Frau Helene von Roeder, Sie sind seit rund einem Jahr Finanzchefin von Deutschlands größtem Immobilienkonzern. Zuvor haben Sie Ihre gesamte Karriere in der Bankenbranche verbracht. Hat Sie in Ihren ersten Monaten bei Vonovia etwas überrascht?
Ja, absolut. Vonovia ist trotz seiner Größe ein innovatives und agiles Unternehmen mit schnellen Entscheidungswegen – durchaus auch mal unkonventionell und auf Zuruf. Das hat mich positiv überrascht.
Das muss bei Ihrer Bankenvergangenheit ja ein ganz schöner Kulturschock gewesen sein.
(Lacht) Na ja, um eine Anekdote zu erzählen: Ich erinnere mich an eines meiner ersten Meetings hier, da hat ein Mitarbeiter eine wirklich sehr gute Idee geäußert. Ich hatte noch meinen typischen Bankenhut auf und fing erst mal an zu sagen, dass wir eine Risiko-Compliance machen müssten und die Auswirkung auf die Ratios analysieren sollten. Unser CEO Rolf Buch sagte dann einfach: „Finde ich super, machen wir!“
Sie haben sich dem Anschein nach aber schnell eingefunden und in den vergangenen Monaten erste Duftmarken als CFO gesetzt. So hat Vonovia Anfang des Jahres ein besichertes Darlehen über 500 Millionen Euro aufgenommen. Was war die Ratio hinter der Transaktion?
Hier ging es ein wenig nach dem Prinzip „Back to the Roots“. Wir haben in den vergangenen Jahren viele unbesicherte Finanzierungen abgeschlossen, was für Immobilienkonzerne lange untypisch war. Wir prüfen aber stets alle verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten und schauen dann opportunistisch, was für uns die attraktivste Variante ist. Zu dem Zeitpunkt der Emission war das besicherte Darlehen fast 100 Basispunkte unter der unbesicherten Finanzierung. Es wäre zu dem Zeitpunkt also absurd gewesen, einen Euro-Bond zu begeben.
Wie war es für Sie, die Seiten zu wechseln und eine Finanzierung nicht mehr nur aus Bankperspektive zu verfolgen?
Ich wollte nicht mehr nur beraten, sondern einfach selber machen. Es war schon eine neue Erfahrung, selbst im Feuer zu stehen. Gehe ich mit dem Bond jetzt raus, oder warte ich noch? Als Berater kniet man sich zwar rein, hat aber nicht das letzte Wort.
Die Laufzeit ist mit zehn Jahren relativ lang. Schützen Sie sich damit schon vor einem möglichen Zinsanstieg?
Da unsere Asset-Basis ja Immobilien sind, haben unsere Finanzierungen oft eine sehr lange Laufzeit. Zehn Jahre sind für ein solches Darlehen aber schon die obere Grenze. Steigende Zinsen sind für uns natürlich ein Thema, und seitdem das Anleiheprogramm der Europäischen Zentralbank ausgelaufen ist, sind die Spreads der Euro-Bonds deutlich nach oben gegangen. Mario Draghi hat aber kürzlich deutlich gemacht, dass ein steigender Leitzins erst einmal vom Tisch ist. Daher machen wir uns wenige Sorgen.
„Vonovia ist ein agiles Unternehmen. Das hat mich positiv überrascht.“
Vor kurzem hat Vonovia einen Anteil am Wettbewerber Deutsche Wohnen verkauft. 700 Millionen Euro spült das in Ihre Kassen mit einem beachtlichen Buchgewinn von 300 Millionen Euro. Das kann sich sehen lassen.
Genau. Mit diesem Geld haben wir eine Hybridanleihe zurückgezahlt, die im April fällig geworden ist. Der Anteil an der Deutsche Wohnen ist für uns strategisch nicht wichtig, mit 4,7 Prozent kann man nicht wirklich Einfluss nehmen. Wir haben das hohe Kursniveau daher genutzt, um unseren Anteil zu verkaufen.
Die Beteiligung stammt aus einer Zeit, als Vonovia am deutschen M&A-Markt sehr aggressiv war. Vonovia versucht momentan, ins Ausland zu expandieren, hat in Schweden und Österreich groß zugekauft. Ist Wachstum in Deutschland kein Thema mehr?
Wir sind beim Thema M&A sehr taktisch unterwegs und schauen genau, was sinnvoll ist. Wir haben klar definierte Kriterien: Der Nettovermögenswert und der Gewinn, also die „Funds from Operations“, müssen nach einem Jahr gewinnbringend sein. Hinzu kommt, dass der Deal mit einer jeweils hälftigen Finanzierung von Debt- und Eigenkapital simuliert wird und unser Rating stabil bleiben muss. In Deutschland standen wenige Immobilienbestände, die zu diesen Vorgaben passen, zum Verkauf. Der schwedische Markt ist in allen Kennzahlen attraktiver, allerdings ist der Markt wesentlich kleiner als der deutsche.
Finanzierungsseitig gibt es für Sie noch einiges zu tun: Vonovia muss alleine dieses Jahr Schulden im Volumen von 2,6 Milliarden Euro tilgen, nächstes Jahr werden noch einmal 2,9 Milliarden Euro fällig. Wie wollen Sie das Geld refinanzieren?
