Die Synergien können nicht so gehoben werden wie gedacht, die Wettbewerbssituation hat sich nicht so stark verbessert wie erhofft und auch beim Einzug in neue Märkte hapert es – viele Ziele, die Unternehmen sich für die Zeit nach einer Übernahme vornehmen, stellen sich als schwer erreichbar heraus. Eine aktuelle Studie, an der auch die Rechtsanwaltsgesellschaft PwC Legal beteiligt war, zeigt, dass fast ein Drittel der 84 befragten deutschen Unternehmen die eigenen M&A-Ziele komplett verfehlt sehen (nähere Informationen zur Studie am Ende des Artikels).
Doch woran liegt das? Simon Dürr, Rechtsanwalt bei PwC Legal und einer der Studienautoren, beobachtet, dass die Post Merger Integration (PMI) häufig der Knackpunkt ist: „Damit ein M&A-Deal als erfolgreich abgeschlossen gilt, muss das Target bestmöglich in das kaufende Unternehmen integriert werden. Bei der Integration passieren jedoch noch zu oft Fehler, die dazu führen, dass Synergien des Deals gar nicht oder erst viel zu spät gehoben werden können.“
Was die häufigsten Fehler sind, die bei der Integration des Zielunternehmens ins eigene Unternehmen passieren, und wie eine gelungene Post Merger Integration aussehen sollte, zeigt dieser FINANCE-Ratgeber.
Häufigster Fehler bei der PMI: Fehlende Ressourcen
Die Fehlerquelle Nummer Eins sieht Frederic Mirza Khanian, ebenfalls Rechtsanwalt bei PwC Legal und Mitautor der Studie, bei der Allokation von Ressourcen: „Nach einem Zukauf wollen viele Unternehmen das Target möglichst schnell integrieren. Wer jedoch nicht genügend Mitarbeiter mit diesem Projekt betraut, der gerät schnell unter Wasser.“
Besonders die notwendige Verschmelzung der IT- und ERP-Systeme sei aufwendig und nehme viel Zeit und Personal in Anspruch. Diese Aufgabe einem zu kleinen, nicht eingespielten Team zu überlassen, könne schnell dazu führen, dass die Integration sehr viel länger dauert als veranschlagt. Gleichzeitig könne das eine Quelle für Folgefehler sein, die möglicherweise erst im operativen Geschäftsbetrieb bemerkt werden, warnt Mirza Khanian.
Zweites PMI-No-Go: schlechte Planung
Den zweiten Kardinalfehler sehen die Anwälte im Projektmanagement. „Es beginnt damit, dass Unternehmen zwar die Transaktion akribisch durchplanen, bei der Planung der PMI dann aber nachlässig sind“, beobachtet PwC-Legal-Experte Dürr. „Das führt dazu, dass nicht klar ist, welches Team welche Aufgaben bis zu welcher Deadline erledigen muss.“
Ebenfalls problematisch: Viele Unternehmen bereiten die PMI erst zum oder sogar nach dem Closing vor. „Die Planung der Integration sollte idealerweise schon erfolgen, wenn ein geeignetes Target identifiziert wurde“, betont Frederic Mirza Khanian. „Schon bevor der Deal auf der Zielgerade ist, kann man sich über öffentlich zugängliche Quellen ein grobes Bild des Targets machen und die gesamte Akquisitionsstruktur inklusive Finanzierung vorplanen.“
Realistischer Zeitplan, zuverlässige Umsetzung
Doch wie lassen sich all diese Fehler vermeiden? Zunächst empfiehlt der Anwalt, nach der Sichtung aller vorhandenen Informationen ‚PMI-Routen‘ abzustecken: „Man entwickelt alternative Integrationsrouten unter Darstellung der Vor- und Nachteile, woraufhin die Verantwortlichen dann entscheiden, welchen Weg sie bei der PMI für die jeweiligen Target-Gesellschaften gehen wollen.“
Wenn diese Entscheidung gefallen ist, müssen alle PMI-Verantwortlichen über wichtige Fristen informiert werden. „Viele Fristen ergeben sich unter anderem aus dem Arbeits- und Gesellschaftsrecht. Sie bilden die Grundlage für den konkreten PMI-Zeitplan“, erklärt der Anwalt. An dem Zeitplan, der genügend Luft für die einzelnen Projekte lassen sollte, müssen die Verantwortlichen sich dann auch halten, denn die einzelnen Integrationsschritte sind voneinander abhängig (sogenannte Dependencies).
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„Sollte es doch zu Verzögerungen kommen, dann müssen schnell alle Parteien darüber informiert werden“, ergänzt er. Wer diese Grundlagen beachtet, den PMI-Plan strikt abarbeitet und die Arbeitsschritte in den einzelnen Teams genau im Blick hat, kann viele unnötige Fehler bei der PMI vermeiden.
Info
Die Studie:
Herausgeber der Studie „Global Post Merger Integration & Carve-outs 2019“ sind das Deutsche Institut für Rechtsabteilungen und Unternehmensjuristen, das Forschungsinstitut Corporate Legal Insight, der Bundesverband der Unternehmensjuristen sowie die PricewaterhouseCoopers Legal Rechtsanwaltsgesellschaft. An der Befragung haben 84 deutsche Aktiengesellschaften aus 17 Wirtschaftszweigen teilgenommen.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.