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Publizitätspflicht: So tricksen die Unternehmen

Eine der letzten Bilanzpressekonferenzen von Roland Berger aus dem Jahr 2002. Die Unternehmensberatung veröffentlicht schon seit vielen Jahren ihre Zahlen nicht mehr.
dpa/Ulrich Baumgarten/62095158

Lieber hohe Strafe statt Transparenz: Getreu diesem Motto verweigert die Unternehmensberatung Roland Berger schon seit zehn Jahren die Veröffentlichung ihrer Geschäftszahlen im Bundesanzeiger – und kassiert dafür Jahr um Jahr dicke Strafen.

Roland Berger ist kein Einzelfall. Auch andere deutsche Unternehmen wollen ihre Zahlen nicht allen frei zugänglich machen, obwohl es seit Anfang 2007 die gesetzlich vorgeschriebene Publizitätspflicht für deutsche Kapitalgesellschaften gibt. Deren Kern ist die Auflage, dass die Unternehmen ihre Geschäftszahlen jährlich im Bundesanzeiger veröffentlichen müssen.

Nach anfänglichem Unmut haben sich die meisten Unternehmen damit abgefunden. Nur ein harter Kern von 10 Prozent aller betroffenen Kapitalgesellschaften weigert sich nach wie vor, seine Zahlen zu veröffentlichen. Dafür nehmen sie oft hohe Strafen in Kauf: „Je nachdem, ob es sich um eine Erst- oder Folgeverweigerung handelt, liegen die Bußen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro“, sagt Andreas Stamm, Partner des Beratungsunternehmens DHPG. Mit den Strafgeldern versucht das Bundesamt für Justiz Druck aufzubauen.

Roland Berger befürchtet Wettbewerbsnachteile

Die Ursachen für die Verweigerung sind unterschiedlich. Zum einen stören sich viele Mittelständler daran, dass sie in ihrem Zahlenwerk ähnlich umfangreich wie ein börsennotierter Konzern berichten müssen. „Gerade kleinere Unternehmen halten das für nicht zumutbar“, sagt Stamm. Doch die Hauptursache ist eine andere: Viele Mittelständler befürchten, dass ihnen die hohe Transparenz Wettbewerbsnachteile einbrockt. Das gilt vor allem dann, wenn die Wettbewerber im Ausland sitzen, wo nicht so eine strenge Publizitätspflicht wie in Deutschland gilt.

So auch Roland Berger. Die Unternehmensberatung stört, dass ihre Hauptkonkurrenten McKinsey, BCG und Bain ihre Zahlen für das Deutschlandgeschäft nicht veröffentlichen müssen. Die Strafe, die diese Haltung Roland Berger bisher beschert hat, dürfte sich inzwischen auf mehrere hunderttausend Euro belaufen: Bereits 2013 lag sie laut Recherchen des Spiegels bei 100.000 Euro.

Zwischen Komplettverweigerung und totaler Transparenz gibt es aber auch noch Mittelwege, um den Umfang der Offenlegung zumindest zu reduzieren. Folgende zwei Optionen können Mittelständler für sich prüfen:

FINANCE-Tipp 1: Unternehmen in kleine Einheiten aufteilen

Anstatt eine Konzernstruktur mit Mutter-Tochter-Verhältnissen zu schaffen, kann es sinnvoll sein, das Unternehmen in viele kleine selbstständige Einheiten zu unterteilen. Wenn diese dann als kleine Kapitalgesellschaft gelten, müssen sie ihre Gewinn und Verlustrechnung gar nicht mehr und die Bilanz nur noch in einer sehr aggregierten Form veröffentlichen.

Das ist vor allem für solche Unternehmen sinnvoll, die nur eine sehr überschaubare Anzahl an Produkten haben, denn diese Firmen leiden ganz besonders unter der Transparenz: „Dort reicht ein Blick in den Abschluss, um Margen ablesen zu können. Für Wettbewerber, Lieferanten und Kunden sind das wichtige Informationen, die zu einem echten Wettbewerbsnachteil für das Unternehmen werden können“, meint Andreas Stamm. Hat ein Unternehmen hingegen viele verschiedene Produkte in diversen Branchen und Märkten, ist es schwerer durchschaubar, selbst wenn es umfangreiche Zahlenwerke in den Bundesanzeiger einstellt.

Es gibt allerdings einen Preis für diese Zersplitterung, wie zum Beispiel steuerrechtliche Nachteile. Inwiefern das die Vorteile wieder aufwiegt, muss jedes Unternehmen für sich herausfinden.

FINANCE-Tipp 2: Nur einen einzigen Konzernabschluss veröffentlichen

Eine andere Möglichkeit schlägt genau den entgegen gesetzten Weg ein: Anstatt sich zu zersplittern, sollen Unternehmen eine Konzernstruktur aufbauen. Unter Umständen reicht dann ein einzelner Konzernabschluss, in dem die Tochtergesellschaften nur aggregiert auftauchen.

Das bietet sich vor allem für Unternehmen an, die viele verschiedene Produkte in diversen Branchen und Regionen haben. Werden diese in einem einzigen Konzernabschluss aggregiert zusammengefasst, sind Margen und ähnliches kaum noch herauszulesen. „Das ist dann wie ein großer Topf, in dem ich nicht genau sehen kann, was drin ist“, sagt Berater Stamm.

Wie CFOs tricksen

Nicht jedes Unternehmen kann oder will seine Konzernstruktur verändern. Manche nutzen daher einen Trick: Sie zögern die Veröffentlichung so lange es geht hinaus. Das tun viele vor allem dann, wenn eine Übernahme oder eine neue Finanzierung ansteht, bei der sie nicht möchten, dass die Wettbewerber vor dem Abschluss der Verhandlungen Einblicke erhalten.

Unternehmen haben ohnehin ein Jahr nach Ende ihres Geschäftsjahres Zeit, um ihre Zahlen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Danach gibt es noch eine Frist von sechs Wochen, um die Veröffentlichung nachzuholen. Versäumen Unternehmen auch diese Frist, müssen sie die erste Strafzahlung von 2.500 Euro zahlen – bis dahin ist aber schon so viel Zeit vergangen, dass sich die Zahlung einer solchen Summe für manche lohnen kann. Problematisch wird es erst dann, wenn die Unternehmen die Veröffentlichung noch länger hinauszögern und die Summe immer weiter ansteigt. Grundsätzlich machen das vor allem größere Mittelständler, die solche Zahlungen ohne größere Probleme verschmerzen können. Eine Verweigerung über zehn Jahre wie bei Roland Berger dürfte den meisten Unternehmen hingegen auf Dauer zu kostspielig werden.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

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Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.