Hertha-CFO Schiller: „Lars Windhorst ist erstklassig“

Vom Kellerkind zum Spitzenklub: Für Fußballklubs kann sich das Blatt binnen weniger Jahre komplett wenden. Meist liegt die Ursache dafür auf dem Rasen. Beim Berliner Bundesligaklub Hertha BSC liegt sie in der Finanzabteilung. Während die Mannschaft seit Jahren solide Mittelfeldplätze einfährt, hat das Management um Finanzchef Ingo Schiller den Klub in nur sechs Jahren vom Pleitekandidaten zu einem der finanzstärksten Bundesligaklubs geformt. Der Katalysator dieses Aufstiegs ist ausgerechnet Private Equity: Erst sorgte eine Finanzspritze des US-Fonds KKR dafür, dass die Hertha ihre Altlasten bereinigen konnte, und Ende Juni schließlich hat der Verkauf von Anteilen an den umstrittenen Investor Lars Windhorst einen dreistelligen Millionenbetrag in die Kasse gespült. Damit ist Hertha bis auf weiteres alle Finanzsorgen los. KKR half Hertha in schwieriger Lage Die Berliner haben eine lange Reise hinter sich, die schon vor sieben, acht Jahren begann. Die damalige Lage war brisant: Nach Jahren der Verschwendung und großer Transfers war Hertha hochverschuldet. Um flüssig zu bleiben, wurden künftige Einnahmen und Lizenzverträge schon vorab zu Geld gemacht. Der Bundesligaabstieg im Sommer 2012 warf die Turnaround-Anstrengungen weit zurück. Erst nach dem Wiederaufstieg ein Jahr später konnte CFO Schiller zum ersten Mal ernsthaft den Markt nach einer Finanzspritze sondieren. „Für uns gab es damals nur einen Weg, der schwierigen Finanzsituation zu entkommen, und das war die Hereinnahme von zusätzlichem Eigenkapital“, erinnert sich der Manager, der seit 1998 das Finanzressort der Hertha leitet. Ein halbes Jahr später, im Januar 2014, landete Hertha einen veritablen Coup: Kein Geringerer als der bekannte US-Investor KKR pumpte 61,2 Millionen Euro in den Klub – eine Mischung als Eigenkapital, Fremdkapital und einer „Signing Fee“. Mit dem Geld konnten die Berliner Schulden zurückzahlen und wertvolle Rechte zurückkaufen. Die „alte Dame“ lebte nun nicht mehr von der Hand in den Mund. „Im Controlling kam es nach dem Einstieg von KKR zu Quantensprüngen“, erinnert sich Schiller. „Plötzlich konnten wir ganz andere Ableitungen der Zahlen treffen als davor.“ KKR verschaffte dem Bundesligaklub auch Zugang zu neuen Sponsoren, Technologieentwicklern und Sportmedizinern. „Das hat nicht nur in der Finanzabteilung zur Modernisierung von Hertha BSC beigetragen. Und in der Außenwahrnehmung hat uns die Verbindung mit KKR auf ein ganz anderes Level gehoben.“ Hertha BSC Mit Neu-Investor Windhorst auf einer Linie: Hertha-CFO Ingo Schiller So lief Herthas Trennung von KKR Obwohl die Partnerschaft eigentlich bis mindestens 2021 angelegt war und laut Schiller „zu jeder Zeit reibungslos und ruhig“ verlief, hätten zwischendurch immer wieder zusätzliche Investoren ihr Interesse an einem Einstieg angemeldet. Die Krux: KKR hatte die Option, die Beteiligung auf 35 Prozent aufzustocken. „Das hat den Einstieg weiterer Partner praktisch ausgeschlossen“, erzählt Schiller. So entstand der Plan, die eigene Rückkaufoption auszuüben und KKR früher als geplant wieder herauszukaufen, um Platz für neue Investoren zu schaffen und schneller als geplant zusätzliche Gelder hereinzuholen. „Ich bin KKR bis heute dankbar.“ Ingo Schiller, CFO, Hertha BSC Schiller freut sich, dass KKR dem Fußballklub dabei entgegenkam – eigentlich hätten die Berliner die Rückkaufoption nicht vor Januar 2021 ziehen können. Dafür sei er KKR „bis heute dankbar“. Für einen Gesamtbetrag von 71,2 Millionen Euro wurde Hertha im November 2018 schließlich wieder alleiniger Herr im eigenen Haus – aber nur für kurze Zeit. Das Management wollte zügig einen neuen Investor präsentieren, um mit dessen Hilfe den nächsten Schritt nach vorne zu machen. Nordic Bond macht Hertha BSC flüssig Doch zuvor musste Schiller noch den Rückkauf der KKR-Anteile finanzieren. 