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Infineon mit 9-Milliarden-Deal in den USA

Infineon kündigt den größten Deal der Unternehmenshistorie an: Der Halbleiterproduzent will den Konkurrenten Cypress Semiconductor kaufen.
Infineon

Es könnte der größte M&A-Deal der Unternehmensgeschichte von Infineon werden: Der Halbleiterproduzent aus Neubiberg bei München plant, den US-amerikanischen Wettbewerber Cypress Semiconductor zu kaufen. Das gab das Unternehmen am Montagmorgen bekannt. Demnach bietet Infineon je Cypress-Aktie 23,85 US-Dollar in bar, was einem Unternehmenswert von 9 Milliarden Euro entspricht.

Der Angebotspreis entspricht damit einer Prämie von 46 Prozent auf den Durchschnittskurs der vergangenen 30 Handelstage. Verglichen mit dem Schlusskurs der Cypress-Aktie am vergangenen Freitag, als das Papier bei 16 Euro notierte, liegt der Aufschlag bei 33 Prozent.

Nach der Bekanntgabe des Deals machte die Cypress-Aktie am heutigen Montagvormittag einen Sprung von knapp 30 Prozent nach oben und notiert aktuell bei 20,49 Euro. Die Infineon-Aktionäre hingegen reagierten verhalten: Nach Bekanntgabe fiel das Papier um rund 6 Prozent auf 15 Euro.

Infineon erwartet den Abschluss der Transaktion Ende 2019 oder Anfang 2020. Der Deal steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Cypress-Aktionäre und der zuständigen Aufsichtsbehörden.

Infineon wäre achtgrößter Chiphersteller

Mit dem Zukauf von Cypress, die 2018 umgerechnet rund 2,2 Milliarden Euro umsetzte, will Infineon vor allem strategisch wachsen: Der US-Konzern sei nicht nur stark im Bereich Forschung & Entwicklung, sondern habe zudem ein breites Portfolio an Mikrocontrollern sowie Software und Connectivity-Komponenten, wirbt Infineon. Mit der Integration komplementärer Geschäftsfelder wollen die Münchener zudem Skaleneffekte heben und speziell in den Segmenten Automotive, Industrie und IoT wachsen.

Das Unternehmen erhofft sich „signifikante Größenvorteile, durch die das Geschäftsmodell von Infineon robuster wird“, heißt es weiter. Gemessen am pro-forma Umsatz von 10 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2018 würde Infineon durch die Übernahme eigenen Angaben zufolge zur Nummer acht unter den weltweiten Chip-Herstellern aufstiegen. Zudem würde das Unternehmen zur Nummer eins bei Chips für den Automobilmarkt.

Infineon setzt auf Umsatzsynergien

Der Deal soll auch die Finanzkraft von Infineon verbessern. Die Kapitalintensität soll sinken, dementsprechend soll die Free-Cash-Flow-Marge steigen, so Infineon, ohne genauer auf Zahlen einzugehen. Bis zum Jahr 2022 erwartet der deutsche Halbleiterhersteller Kostensynergien von jährlich 180 Millionen Euro. Durch die Zusammenlegung der sich ergänzenden Portfolios können Infineon und Cypress zusätzliche Chip-Lösungen anbieten, die langfristig mehr als 1,5 Milliarden Euro an jährlichen Umsatzsynergien bringen, heißt es. 

Nach Abschluss der Integration rechnet Infineon mit einem jährlichen Umsatzwachstum von mehr als 9 Prozent. Zum Vergleich: 2018 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 7,6 Milliarden Euro, was einem Wachstum im Vergleich zum Vorjahr von 8 Prozent entspricht.

Außerdem peilt der Halbleiterhersteller eine Segmentergebnismarge von 19 Prozent nach der Integration an. 2018 betrug sie 17,8 Prozent. Zudem soll die Investitionsquote bezogen auf den Umsatz auf 13 Prozent sinken. Zuletzt lag sie bei 16,5 Prozent.

