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Bilanzpolizei prüft schwierige Fälle künftig häufiger

Die Bilanzpolizei DPR hat ihr Auswahlverfahren verschärft.
AndreyPopov/iStock/Thinkstock/Getty Images

Seit über zehn Jahren untersucht die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR die Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen – jetzt scheint sich die Fehlerquote dauerhaft auf einen moderaten Anteil eingependelt zu haben. 2016 lag die Fehlerquote bei 16 Prozent, zuvor hatte sie mit 15 Prozent im Jahr 2015 und mit 13 Prozent im Jahr 2014 auf einem ähnlichen Niveau gelegen.

Das ist eine erfreuliche Entwicklung, schließlich lag die Fehlerquote 2011 noch bei über 25 Prozent. Der Rückgang ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die großen indexnotierten Unternehmen immer weniger Fehler machen. War die Fehlerquote bei diesen Unternehmen früher noch ähnlich hoch wie bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, die keinem Index angehören, ist sie inzwischen auf 5 Prozent gesunken.

Big Four haben sich auf die DPR-Prüfung eingestellt

Der Grund: Die großen Unternehmen, die meistens von den Big Four geprüft werden, haben sich gut auf die Kontrolle durch die Bilanzpolizei eingestellt. Die Big Four, die eigene Grundsatzabteilungen für Rechnungslegungsstandards haben, wissen genau, wo die Herausforderungen bei der DPR-Kontrolle liegen und welche Themen besonders brisant sind. Findet die DPR einen Fehler beim Mandanten, der am Ende im Bundesanzeiger veröffentlicht werden muss, fällt das letztendlich auf den Prüfer zurück. Einen solchen Fall gab es 2016 bei Bastei Lübbe, als KPMG eine fehlerhafte Bilanz abgesegnet hatte. Die Prüfer wollen das in jedem Fall vermeiden.

Kleinere Unternehmen machen hingegen häufiger Fehler in der Bilanzierung, weil ihnen manches Mal schlicht die Kapazität fehlt. Die Accounting-Abteilungen sind wesentlich kleiner, die internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS hingegen sind äußerst komplex. Besonders fehleranfällig ist die Bilanzierung dann, wenn ein großer und für die Unternehmen seltener Geschäftsvorfall bilanziert werden muss, beispielsweise eine Übernahme. 

Besonders fehlerhaft: M&A, Impairment, Anhangangaben

Das zeigt sich auch in der Analyse der einzelnen Fehler: Besonders viele Fehler traten im vergangenen Jahr bei der Bilanzierung von Unternehmenskäufen und -verkäufen und damit einhergehend beim Goodwill auf. Auch bei der Bilanzierung von Finanzinstrumenten, und dort vor allem bei dem Ansatz von Forderungen und Verbindlichkeiten, gibt es immer wieder Probleme. Viele Fehler unterliefen den Unternehmen auch im vergangenen Jahr wieder bei den Anhangangaben und im Lagebericht, beispielsweise bei Angaben zu Covenants und zur Prognose- und Risikoberichterstattung.

Insgesamt hat die Bilanzpolizei 96 Prüfungen abgeschlossen, im Vorjahr waren es nur 81. Damals hatte der DPR zu schaffen gemacht, dass viele der Prüfungen besonders zeitaufwendig waren, weil Unternehmen die Fehlerfeststellung nicht akzeptieren wollten, darunter Axel Springer und die Deutsche Bank. Wenn langwierige Diskussionen zu keinem Ergebnis führen, schaltet sich die Bafin ein.

Manche Unternehmen hatten die Diskussion sogar absichtlich hinausgezögert, um sich in ein Delisting zu flüchten – dann kann die DPR sie nicht mehr belangen. Das wird ab jetzt nicht mehr möglich sein: Durch das neue Abschlussprüfungsreformgesetz kann die Prüfung trotz Börsenrückzug fortgesetzt werden. Insgesamt lag die Zustimmungsquote für festgestellte Fehler vor einem Jahr bei niedrigen 50 Prozent, 2016 ist sie auf 73 Prozent gestiegen. 

DPR hat ihr Auswahlverfahren überarbeitet

Die 96 Prüfungen teilen sich auf in 87 Stichproben- und sieben Anlassprüfungen, zwei wurden auf Verlangen der Bafin durchgeführt. Im Rahmen der Anlassprüfungen untersucht die DPR Unternehmen dann, wenn sie einen besonderen Verdacht auf Fehler in der Bilanz hat. Eine Quelle ist dabei die Wirtschaftspresse, die 2016 zu zwei Anlassprüfungen geführt hat. Bei der Zufallsauswahl rotieren die Dax-Unternehmen alle vier bis fünf Jahre, übrige Unternehmen alle acht bis zehn Jahre.

Für CFOs von Dax-Unternehmen bedeutete das bislang: Wurde der Konzern gerade erst geprüft, war die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Bilanzpolizei schnell wieder vor der Tür stehen würde. Das wird sich jetzt ändern, da die DPR ihr Auswahlverfahren überarbeitet hat. So hat die Bilanzpolizei ein neues Kriterium definiert, nach dem es wahrscheinlicher wird, dass ein Unternehmen geprüft wird – und zwar unabhängig davon, ob es erst kürzlich bei der Stichprobenauswahl gezogen wurde oder nicht.

CFOs sollten sich Prüfungsschwerpunkte genau anschauen

Es handelt sich dabei um den Risikofaktor „Auffälligkeiten in abgelaufenen Enforcement-Prüfungen“. Dazu gehört beispielsweise, dass die Prüfung bei einem Unternehmen in der Vergangenheit sehr zäh ablief, weil unvollständige Unterlagen abgeliefert wurden, der Prozess in die Länge gezogen wurde oder es auffällig viel Diskussionsbedarf bei der Bilanzierung gab.

„Wer risikoreich bilanziert, erhöht das Risiko einer DPR-Prüfung“, fasst Edgar Ernst zusammen, Präsident der DPR und ehemaliger CFO der Deutschen Post. Darüber hinaus zieht die DPR künftig eine zusätzliche Stichprobe. Die Grundgesamtheit sind alle Unternehmen, die weder in der rotierenden Prüfung noch in der Anlassprüfung ausgewählt wurden. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen ins Visier der DPR gerät, weiter.

Sobald sie den Geschäftsbericht für 2016 hinter sich gebracht haben, sollten CFOs sich also die neuen Prüfungsschwerpunkte der DPR für 2017 zu Gemüte führen. Je eher sie ihre neuen Geschäftsberichte auf diese Punkte abklopfen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Bilanzpolizei einen Fehler findet.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.