Der Börsengang von Telefónica Deutschland war nur auf den ersten Blick ein Erfolg: Eine satte Dividendenrendite von 7 Prozent versprach der spanische Mutterkonzern den neuen Investoren. Dennoch mussten 75 Prozent der Aktien in Großbritannien und den USA platziert werden, nicht einmal jedes zehnte Papier konnte innerhalb Deutschlands abgesetzt werden.
„Bei Neuemissionen verlangen die Investoren im Moment nach hohen Ausschüttungen, anders wird es schwer“, meint der Kapitalmarktexperte Jörg Schröder von der IKB. Und oft reicht selbst das nicht, um deutsche Investoren anzulocken, meint Oliver Diehl, der das Equity-Capital-Markets-Geschäft der Berenberg leitet und den Versicherungskonzern Talanx an die Börse begleitet hat: „Es gibt einfach nicht mehr viele Small- und Midcap-Fonds in Deutschland, die Nachfrage ist nicht mehr da. Das ist ein strukturelles Problem.“
Hess-Führung entschied sich gegen den Showdown
Alle Börsenkandidaten, auch die großen, teilen zurzeit eine Sorge: Es kommen einfach keine wirklich belastbaren Preissignale von den Investoren. „Investoren sind grundsätzlich preissensitiver geworden, auch bei größeren IPOs“, sagt Diehl.
Auch der Leuchtenhersteller Hess musste den Angebotspreis deutlich reduzieren, um den IPO über die Ziellinie zu wuchten: „Die positiven Investorenfeedbacks aus dem Pre-Marketing haben uns ein relativ sicheres Gefühl gegeben, das dann aber leider enttäuscht wurde“, räumt CFO Peter Ziegler gegenüber FINANCE ein. „Das waren spannende Tage, und nicht nur im positiven Sinne.“
Bis zur letzten Minute abzuwarten traute sich das Management nicht, wie Ziegler zugibt – und so behielt der Markt am Ende die Oberhand. „Die Investoren haben uns zu verstehen gegeben, dass sie in der derzeitigen Phase einen entsprechenden Preisnachlass wollten. Das Risiko, uns dagegenzustemmen, wollten wir nicht eingehen.“
Was der Hess-Führung das Nachgeben erleichterte: Die Altaktionäre wollten im Zuge des IPOs keine Anteile abgeben. Deshalb konnte das Management sie leichter von der Senkung der Preisspanne überzeugen – mit einem erstaunlichen Resultat. Ziegler: „Unser Private-Equity-Gesellschafter Holland Private Equity hat den niedrigeren Emissionspreis genutzt, um kurz nach dem IPO seinen Anteil von 16 auf 20 Prozent aufzustocken.“
Wenig IPO-Fantasie für Mittelständler
So viel Fortune wie Hess hatten in den vergangenen Jahren nicht viele Börsenaspiranten. Seit Anfang 2010 gab es in Deutschland nur 26 Börsengänge am Regulierten Markt, zehn davon gingen auf das Konto kleiner chinesischer Unternehmen – 2012 waren gar vier der sieben Börsengänge China-IPOs.
Der Markt wird geprägt von vereinzelten Groß-IPOs wie Telefonica Deutschland (IPO-Volumen: 1,5 Milliarden Euro), Talanx (520 Millionen Euro) und Kabel Deutschland (660 Millionen Euro).
Klassischen deutschen Mittelständlern wie den Autozulieferern SHW (70 Millionen Euro) und Norma (390 Millionen Euro) oder den Modefilialisten Tom Tailor (160 Millionen Euro) und Adler (110 Millionen Euro) gelingt seit Jahren nur noch in Ausnahmefällen der Sprung auf den Kurszettel.
Mittelstandsanleihen: Spread von 400 Basispunkten
Ganz andere Erfahrungen machen Mittelständler gerade am Minibond-Markt, wo eine Emission die andere jagt. Seit Jahresbeginn gelang es schon über 30 Mittelständlern, Bonds in einem Gesamtwert von fast 1,2 Milliarden Euro zu platzieren – ähnlich viel wie im bisherigen Rekordjahr 2011.
Der Spread von 400 bis 500 Basispunkten zu den Topanleihen der Großkonzerne macht die Minibonds attraktiv. Kritische Aspekte wie windschiefe Bilanzen, zweifelhafte Ratings und unklare Verwendungszwecke der Emissionserlöse werden in den Augen vieler Investoren dadurch neutralisiert.
„Im Moment ist die Risikoprämie hoch genug“, glaubt Lutz Weiler, CEO der mittelständischen Investmentbank Equinet. „Steigende Zinsen für die großen Unternehmensanleihen wären allerdings eine Bewährungsprobe für den Mini-Bondmarkt.“ Durchschnittskupons von 9 bis 10 Prozent könnten die Emissionswelle am Mini-Bondmarkt schnell brechen.
„Klumpenrisiko zu groß“
Es ist kein Geheimnis, dass einige Mini-Bondemittenten eigentlich mit einem Börsengang geliebäugelt hatten. Auch Hess-CFO Ziegler hat über die Ausgabe einer Mittelstandsanleihe nachgedacht. Doch der Lichttechnikspezialist hat in den vergangenen Jahren schon viel in sein Wachstum investiert, und auch für die nächsten Jahre rechnet das Management mit konstant hohen Entwicklungsausgaben, dazu spekuliert Ziegler auf Chancen für Zukäufe: „Dafür brauchen wir eine Eigenkapitalfinanzierung“, sagt der Finanzchef. Eine Anleihe sei zwar als Alternative geprüft worden, „aber wir haben schnell dazu tendiert zu sagen, dass das für uns eine Möglichkeit nach einem Börsengang ist. Im Moment wäre uns das Klumpenrisiko in der Finanzierung zu groß."
Durch den Börsengang umkurvt Hess das Problem der Endfälligkeit. Mit der gestärkten Bilanz im Rücken würden neue Kredite die Zinskosten auch nicht so sehr in die Höhe schrauben wie ein Mini-Bond, hofft Ziegler: „Derzeit sind wir im Schnitt zu gut 3 Prozent finanziert, für einen Bond müssten wir um die 7 Prozent bezahlen.“ Dank des gelungenen IPOs hat der CFO jetzt aber erst einmal Luft. Bevor die nächste Finanzierung ansteht, müssen erst noch einige Großinvestitionen auf den Weg gebracht werden. Das Geld dafür ist jetzt da.