FINANCE-Köpfe

Dr. Sven Schneider, Infineon Technologies AG

Nach einer Banklehre und dem Studium der BWL beginnt Sven Schneider 1995 seine Karriere bei dem Industriegasekonzern Linde als Referent im Finanzbereich. Nach Stationen als Abteilungsleiter Bankverkehr Beteiligungen, Finanzberichterstattung und Cash Management wird der gebürtige Berliner im Jahr 2000 Hauptabteilungsleiter Cash Management und Treasury-Controlling. 2005 wird Schneider Leiter des Bereichs Corporate Finance bei Linde. Sechs Jahre später erfolgt dann die Ernennung zum Group Treasurer.

Im September 2016 übernimmt Schneider nach dem Weggang von Linde-CFO Georg Denoke zunächst interimistisch die Verantwortung für den gesamten Finanzbereich der Linde Group. Im März 2017 ernennt der Dax-Konzern Schneider zum Finanzvorstand, im Dezember 2018 übernimmt er zudem auch noch das Amt des Vorstandssprechers. Seit Mai 2019 ist Schneider Finanzchef des Chipherstellers Infineon.

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Bewährungsprobe für Neu-CFO Sven Schneider

Mit einem Unternehmenswert von 9 Milliarden Euro wäre der Zukauf deutlich größer als der bisherige Rekordhalter in der Unternehmensgeschichte von Infineon: 2014 kaufte das Unternehmen den Wettbewerber Rectifier für 2,25 Milliarden Euro. Der Deal wäre zudem die erste große Bewährungsprobe für den neuen Infineon-CFO Sven Schneider, der erst seit Mai im Amt ist. Neben der Integration des Unternehmens wird Schneider vor allem die Finanzierung des Deals bewerkstelligen müssen.

Wie die Finanzierungsstruktur aussehen soll, hat Infineon bereits teilweise angegeben: Um ein stabiles Investment-Grade-Rating zu erhalten, will das Unternehmen die Übernahme zu 30 Prozent durch neues Eigenkapital stemmen. Das wäre beispielsweise über eine Kapitalerhöhung oder die Ausgabe von Wandelanleihen möglich. Für den restlichen Betrag will Infineon frisches Fremdkapital einholen sowie vorhandene Barmittel hinzuziehen, ohne auf das Verhältnis der beiden Optionen an der Gesamtsumme einzugehen. Die strategische Liquiditätsreserve soll dabei unangetastet bleiben, betont der Konzern.

Für die Bezahlung der Akquisition habe ein Bankenkonsortium bestehend aus der Bank of America Merrill Lynch (führend) sowie Credit Suisse und J.P. Morgan bereits verbindliche Finanzierungszusagen erteilt. Rechtlich beraten wurde Infineon von Kirkland & Ellis sowie Freshfields Bruckhaus Deringer. Cypress wurde finanziell von der Investmentbank Morgan Stanley sowie rechtlich von der Kanzlei Simpson Thacher & Bartlett beraten.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat bereits angekündigt, sich die Bonitätseinstufung des Dax-Konzerns sehr genau anzusehen. Wie die Agentur mitteilte, hat sie das Langfrist-Rating mit der Note BBB auf eine Beobachtungsliste für eine mögliche Abstufung ("Watch Negative") gesetzt.

Infineon-Übernahme von Wolfspeed scheiterte bereits

Eine weitere Herausforderung für den neuen Finanzchef: Bei dem Zukauf handelt es sich um einen Deal mit US-amerikanischer Beteiligung – und US-Transaktionen unterliegen besonders komplexen Strukturen und Auflagen, die immer wieder zum Scheitern von Übernahmen führen. Auch Infineon hat schon Erfahrungen mit den strengen US-Behörden machen dürfen: Im Februar 2017 platzte die geplante Übernahme des US-Chipspezialisten Wolfspeed für 850 Millionen Euro am Widerstand der Aufsichtsbehörde CFIUS.

Hier dürfte Sven Schneider allerdings von seinen Erfahrungen bei seinem früheren Arbeitgeber Linde profitieren: Als ehemaliger CFO des Industriegasekonzerns hat er im Rahmen der komplizierten Fusion mit dem Wettbewerber Praxair bereits Erfahrung mit dem US-Kartellrecht gesammelt. Damals musste Linde unter anderem ein Geschäftssegment in Amerika an die Messer Group veräußern, damit der Deal mit Praxair zustande kommen konnte.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Lesen Sie mehr über den neuen Infineon-CFO Sven Schneider auf seinem Profil bei FINANCE-Köpfe.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.

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