Wie das Bosch-Controlling schlechten digitalen Lösungen den Kampf ansagt

Ein schickes, interaktives Dashboard statt eines monatlichen Reportings im starren PDF-Format – ja, das wirke vordergründig digitaler, sagt Matthias Dannenberg, schiebt aber auch gleich hinterher: Einen wirklichen Mehrwert für die Organisation gebe es nur dann, wenn ein Unternehmen auch die Arbeitsweisen und Prozesse, die hinter einem solchen Reporting stehen, neu gedacht sowie digital und damit effizienter aufgesetzt habe. Denn was sei gewonnen, wenn die Datenerfassung und -verarbeitung vom Controlling weiterhin viel Zeit und händisches Eingreifen erfordere? Dannenberg ist Senior Vice President Finance & Controlling in der Mobility-Electronics-Division von Bosch, die Teil des Autozuliefergeschäfts ist. Mit dem schlichten Dashboard-Beispiel will er ein grundsätzliches Problem verdeutlichen: Er habe in seiner Position zwar viele gute Lösungen, aber eben auch schon so manches Digitalisierungsprojekt gesehen, das nicht gelungen sei, weil es das eigentliche Problem nicht gelöst habe, wie er selbstkritisch zugibt. Stattdessen hätten viele Unternehmen in der Vergangenheit einen Strauß an Insellösungen geschaffen, die vordergründig zwar funktioniert hätten, mitunter aber nicht nur die Controller, sondern auch andere Anwender dazu gezwungen hätten, anders zu arbeiten, als es eigentlich erforderlich gewesen wäre. Bosch will und muss sein Controlling effizienter aufstellen Das Problem ist bei weitem nicht Bosch-spezifisch, doch Dannenberg wollte es lösen. Deshalb haben die Bosch-Finanzer sich vor einigen Jahren aufgemacht, ihre Herangehensweise an Digitalisierungsprojekte zu überdenken, um so zu besseren Lösungen zu kommen. Übersetzt in ein konkretes Effizienzziel bedeutet das für die Controller von Bosch Mobility Electronics: Mittels Digitalisierung wollen sie 30 Prozent Prozessverkürzung beziehungsweise Aufwandsreduktion in den relevanten Prozessen erreichen. 30 Prozent weniger Aufwand in den relevanten Prozessen strebt das Controlling von Bosch Mobility Electronics an. „Performance Management und Effizienzsteigerung sind Top-Prioritäten – und machen natürlich auch nicht vor dem Finanzbereich halt“, berichtet Dannenberg. Für ihn gilt es, mittels Digitalisierung die Arbeitsabläufe im Team zu verschlanken und zu automatisieren, um zum einen Kapazitäten für neue Themen zu schaffen und zum anderen auch Personalkosten einzusparen. Laut ihm stehen die Mitarbeiter den Digitalisierungsprojekten gleichwohl positiv gegenüber: Den meisten sei klar, dass sich auch Bosch Mobility Electronics nicht dem Wettbewerbsdruck entziehen könne und es Ansätze brauche, die mit weniger Aufwand zu besseren Lösungen führten, so Dannenberg. IT-Projekte in Finance: Prozesse, Daten, Plattform Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit IT-Projekten ist ein Ansatz entstanden, den Dannenberg unter den Schlagworten „Process – Data – Platform“ propagiert: „Beginne mit dem Prozess, arbeite mit den Daten und skaliere dann mittels einer funktions- und abteilungsübergreifenden Plattform, die all das abbildet und verbindet“, formuliert es der Finanzer. „Um im Finance-Bereich erfolgreich digitale Lösungen einzuführen, müssen wir uns zuerst mit den Prozessen, den Menschen und den Daten auseinandersetzen, bevor wir die Lösung angehen“, erklärt er. Denn: „Ein schlechter analoger Prozess bleibt auch digitalisiert ein schlechter Prozess. Wir müssen daher auch unsere Arbeitsweisen radikal neu denken.