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WP-Lobby siegt auf ganzer Linie

EU-Kommission in Brüssel: Erfolgreiche Lobbyarbeit rettet das Geschäftsmodell der großen Wirtschafsprüfer.
Thinstock

Für die Wirtschaftsprüfer und ihre Lobby in Deutschland, das IDW, ist es ein Triumph auf ganzer Linie: Statt der befürchteten strengen Regulierung der WP-Branche bleibt nicht nur de facto alles beim Alten – das aktuelle, nicht unumstrittene Geschäftsmodell der Prüfkonzerne hat jetzt von der EU sogar langfristigen Bestandsschutz bekommen.

Der Vorschlag, den Wirtschaftsprüfern jegliche Beratung zu untersagen ist ebenso vom Tisch wie der Kompromissvorschlag, den Beratungsumsatz mit prüfungsnahen Dienstleistungen auf 10 Prozent des Prüfumsatzes zu begrenzen. Und anstelle der vorgesehenen Zwangsrotation nach fünf Jahren müssen Konzerne ihre Wirtschaftsprüfer nur alle 25 Jahre wechseln – erst nach 14 Jahren muss der Aufsichtsrat eine Mandatierung überhaupt erst explizit verlängern.

Big Four forcieren Expansion in den Beratungsmarkt

Damit ist das bestehende Geschäftsmodell der Prüfkonzerne zementiert: Langfristige Prüfmandate mit über die Zeit entlang der Lernkurve wachsenden Gewinnmargen als Eingangstür für Beratungsaufträge. Diese können sich die Prüfkonzerne nicht nur über ihren guten Zugang zu den Entscheidungsträgern in den Unternehmen sichern, sondern auch dank ihrer Honorarvorstellungen, die in vielen Fällen deutlich günstiger sind als die von spezialisierten Unternehmensberatern aufgerufenen Preise.

Vor allem die „Big Four“ Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PwC sind die Nutznießer der erfolgreichen Lobbyarbeit. Eine potentiell gefährliche Bedrohung ihrer Geschäftsmodelle haben sie abgewendet und die hohen Investitionen in den Ausbau der Beratungsteams geschützt. Angeführt von PwC haben fast alle großen WP-Gesellschaften in Deutschland zuletzt hohe Summen in ihre Beratungseinheiten investiert. Selbst der Prüfkonzern BDO – lange Jahre ein Kritiker der Vermischung von Beratungs- mit Prüfmandaten – ist vor kurzem in die Beratung eingestiegen. Jetzt dürften die Prüfer ihre Expansion in den Beratungsmarkt weiter forcieren.

Wirtschaftsprüfer werden weiter zukaufen

Die großen Verlierer sind die M&A-, Finanzierungs- und Strategieberater, denen die Prüfkonzerne in den vergangenen Jahren schon Marktanteile abgenommen haben. Prüfung und Beratung werden weiter zusammenwachsen, Synergieeffekte entstehen. Dem offenbar bevorstehenden Merger von Deloitte und Roland Berger wird die EU-Entscheidung Rückenwind verleihen. Auch die über zahlreiche M&A-Deals vorangetriebene vertikale Expansion in Spezialbereiche des Beratungsmarktes wie zum Beispiel die Supply-Chain-Optimierung werden die Big Four fortsetzen.

Dabei können die Prüfkonzerne dank ihrer jungen Teams und ihrer moderaten Gehaltsstrukturen viele Beratungsdienstleistungen auch ohne Akquisitionen schon heute günstiger anbieten, als das insbesondere kleine und mittelgroße Beratungshäuser tun können. Im Moment gibt es kaum einen M&A-Berater, der nicht über die vermeintlichen Dumpingpreise der Big Four klagt. Für die kleinen Berater wird es jetzt noch schwerer werden, zu bestehen: Der deutsche M&A-Markt bleibt schwach, und die Konkurrenz erstarkt.

Die EU hat es den CFOs bequem gemacht

Die CFOs stehen nur vordergründig als Gewinner der aktuellen Entwicklung da. Zwar hat sie die EU vor den Störeffekten bewahrt, den regelmäßige Prüferwechsel mit sich bringen – jeder neue Prüfer muss sich erst mühsam einarbeiten, um den zu prüfenden Konzern zu verstehen. Aber gerade mit Blick auf die Haftungsrisiken ist es auch im Interesse der CFOs, einen strengen Prüfer im Haus zu haben, der Missstände konsequent aufdeckt und Gefahren antizipiert.

Den Konzernen steht es natürlich immer noch frei, aus eigenem Antrieb die Prüfer alle paar Jahre rotieren zu lassen. Aber das muss auf Initiative des Aufsichtsrates geschehen, und die Aufseher folgen bei der Auswahl der Wirtschaftsprüfer in der Regel der Empfehlung der CFOs. Und diesen hat die EU es jetzt leicht gemacht, es sich mit einem bewährten Prüfer auf der anderen Seite des Tisches bequem einzurichten.

Die aktuellen Verhältnisse dürften jetzt für eine lange Zeit Bestand haben – zumindest so lange, bis es erneut zu einem großen Bilanzskandal vom Kaliber Enron oder Worldcom kommt. Das sind Jahrhundertereignisse, die sich eigentlich gar nicht ereignen sollten. Die EU hatte die historische Chance, im Nachhall der Finanzmarktkrise die Wahrscheinlichkeit für derartige Jahrhundertereignisse über eine striktere WP-Regulierung drastisch zu reduzieren. Diese Chance ist dank der WP-Lobby vertan worden.