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Unternehmen melden Liquiditätsengpässe (zu) spät

Restrukturierung am Wendepunkt? Spezialisten rechnen erstmals seit Langem wieder mit steigenden Zahlen.
serggn/iStock/Getty Images

Die Anzeichen verdichten sich, dass nach etlichen Quartalen mit zurückgehenden Restrukturierungsfällen eine Trendwende bei der Zahl von Unternehmenskrisen erreicht ist. Darauf lassen die Ergebnisse des 12. Restrukturierungsbarometers schließen, das FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner (SMP) im März und April dieses Jahres durchgeführt hat.

Demnach haben 29 Prozent der befragten 160 Restrukturierungsexperten im vergangenen Halbjahr angegeben, mehr neue Krisenfälle zur Bearbeitung auf den Tisch bekommen zu haben (Herbst 2017: 18 Prozent). Das ist gleichzeitig der höchste Wert seit Herbst 2013. Korrespondierend dazu ging der Anteil derjenigen, die sinkende Zahlen gemeldet haben, auf 34 Prozent zurück (Herbst 2017: 43 Prozent). Auch dieser Wert markiert einen mehrjährigen Tiefpunkt: Er wurde zuletzt im Herbst 2013 mit 23 Prozent niedriger gemessen.

Restrukturierer rechnen mit zunehmenden Krisenfällen

Zugleich scheint der Abwärtstrend bei den Erwartungen hinsichtlich der Zahl neuer Restrukturierungsfälle umzuschlagen: Immerhin 32 Prozent der befragten Banker gehen von zunehmenden oder deutlich zunehmenden Zahlen (Herbst 2017: 22 Prozent) aus. Das Lager derer, die von unveränderten Fallzahlen ausgehen, liegt mit 40 Prozent deutlich unter dem zuletzt markierten Allzeithoch. Und nur noch 13 Prozent gehen von abnehmenden oder deutlich abnehmenden Restrukturierungsfällen aus.

Auf Branchen heruntergebrochen, hat der Sektor „Handel und E-Commerce“ den Bereich „Textil und Bekleidung“ von der Spitze verdrängt. Zwischen beide Sektoren haben sich in der aktuellen „Restrukturierungshitliste“ die Branchen „Fahrzeugbau und -zubehör“ sowie „Maschinen- und Anlagenbau“ geschoben.

Firmenkundenbetreuer scheuen kritische Fragen

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Antworten auf die Frage, ob Unternehmen zurzeit sehr spät akute Liquiditätsengpässe melden. Beunruhigende 52 Prozent der befragten Banker bejahten diesen Befund. „Das passt zu unserer Wahrnehmung aus der täglichen Arbeit, nach der neue Restrukturierungsfälle oft schon sehr tief in der Liquiditätskrise stecken und nur noch schwer zu managen sind“, bestätigt Georgiy Michailov, Managing Partner bei SMP.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die recht eindeutige Antwort auf die Frage, ob angesichts des harten Wettbewerbs im Firmenkundengeschäft kritische Fragen zur Unternehmensentwicklung unterbleiben. 46 Prozent der Befragten teilen diesen Befund – und bewerten damit die aktuelle Praxis der Risikobewertung in der Kreditvergabe als sehr problematisch. Das ist ein klares Warnzeichen und könnte in einer konjunkturell schwierigeren Situation zu hohen Kreditausfällen führen.

„Neue Restrukturierungsfälle stecken oft schon sehr tief in der Liquiditätskrise und sind nur noch schwer zu managen."

Georgiy Michailov, Struktur Management Partner

Wie derzeit die Erfolgsaussichten von Krisenfällen sind, und welche exogenen Faktoren Restrukturierern besonderes Kopfzerbrechen bereiten, erfahren Sie in der vollständigen Analyse.

redaktion[at]finance-magazin.de

Info

Im Rahmen des Restrukturierungsbarometers befragt FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner regelmäßig die Professionals aus dem Intensive-Care-Bereich von Banken. An der 12. Auflage haben sich 160 Befragte beteiligt. Zum Archiv geht es hier.

Mehr News und Analysen aus dem Themenbereich finden Sie auf der FINANCE-Themenseite Restrukturierung.