10 Millionen Euro fand er bei einer Bank, Sponsoren gewährten einen Vorschuss von 20 Millionen Euro. Um die noch nötigen 40 Millionen aufzutreiben, reiste Schiller quer durch Europa und platzierte schließlich einen „Nordic Bond“ in Frankfurt und Stockholm – eine etwas hochwertigere Variante der in Verruf geratenen deutschen Mittelstandsanleihe. „Ohne den Bond hätten wir KKR nicht auf einen Schlag ablösen können. Dann hätte das in zwei Schritten gemacht werden müssen“, beschreibt Schiller die Bedeutung der Bondemission für die Finanzstrategie. Vor allem den Skandinaviern war das Geschäftsmodell eines Fußballklubs neu, vielleicht sogar ein wenig obskur. Im Norden gibt es keine Glamourklubs, bis auf wenige Großklubs pro Land hat das Fußballgeschäft dort noch Amateurcharakter. So verkaufte Schiller den Bond rein über die Kennzahlen von Hertha: „Zum Zeitpunkt der Roadshow hatten wir zinstragende Verbindlichkeiten von 10 Millionen Euro bei einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 18 Millionen Euro, dazu noch hohe stille Reserven in der Bilanz.“ Im Mai 2021 kann Hertha das im November 2018 platzierte Papier erstmals zurückkaufen. Wahrscheinlich wird der Klub das auch tun. Einen Abschied für immer vom Kapitalmarkt muss das aber nicht bedeuten: „Als Teil einer möglichen Stadionfinanzierung könnte der Kapitalmarkt für uns erneut interessant werden“, wirft CFO Schiller einen Blick voraus. Hertha will um 2025 herum ein neues Stadion bauen, das im Gegensatz zum jetzt genutzten Olympiastadion eine reine Fußballarena werden soll. Hertha wählt umstrittenen Partner Was im Spätherbst 2018 über ihn hereinbrach, kann Schiller bis heute nicht fassen: „Gleich vier Finanzpartner zeigten enormes Interesse an einem Einstieg bei Hertha BSC. Wir hätten nie gedacht, dass es so schnell gehen würde.“ Kurz nach dem Jahreswechsel befand sich der CFO schon wieder in der konkreten Vorbereitung der nächsten Transaktion. Umso mehr Erstaunen löste es aus, auf welchen Investor genau fünf Monate später die Wahl der Hertha-Führung fiel. Den Zuschlag erhielt Ende Juni „Tennor“, das neue Investmentvehikel des umstrittenen Privatinvestors Lars Windhorst – ein Deal, der nicht nur im direkten Umfeld der Hertha Stirnrunzeln auslöste. Während KKR einen exzellenten Ruf genießt, sind die Vergangenheit und die Geschäftskontakte von Windhorst zum Teil undurchsichtig. Als Jungunternehmer vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zum Poster-Boy des deutschen Unternehmertums gemacht, legte der heute 42-jährige Ostwestfale später Pleiten hin und lieferte sich bittere Konflikte mit Unternehmern und Investoren. FINANCE-Köpfe Ingo Schiller, Hertha BSC GmbH & Co. KGaA Schon kurz nach seinem Studium steigt Ingo Schiller in das Management des Profifußballs ein. Von 1992 bis 1998 arbeitet er für den Traditionsklub Borussia Mönchengladbach. In dieser Zeit wird er Marketingleiter und übernimmt die Führung der Gesellschaft, die für die Planung des damaligen Stadionprojektes zuständig ist. 1998 wechselt Schiller nach Berlin zu dem Bundesligaclub Hertha BSC und übernimmt dort vom Start weg die Verantwortung für den kaufmännischen Bereich. Über die Jahre wird er zu einem der am längsten amtierenden Finanzchefs im deutschen Profifußball. 