Durch den Verkauf des Deutsche-Wohnen-Anteils, das neue Darlehen sowie Anleihen aus dem vergangenen Jahr haben wir einen Großteil bereits in der Kasse. Beim Rest müssen wir noch schauen. Das wird dann eine opportunistische Entscheidung sein, was in unser Fälligkeitsprofil und in die Spreads am besten passt. Details kann ich jetzt natürlich noch nicht nennen, da es auf das Marktumfeld ankommt.
FINANCE-Köpfe
Green Finance ist ja gerade in Mode, und Vonovia investiert viel in CO2-sparende Investitionen. Wäre ein „Green Bond“ oder ein „Green Loan“ eine Option?
Das ist auf jeden Fall eine interessante Entwicklung. Immer mehr Investoren und auch die Gesellschaft verlangen, dass Konzerne nachhaltig arbeiten, was ja absolut wünschenswert ist. Aus unserer Sicht muss das Thema „Grüne Finanzierung“ aber noch weiter reifen: Welches sind die richtigen Referenzen, die richtigen Agenturen? Förderdarlehen der Europäischen Investitionsbank oder der KfW sind für uns momentan noch attraktiver als ein „Green Bond“. Wenn sich in dieser Hinsicht etwas ändert, prüfen wir das selbstverständlich.
Welche Themen bewegen sonst Ihre Finanzabteilung?
Was wir mehr und mehr ausbauen, ist das Thema Robotics. Wir nutzen den Roboter sehr erfolgreich bei der Erstellung von Jahresabschlüssen für die unterschiedlichen Gesellschaften, die wir haben. Wir haben zudem ein Pilotprojekt in der Liquiditätsplanung angestoßen.
Wie reagieren die Angestellten, wenn Sie einen Computer anstelle eines Kollegen aus Fleisch und Blut an die Seite gestellt bekommen?
Wir haben mit großer Skepsis gerechnet – gerade bei Leuten, die eher keine „Techies“ sind. Jetzt beobachten wir aber eher die Wahrnehmung: „Mein kleiner Freund der Roboter, ich arbeite den jetzt mal ein.“ Das Thema ist sehr viel greifbarer, als man denkt. Die Mitarbeiter erkennen und schätzen, dass Roboter sich wiederholende, standardisierte Aufgaben einwandfrei erledigen können. So können sie sich auf komplexe Themen konzentrieren.
Fehlende Menschlichkeit wird Vonovia ja oft vorgeworfen. Sie haben nun im März zum ersten Mal die Bilanz präsentiert: Vonovia hat 2018 erstmals einen Gewinn von mehr als 1 Milliarde Euro erwirtschaftet und die Dividende deutlich angehoben. Es gibt immer wieder Kritik – besonders vom Mieterbund –, der Konzern würde seine Mieter abzocken, um den Gewinn zu maximieren. Was entgegnen Sie?
Wichtig ist hier zu verstehen, dass unsere Dividende an den Free Cashflow gekoppelt ist. Wenn dieser steigt, steigt auch die Dividende – und umgekehrt. Wir erhöhen also nicht systematisch unsere Dividende. Ein wesentlicher Grund für den höheren Cashflow: Wir haben deutlich mehr Wohnungen, Schweden und Österreich sind ja dazugekommen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Mietervereine der Meinung sind, die Investoren hätten kein Interesse daran, die Mieterinteressen zu berücksichtigen. Wichtig ist: Nur, wenn wir die Akzeptanz der Gesellschaft haben, können wir langfristig erfolgreich arbeiten. In Berlin beispielsweise lag 2017 die Kaltmiete pro Quadratmeter der landeseigenen Gesellschaften bei 5,91 Euro, die Durchschnittsmiete von Vonovia bei 6,31 Euro. Das ist zwar etwas teurer, aber bei weitem keine Luxusmiete. Unsere Nebenkosten liegen im Schnitt 7 Prozent unter den Zahlen, die der Mieterbund veröffentlicht…
„Nur, wenn wir die Akzeptanz der Gesellschaft haben, sind wir erfolgreich.“
…der sagt, sie würden sich die Zahlen schönrechnen und Nebenkosten systematisch falsch abrechnen.
Wenn man alle Nebenkostenpositionen berücksichtigt, und nur dann kann man die Zahlen wirklich vergleichen, liegen wir bei 2,61 Euro pro Quadratmeter, das ist 7 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Zudem ist ein Großteil der Nebenkosten vom individuellen Verbrauch abhängig, da haben wir gar keinen Einfluss drauf. Nur 0,7 Prozent unserer Nebenkostenabrechnungen sind faktisch falsch. Das ist immer noch zu viel, aber lange nicht so viel, wie dargestellt wird.
Trotz Ihrer Bemühungen steigen die Vonovia-Mieten mehr als doppelt so schnell wie die Inflation.
Es gibt nun einmal den Trend, dass die Menschen in die Städte ziehen. Wir haben in Summe ein sehr nachgefragtes Portfolio, und wir bringen die Häuser energetisch auf einen aktuellen Stand. Nimmt man die unveränderte Wohnung, liegt die Mietentwicklung sogar leicht unter der Inflation. Wir versuchen, unsere Immobilien so gut wie möglich zu verwalten und wollen niemanden hinausmodernisieren. Wenn jemand seine Miete nicht mehr zahlen kann, suchen wir nach Lösungen. Wir haben eine klare Verpflichtung, niemanden auf die Straße zu setzen.
Info
Mehr über den beruflichen Werdegang der Vonovia-CFO erfahren Sie bei FINANCE-Köpfe im Profil von Helene von Roeder.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.