“ Damit das gelingt, setzt das Team im Entwicklungsprozess auf das Prinzip der User Experience, kurz UX. Der Ansatz wird seit langem in der Produkt- und Softwareentwicklung angewandt und sollte auch im Bereich der Unternehmensfinanzen noch viel stärker genutzt werden, findet Dannenberg. Dabei wird das Nutzererlebnis in den Vordergrund gestellt, um Prozesse, Strukturen und Software-Tools passgenau zu entwickeln oder zu verbessern. Stärkere Nutzerzentrierung auch bei Finance-Software Die verstärkte Nutzerzentrierung erweist sich dabei für Dannenberg an verschiedenen Stellen als sinnvoll: „Die involvierten UX-Kollegen helfen dabei, das eigentliche Problem zu identifizieren und die daraus abgeleiteten Anforderungen dann in eine Lösung zu übersetzen. Dabei fungieren sie auch als eine Art Dolmetscher zwischen der Fachabteilung und den Datenarchitekten, Data Scientists und Entwicklern.“ Der UX-Ansatz sowie zielorientierte Methoden wie Design Thinking hätten die Anwender und Mitarbeiter im Fokus und ermöglichten zudem einen Perspektivwechsel, um zu verstehen, was die anderen Abteilungen vom Controlling benötigten, um deren Bedürfnisse dann ebenso in die Lösung einzubeziehen. Controlling muss das Stammdaten-Problem angehen Die Datenfrage ist für Dannenberg der zweite erfolgskritische Baustein bei Digitalisierungsprojekten im Controlling: „Wenn wir kein funktionsübergreifendes Datenmodell haben und das leidige Thema der Stammdaten nicht priorisieren, dann wird in Controlling und Finance immer Aufwand für die Datenerfassung nötig sein.“ Hinzu kommt: Strukturierte und standardisierte Daten sind oft die Grundlage für weitere Effizienztreiber wie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Durch diesen verspricht sich Dannenberg weitere Verbesserungen und Prozessverschlankungen, unter anderem bei der Produktkostenkalkulation oder im Forecasting. Wie das Bosch-Controlling Digitalprojekte neu angeht Mittlerweile hat das Team den UX-Ansatz bei einigen Projekten eingesetzt und so unter anderem den manuellen Aufwand im Personalcontrolling um etwa 10 Prozent reduziert. Dazu wurden zunächst Probleme in der Datenerfassung, in den Prozessen und im Berichtswesen identifiziert und dann ein neues Tool geschaffen, das sowohl die HR-Kollegen als auch die Finanzer für ihre jeweiligen Zwecke nutzen können. Noch deutlicher konnte der Aufwand bei der Währungsbilanz reduziert werden. Dank neuer Prozesse und Automatisierungen verkürzte sich die Bearbeitungszeit von zwei Wochen auf zwei Tage – eine Verbesserung von 85 Prozent. „Wir müssen unsere Arbeitsweisen radikal neu denken.“ Matthias Dannenberg, Bosch Die größte Breitenwirkung schreibt Dannenberg aber der Verbesserung eines bestehenden Tools zu: „My Measures“ ist seit rund acht Jahren bei Bosch im Einsatz, um im Performance Management Maßnahmen auf der Top- und der Baseline zu verfolgen. Mobility Electronics hat es vor vier Jahren als Standard eingeführt und vor zwei Jahren dann mit dem neuen Ansatz überarbeitet. Alle Anwender mitdenken, nicht nur die Finance-Mitarbeiter Als größte Division ist das Team von Mobility Electronics in der Bosch-Zentrale der Hauptnutzer von „My Measures“ und daher auch in der Co-Creation aktiv. Das bedeutet: Dannenberg und sein Team sind diejenigen, die als Anwender bei der Weiterentwicklung des Tools aktiv involviert sind. Weil aber viele Personen am Performance Management beteiligt sind und etwa ein Fertigungsingenieur andere Ansprüche an Erfassung, Analyse und Reporting hat als ein Controller, gab es vorab Nutzerworkshops unter Leitung des Finance-Teams, um gemeinsam Probleme und Lösungen zu identifizieren. „Wir sollten ein Tool nicht einfach aus unserer Finance-Sicht entwickeln und dann aus unserer Governance-Funktion heraus für die Organisation vorgeben. Ich will, dass alle Anwender davon überzeugt sind und es nutzen, weil es die beste Lösung für alle ist“, sagt Dannenberg. Es sei wichtig, dass alle Vorteile aus der Lösung ziehen könnten, damit diese dann später auch in der Breite akzeptiert und genutzt werde. Zudem seien andere Abteilungen dann auch bereit, Mehrarbeit zu leisten, beispielsweise zusätzliche Datenpflege zu betreiben – und damit wiederum das Controlling zu entlasten.

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