2013 stößt Schiller zu den Bundesligamanagern, die im Aufsichtsrat des Ligaverbands DFL die Interessen der Bundesligaclubs vertreten. Außerdem vertritt Schiller den Ligaverband im Vorstand des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). zum Profil So tickt Hertha-Investor Windhorst Windhorsts Investmentstrategie gilt als risikoreich und aggressiv, sie hat aber auch kreative Züge. Oft ist er dort mit ungewöhnlichen Finanzierungsinstrumenten am Start, wo andere Investoren längst abwinken. Die Gelder, die er anlegt, stammen vornehmlich aus Asien und dem Mittleren Osten. „Wir haben uns intensiv über Windhorst erkundigt“, gibt Schiller zu. „Doch im Ausland ist seine Reputation wesentlich besser als zum Teil in Deutschland dargestellt.“ Die Zusammenarbeit mit Windhorst und dessen Team lobt er – wie schon bei KKR – in den höchsten Tönen: „In dem gesamten Prozess der Investorensuche war Tennor beispielhaft in Sachen Geschwindigkeit und Professionalität.“ „Wir haben Mitsprachemöglichkeiten beim Weiterverkauf der Tennor-Anteile.“ Sicher sei das Wesen der Partnerschaft eine andere als mit KKR, Tennor liefere nicht derart viel Input für das alltägliche Geschäft. „Aber Lars Windhorst ist ein erstklassiger Türöffner zu internationalen Sponsoren. Hier erwarten wir uns von Tennor sogar noch mehr als von KKR, die Gruppe hat im Ausland ein phantastisches Netzwerk.“ Die Dealstruktur ist weitaus weniger komplex als jene, die KKR einst ausgehandelt hatte. „Das ist straight Equity“, erzählt Schiller. „Es gibt keinerlei Put- und Call-Optionen – auch wenn wir natürlich Mitsprachemöglichkeiten beim Weiterverkauf der Tennor-Anteile vereinbart haben.“ Ein Quantensprung für Hertha BSC So „straight“ der Deal ist, so üppig ist er auch dotiert: Tennor zahlt 125 Millionen Euro für 37,5 Prozent der Anteile. Stockt Windhorst auf 49,9 Prozent auf, würde wohl noch einmal eine ähnliche Summe an Hertha fließen. Zum genauen Umfang der zweiten Tranche äußert sich Schiller nicht, aber alles in allem dürfte Hertha drei- bis viermal so viel zufließen wie einst von KKR, sofern Windhorst tat sächlich aufstockt. Der Unternehmenswert von Hertha BSC würde dann in Richtung einer halben Milliarde Euro steigen. Das ist eine enorme Wertsteigerung, gemessen am Zeitraum von nur fünf Jahren – getrieben von explodierenden Fernsehgeldern, Wertsteigerungen im Spielerkader und der These, dass im Fußballstandort Berlin noch deutlich mehr Potential stecken könnte, als es der Hertha bislang zu mobilisieren gelingt. Für die Finanzkraft des Hauptstadtklubs ist das ein Quantensprung. „Sollte Tennor die zweite Tranche tatsächlich ausüben, wovon ich ausgehe, hätten wir eine Eigenkapitalquote von weit über 50 Prozent“, reibt sich Schiller die Hände. „Und das Ganze sogar ohne Aufdeckung der stillen Reserven, die im Bilanzwert unseres Spielerkaders stecken.“ Diese stillen Reserven sind eine Eigenart von Sportvereinen: Sie dürfen lediglich gezahlte Ablösesummen auf der Aktivseite erfassen und müssen diese dann anschließend zügig abschreiben. Ablösefrei verpflichtete Spieler oder solche aus der eigenen Jugend stehen ungeachtet ihres tatsächlichen Marktwerts mit Null in der Bilanz. Davon hat Hertha gleich eine ganze Reihe wie etwa die Top-Talente Arne Maier und Maximilian Mittelstädt. FINANCE-Themenseite Dritte Halbzeit Dritte Halbzeit – der FINANCE-Blog von Michael Hedtstück zu den Finanzkapriolen unserer Fußballklubs. Mehr zum Thema Hertha will in den Europacup Der finanzielle Spielraum der Berliner hat sich so massiv erweitert, dass das Management es offiziell zum Ziel erklärt, die Lücke zur Bundesligaspitze zu verkleinern und regelmäßig um die internationalen Plätze mitzuspielen. Das Ziel liegt drei, vier Plätze über dem, was die Mannschaft in den vergangenen Jahren herausgeholt hat. An Geld für Verstärkungen herrscht kein Mangel. „Aber wir sind uns alle einig, dass wir diese