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Findet ThyssenKrupp endlich eine Lösung für Marine Systems?

Fusioniert ThyssenKrupp seine Werftentochter Marine Systems mit den Rivalen Lürssen und German Naval Yards?
Madioimages/Photodisc/iStock/Getty Images

Steht eine Großfusion deutscher Werften an? Wie verschiedene Medien berichteten, lotet ThyssenKrupp offenbar eine Fusion seiner Werftentochter Marine Systems (TKMS) mit den Rivalen Lürssen Werft aus Bremen sowie German Naval Yards in Kiel (GNYK) aus.

Die Gespräche liefen nach Informationen des „Norddeutschen Rundfunks“ (NDR) bereits seit Anfang des Jahres. Das fusionierte Unternehmen soll sich ausschließlich auf den Marineschiffbau konzentrieren, erfuhr der NDR aus Verhandlungskreisen.

Würden sich die drei Schiffswerften zusammenschließen, entstünde ein nationaler Champion im Marineschiffbau mit rund 9.800 Mitarbeitern. TKMS beschäftigt eigenen Angaben zufolge rund 6.000 Mitarbeiter, GNYK 1.100 und die Lürssen Werft 2.700. Die Marinetochter von ThyssenKrupp erwirtschaftete 2018/19 einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro am Konzernumsatz von rund 42 Milliarden Euro.

Deutsche Werften sind für die Fusion

Doch was ist dran an den Fusionsgesprächen? „Wie Sie wissen, ist die öffentliche Diskussion über mögliche Konsolidierungsszenarien unserer Branche nicht neu. Wir haben immer gesagt, dass wir offen sind für Gespräche über mögliche Konsolidierungsszenarien, sofern diese wirtschaftlich sinnvoll und politisch gewollt sind“, zitiert die Nachrichtenagentur „Reuters“ einen ThyssenKrupp-Sprecher.

Dass eine Konsolidierung „gegebenenfalls Sinn mache“, bestätigt auch ThyssenKrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard via Twitter. Als eine wichtige Bedingung erachtet Burkhard allerdings „eine klare Haltung gegenüber der Industrie seitens des Bundesverteidigungsministeriums“.

Der Grund für diese Aussage: Anfang des Jahres hatte die Bundeswehr einen milliardenschweren Großauftrag an das niederländische Familienunternehmen Damen Shipyards vergeben – anstatt an einen deutschen Kandidaten. Es ging dabei um das größte Rüstungsprojekt der Deutschen Marine, das Mehrzweckkampfschiff MKS 180.

In der finalen Runde des Bieterverfahrens befand sich neben den Niederländern auch die Kieler Werft Naval Yards, die die Entscheidung der Bundeswehr kritisierte und angekündigt hat, „den vollen Rechtsweg ausschöpfen zu wollen“, so der NDR. Bislang wurden alle Großschiffe der deutschen Marine auch von deutschen Werften gebaut.

Das spricht für einen Zusammenschluss der Werften

Vor diesem Hintergrund ergibt eine Fusion von TKMS, GNYK und der Lürssen Werft Sinn: Ein nationaler Champion hätte weitaus größere Kapazitäten, milliardenschwere Aufträge zu bearbeiten – und hätte somit einen Vorteil gegenüber internationalen Wettbewerbern, da die deutschen Werften die Schiffe auch in Deutschland bauen könnten.

Das bestätigte auch die Lürssen Werft gegenüber dem NDR: „Wir halten eine Konsolidierung der Systemhäuser im deutschen Marineschiffbau für sinnvoll und erforderlich, um dadurch nachhaltig die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“

Auch der Geschäftsführer von German Naval Yards Jörg Herwig spricht sich gegenüber dem NDR für die Idee einer Fusion aus: „Nur ein starker Deutscher Player wird den maritimen deutschen Hochtechnologiesektor sichern und ausbauen.“

Für die Konsolidierung spricht zudem, dass so zahlreiche Arbeitsplätze der deutschen Werftenbranche erhalten bleiben können. Das Vorbild für einen nationalen Champion könnte Frankreich sein, die mit der Naval-Group einen großen Werftenhersteller – allerdings mehrheitlich im Besitz des Staates – haben. Paris vergibt seine Aufträge fast nur an nationale Unternehmen.

Ebenfalls für den Zusammenschluss spricht, dass die Werften sich bereits kennen und an einigen Projekten zusammengearbeitet haben. Zudem besteht eine Kooperation zwischen Lürssen und der niederländischen Damen Werft. Würde sich Lürssen mit TKMS und GNYK zusammenschließen, käme vielleicht eine noch stärkere Kooperation zustande: Denn Damen will 80 Prozent des Auftragsvolumens in Deutschland investieren. Von einer Fusion würden daher alle drei deutschen Werften auftragsseitig profitieren.

ThyssenKrupp wollte Marine Systems verkaufen

Ein Zusammenschluss der drei Werften wäre aber auch nicht einfach. Dem NRD zufolge müsse noch geklärt werden, wo der Sitz des neuen Unternehmens sein soll, auch die Rechtsform sei noch nicht vereinbart. Zudem laufen im Hintergrund noch die Streitigkeiten um die Vergabe des MK 180-Baus – die eine mögliche Fusion behindern könnten.

Über die Zukunft der Marinesparte wird immer wieder debattiert. Die Werftentochter ist eines der Sorgenkinder des Konzerns, sie war wegen Pannen beim Bau von U-Booten zeitweise tief in die Verlustzone gerutscht. Im vergangenen Geschäftsjahr stand nach einem starken Umsatzanstieg aber wieder ein leicht positiver Gewinn von 1 Million Euro zu Buche.

ThyssenKrupp hatte in der Vergangenheit immer wieder den Verkauf seiner Marinesparte angepeilt, unter anderem an den Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall. Der Verkauf war allerdings an unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

ThyssenKrupp steckt in der größten Krise seiner Unternehmensgeschichte. Eine neue Strategie sollte die Wende bringen – doch sie platzte. Wie der Traditionskonzern aus der Misere herausfinden will, lesen Sie auf unserer FINANCE-Themenseite zu ThyssenKrupp.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.

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