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Smallcap-M&A: Fleißig bis zum Kollaps?

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Der Smallcap-M&A-Markt ist trotz Turbulenzen enorm aktiv. Wie lange kann das gut gehen? Foto: littlestocker - stock.adobe.com
Der Smallcap-M&A-Markt ist trotz Turbulenzen enorm aktiv. Wie lange kann das gut gehen? Foto: littlestocker - stock.adobe.com

Gespräche mit Deal-Experten, Investmentbankern oder M&A-Beratern sind aktuell interessant. Sie alle betonen, dass der Markt für Übernahmen und Fusionen so viele Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen hat wie lange nicht mehr. Das beeinflusst zwar die Deal-Volumina, die im ersten Halbjahr deutlich zurückgegangen sind, doch besonders der Smallcap-Bereich schlägt sich trotz der wirtschaftspolitischen Herausforderungen äußerst gut. Hier dominiere der Tatendrang, von Zurückhaltung sei nichts zu spüren, wie Kai Hesselmann, Co-Gründer und Managing Partner von Dealcircle im Auftaktgespräch unserer Smallcap-Reihe berichtete.

Dealcircle sieht Rekordzahlen im Smallcap-M&A-Markt

Das Hamburger Startup, das mit seiner Matchmaking-Plattform für Smallcap-Deals M&A-Akteuren über eine Datenbank Zugang zu Dealflow liefert, knackte im Juli den Rekord von 82 neuen Deals, die binnen eines Monats auf den Markt gekommen sind. Das Interesse an den kleinen Targets ist groß: Zuletzt lag diese Zahl im Schnitt bei lediglich 60. Das heizt auch den Wettbewerb unter den Kaufwilligen an: „Wir haben im Juli 820 Interessenten vermittelt“, verrät Hesselmann.

Der hohe Dealflow mag an Vorzieheffekten liegen, ausgelöst durch das turbulente Marktumfeld mit der Inflation, Zinserhöhungen und der Energiekrise. Hesselmann: „Vor diesem Hintergrund wollen viele kleinere Targets, die einen Verkauf erwägen, lieber jetzt schnell verkaufen und suchen aktiv nach einem Investor oder Strategen.“

Doch eine Torschlusspanik ist nicht der alleinige Grund für das rege M&A-Treiben im Smallcap-Bereich, glaubt der Dealcircle-Gründer. Hesselmann, der die Weltfinanzkrise 2007/08 im M&A-Advisory des Big-Four-Hauses PwC miterlebt hatte, spielt ein Szenario durch, das zwar extrem ist, aber nicht gänzlich abwegig.

Wie lange hält der M&A-Markt stand?

So sei denkbar, dass die Akteure am M&A-Markt an einem stoischen „Business as usual“ festhalten – in der festen Überzeugung, dass sich die Marktturbulenzen alsbald wieder einrenken werden. Nach dem Motto: Das wird schon gut gehen. Den Dealflow weiterhin anzutreiben sei machbar, glaubt Hesselmann. „Wenn wir allerdings doch in einer größeren Rezession stecken, als es die Business-Pläne der Unternehmen einpreisen, geht dies nur bis zu einem gewissen Grad.“

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Die M&A-Beraterbranche ist ständig in Bewegung. M&A-Boutiquen fusionieren mit Partnern, Investmentbanken sichern sich durch die Übernahme deutscher Häuser den Eintritt in den Markt. Alles über die Konsolidierungen, die wichtigsten personellen Zu- und Abgänge sowie aktuelle Markteinschätzungen der Branchenteilnehmer finden Sie auf dieser Themenseite.

Die Gefahr: Irgendwann könnte „der große Knall“ kommen, und die wirtschaftlichen Turbulenzen den M&A-Markt so stark erschüttern, dass es auch für den Smallcap-M&A-Bereich spürbare Folgen hat – von Covenant-Brüchen bis hin zu Insolvenzen von Private-Equity-Portfoliounternehmen sei alles möglich.

Dealcircle spürt Nachfolge-Boom

Hesselmann fühlt sich an die Weltfinanzkrise erinnert: „Auch damals blieb der Immobilienmarkt hochaktiv, obwohl sich Anzeichen mehrten, dass die entsprechenden Kredite immer schwerer zu refinanzieren waren und Immobilien zu stark überteuerten Preisen verkauft wurdem.“ Und der Dealcircle-Gründer sieht außerdem Parallelen zum Venture-Capital-Markt. „Bei risikokapitalfinanzierten Start-ups werden Einbrüche in den Unternehmensbewertungen erst dann sichtbar, wenn neue Finanzierungsrunden anstehen“, erklärt Hesselmann. Das jüngste Beispiel Klarna kommt in den Sinn, dessen Bewertung bei seiner jüngsten Finanzierungsrunde um satte 85 Prozent eingebrochen war.

„Das wäre natürlich enorm alarmierend, wenn die Deals im Smallcap-Bereich so lange weitergetrieben werden, bis die Unternehmen dahinter kollabieren, weil die Rezession doch stärker einschlägt als prognostiziert“, warnt Hesselmann. Dieses Szenario dürfte wenn überhaupt nur im Smallcap-Bereich zutreffen. Die Largecap-Liga sei zu professionalisiert und großkalibrig, um solche Risiken einzugehen.

Grund zur Sorge gibt es aus Hesselmanns Sicht aber nicht – zumindest noch nicht. Denn sollt es soweit kommen, würden sich die negativen Folgen laut Hesselmann erst in den kommenden Monaten oder auch Jahren manifestieren. Zudem sieht er einen großen Teil der Dealflow-Dynamik bei Smallcaps solide begründet, vor allem durch den enormen Nachfolgebedarf. „Und das sind M&A-Deals, die meistens von langer Hand vorbereitet werden. Hier machen Verkäufer und Käufer ihre Hausaufgaben gründlich“, weiß Hesselmann aus der Praxis.

melanie.ehmann[at]finance-magazin.de

Melanie Ehmann ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen am M&A- und Private-Equity-Markt. Sie hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Melanie Ehmann sechs Jahre in der Redaktion des Platow Verlags, zunächst als Volontärin, später als Wirtschaftsjournalistin im Platow Brief und den Sonderpublikationen.