Mittel strategisch und verteilt einsetzen wollen“, sagt Schiller. Deshalb hat er sie auch auf ein Transferbudget gleich für die nächsten vier Jahre verteilt. Immerhin sieht das Budget nun für jedes einzelne Jahr „ein Netto-Investment für Spielerverpflichtungen“ vor. Für die lange Zeit klamme Hertha ist das neu. Sie zählte bislang eher zu der Gruppe um Klubs wie Werder Bremen, Eintracht Frankfurt und FSV Mainz 05, die zwar durchaus mal nennenswerte Summen in neue Spieler investieren können, letztlich aber davon leben, jedes Jahr ein, zwei Stars mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen. So prekär war einmal die Lage von Hertha BSC Warum aber geht Hertha – vollgepumpt mit bald 250 Millionen Euro – nicht entschiedener vor? „Diese nachhaltige Budgetplanung gibt uns die Chance, eine Mannschaft aufzubauen, die mittel- bis langfristig ins obere Drittel der Tabelle vorstoßen kann“, begründet Schiller den gewählten Kurs. „Und auch andere Themen können wir jetzt viel strategischer angehen.“ Dazu zählt Schiller Investitionsfelder abseits des Sports: Projekte wie den Einstieg in E-Sports-Aktivitäten, die Internationalisierung des Geschäfts, vielleicht auch den Aufbau eines klubeigenen TV-Kanals als Streaming-Angebot. „Fußballvereine werden immer mehr zu Medienunternehmen, da muss man investieren“, meint Schiller. Seine Hauptaufgabe für die nächsten Jahre sieht er darin, sicherzustellen, „dass die frischen Mittel effizient eingesetzt werden“. Rückblickend kann der Finanzer, der gerne lacht und selten um einem lockeren Spruch verlegen ist, kaum glauben, welche Reise er und „die alte Dame“ Hertha BSC hinter sich gebracht haben: „Zu Beginn 2013 hätten wir uns nicht gewundert, wenn die Investoren uns mit unserem Term Sheet gleich wieder nach Hause geschickt hätten.“ So prekär war damals die Finanzlage der Hertha. Schillers Highlights Sein persönliches Highlight erlebte Schiller in diesem Jahr. „Eine solche Dynamik beim Interesse der Investoren hätte ich nicht einmal theoretisch für möglich gehalten. Wir kamen in einen richtigen Flow: Viele Partner, eine hohe Nachfrage, tolle Gespräche, und alles absolut störungsfrei. Das war unglaublich! Unser Plan ist besser aufgegangen, als wir es uns je erhoffen konnten.“ Schiller glaubt, dass es auch für Tennor ein gutes Geschäft werden wird. „Davon bin ich fest überzeugt!“ „Hertha soll in eine andere Bedeutung hineinwachsen – national und international.“ Über die Jahre ist der CFO zu einem großen Freund des Private-Equity-Konzepts geworden: „Ich schätze total die Rationalität, mit der die Private-Equity-Leute vorgehen. Auch von kurzfristigen Rückschlägen lassen sie sich nicht beeindrucken. Gerade in einem so emotionalen, kurzatmigen Geschäft wie dem Fußball hilft diese Arbeitsweise enorm.“ Der 54-Jährige sieht den Klub jetzt an der Schwelle zu Größerem: „Diese Chance wollen wir nutzen und uns so weiterentwickeln, dass Hertha BSC in eine andere Bedeutung hineinwächst – national und international.“ Doch reine Euphorie ist nicht angezeigt, schließlich kann es im Fußball auch schnell und brutal nach unten gehen. Der VfB Stuttgart dürfte Schiller und seinen Kollegen ein mahnendes Beispiel sein: Die Schwaben stiegen vor wenigen Monaten völlig überraschend in die Zweite Liga ab – in der ersten Saison nach Abschluss einer 40-Millionen-Euro-Injektion von Daimler. Das damals ausgegebene Ziel lautete: Champions League. Info Mehr Fußballfinanzanalysen finden Sie in unserem FINANCE-Blog „Dritte Halbzeit“. Weitere Informationen über den Werdegang des Hertha-CFO erhalten Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Ingo Schiller.

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