen sollen: Wir wollen den Vertrieb in Deutschland ausbauen, unser Mittelstandsgeschäft in Europa ausrollen, unseren Sektoransatz ausweiten und unsere RWA-Effizienz verbessern.
Beginnen wir mit den Neueinstellungen. Wie passt das mit den umfangreichen Stellenstreichungen zusammen, die Ihr CEO Martin Zielke angekündigt hat?
Der Stellenabbau betrifft in erster Linie das Privatkundengeschäft und das Backoffice. In Deutschland wollen wir im Firmenkundengeschäft 150 neue Vertriebler einstellen, sowohl Generalisten als auch Produktspezialisten. Im Ziel dieser Initiative stehen kleinere Unternehmen. Für den Firmenkundenberater war es bisher attraktiver, sich auf Großkunden zu konzentrieren. Die Sparkassen zittern noch nicht vor uns. Das muss sich ändern.
Die Sparkassen zittern noch nicht vor uns. Das muss sich ändern.
Vermutlich sollen die neuen Vertriebler erneut viele Neukunden gewinnen. Ihr CEO hat 1.700 als Zielmarke ausgerufen. Bei der vorherigen Strategie haben Sie seit Anfang 2016 insgesamt 11.400 neue Firmenkunden gewonnen. Warum backen Sie jetzt so kleine Brötchen?
Das neue Ziel ist ambitioniert, weil es auf vollkommen neue Kundenbeziehungen abstellt. Sie müssen wissen, dass wir beim Thema Neukunden unsere Zählmethodik geändert haben. Heute werten wir nur Unternehmen als Neukunden, mit denen wir im Verbund noch kein Geschäft machen. Früher zählten wir auch die Tochterunterunternehmen von Bestandskunden als Neukunden.
Commerzbank will in Europa wachsen
Der deutsche Markt ist hart umkämpft. Wo wollen Sie da zusätzliche Kunden gewinnen?
„Heute werten wir nur Unternehmen als Neukunden, mit denen wir im Verbund noch kein Geschäft machen.“
Unsere Marktführerschaft in Deutschland ist das ideale Sprungbrett zur Stärkung unseres Geschäfts mit mittelständischen Kunden im Euroraum. Und genau dort wollen wir wachsen. Wir beginnen damit zunächst in Frankreich, Italien und Österreich. In einem zweiten Schritt gehen wir dann Belgien, die Niederlande und Spanien an. Bis 2023 wollen wir in diesen Ländern rund 1.000 Neukunden gewinnen.
Warum wartet der französische Mittelständler ausgerechnet auf die Commerzbank? Weil sie den günstigsten Kredit anbietet?
Man sollte sich nie allein über den günstigsten Preis anbieten. Wir setzen stattdessen auf unseren Sektoransatz, europaweit. Dafür haben wir Sektorteams mit derzeit rund 40 Spezialisten aus sechs Branchen, die unsere Kunden zusammen mit dem Firmenkundenbetreuer ganzheitlich und produktunabhängig beraten. Diesen Ansatz wenden wir bereits in Deutschland für unsere 100 größten Kunden an. Jetzt wollen wir ihn hierzulande auf 500 und in Westeuropa auf 200 Kunden ausweiten.
Und was hat Ihnen dieser Sektoransatz ertragsseitig gebracht?
Bei den 100 größten Kunden konnten wir in den vergangenen drei Jahren unsere Erträge um 25 Prozent steigern, ohne den Kapitaleinsatz signifikant zu erhöhen. Die zusätzlichen Erträge kommen aus einem besseren Cross-Selling, beispielsweise über Euro-Anleihen, woran unsere Sektorspezialisten einen maßgeblichen Anteil haben. Für das Ausweiten des Ansatzes auf weitere Kundengruppen ist ein gutes Zusammenspiel von Sektorexperten und Fimenkundenbetreuern vor Ort entscheidend. Die Ergebnisverantwortung für den Kunden müssen künftig beide gemeinsam tragen. Dadurch wollen wir Silodenken aufbrechen. Gelingt uns das, sehe ich darin einen großen Ertragshebel für die Bank.
Wie groß dieser ist, verraten Sie leider nicht. Aber wie soll sich denn konkret die Profitabilität Ihrer Firmenkundenbeziehungen ändern?
„Mit Kunden, die über vier bis fünf Jahre keinen ausreichenden Deckungsbeitrag liefern, werden wir sprechen müssen.“
Das ist das vierte Ziel der neuen Strategie. Die Firmenkundenbeziehungen müssen profitabel werden. Unser Ziel ist es, RWA-effizientes Geschäft auszubauen, durch stärkeres Cross-Selling und durch eine entsprechende Vertriebssteuerung.
Wir werden uns aber nicht massenhaft von Firmenkunden trennen, schließlich wollen wir nachhaltig wachsen. Doch mit Kunden, die über vier bis fünf Jahre keinen ausreichenden Deckungsbeitrag liefern, werden wir sprechen müssen.
Und welcher Deckungsbeitrag ist für Sie „ausreichend“?
Unsere RWA-Effizienz liegt derzeit bei 3,2 Prozent, das ist auf Dauer aber zu wenig. Unsere Leistung hat ihren Preis. Das werden wir in Zukunft selbstbewusster vertreten.
Info
Eine ausführliche Analyse der neuen Commerzbank-Strategie mit Blick auf das Firmenkundengeschäft finden Sie in der November/Dezember-Ausgabe von FINANCE, die sie hier als E-Paper beziehen können.