Man kann den Verantwortlichen des 1. FC Kaiserslautern nicht vorwerfen, sie hätten nicht alle Register gezogen. Sogar Otto Rehhagel, den Meistertrainer von 1998, reaktivierten sie, um die Mitglieder auf ihr Ziel einzuschwören: die Ausgliederung des Profibetriebs aus dem Verein in eine neue Kapitalgesellschaft, die 1. FC Kaiserslautern GmbH & Co. KGaA.
„Ein Schritt in die Moderne, den der Verein gehen muss“ – so beschwor Rehhagel in einem Mitgliederheft die Pläne der Klubbosse. „Das ist ganz wichtig, denn Tradition schießt keine Tore“, so der Altmeister, der in den Neunzigerjahren noch das legendäre Bonmot geprägt hatte „Geld schießt keine Tore“.
Der FCK finanziert die Lizenz „auf Pump“
FCK-Boss Michael Klatt kam Rehhagels neue Einsicht genau recht: „Geld schießt Tore“ war nur der plakativste von zahlreichen Slogans, die der Finanzfachmann bei einer im Juni extra anberaumten Mitgliederversammlung aus dem Hut zauberte. Mit Erfolg: Über 90 Prozent der Anwesenden stimmten für die Ausgliederung.
Wie so oft bei den Roten Teufeln verband sich eine wichtige Managementfrage aber auch diesmal wieder mit viel Pathos, Nostalgie und Träumerei. „Mein Ziel wäre es, in fünf Jahren dort zu stehen, wo jetzt Werder Bremen steht“, erklärte Aufsichtsratsboss Patrick Banf, und das ganz ohne Ironie.
Das wäre solides Bundesligamittelfeld auf der Grundlage guter Finanzen ohne nennenswerte Schulden. Der FCK ist aktuell nichts davon. Sportlich ist der Traditionsverein gerade in die Dritte Liga abgeglitten. Und wirtschaftlich ist die Ausgliederung vermutlich der letzte Strohhalm. Wie die Finanzdaten zeigen, spielt die Klubführung jetzt Alles oder Nichts: Die Lizenz für die anstehende Drittligasaison sei „größtenteils auf Pump“ finanziert, offenbarte Banf bei der Mitgliederversammlung. Mit Fremdkapital habe man eine Finanzlücke von rund 8 Millionen Euro kurzfristig schließen müssen.
„Mein Ziel: In fünf Jahren dort zu stehen, wo jetzt Werder Bremen steht.“
Die stillen Reserven sind erschöpft
Dass das Management diese Finanzierung überhaupt an Land gezogen hat, ist eine Leistung, die Anerkennung verdient. Angesichts der besorgniserregenden finanziellen Verfassung der Roten Teufel fragt man sich jedoch, zu welchen Bedingungen Klatt & Co. jetzt noch so viel frisches Fremdkapital sichern konnten. Klatt schweigt zu den Konditionen und ebenso zu der Frage, ob die Geldgeber im Gegenzug für ihr Engagement bereits Anteile der ausgegliederten Kapitalgesellschaft in Aussicht gestellt bekommen hätten.
Doch diese Information wäre wichtig, um einschätzen zu können, wie viel Tafelsilber der FCK überhaupt noch hat. Vor drei Jahren kaufte der Verein für 2,6 Millionen Euro ein Trainingsgelände von der Stadt zurück. Die dort geplanten und groß angekündigten Investitionen blieben allerdings bislang aus.
Auch im Spielerkader dürften keine nennenswerten stillen Reserven mehr schlummern – vor allem, weil der Klub es verpasste, die meisten Spielerverträge auch für die Dritte Liga auszuhandeln. Die betroffenen Spieler muss der Verein nun ablösefrei ziehen lassen. Allein dadurch sind dem FCK Werte in Höhe von 7 Millionen Euro verloren gegangen, schätzt Sportvorstand Martin Bader. Das ist bitter, schließlich waren es in den zurückliegenden Jahren fast immer Transfererlöse, die dem Management halfen, die Bilanz einigermaßen im Lot zu halten. Nun kann der Traditionsklub bei seinem Versuch, sich in letzter Minute am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, nicht mehr viele Reserven mobilisieren.
Der FCK sucht Investoren mit dem „Vier-Säulen-Modell“
Erb
Vereinsboss Klatt hofft, mit dem Verkauf von Anteilen an der neuen Kapitalgesellschaft einen Betrag in der Größenordnung von 50 Millionen Euro zu generieren. Dieses Geld soll aus allen möglichen Richtungen kommen, oder – wie Klatt es nennt – dem Klub im Zuge eines „Vier-Säulen-Modells“ zufließen: ein Ankerinvestor, stille Gesellschafter, Sponsoren aus der Region und am Ende auch Mitglieder und Fans sollen die Anteile kaufen. All diese möglichen Geldgeber sollen nun angesprochen werden.
Der Vorteil einer solchen gut durchmischten Gesellschafterstruktur liegt auf der Hand: Es gäbe dann keinen dominanten Geldgeber wie etwa Klaus-Michael Kühne beim Hamburger SV, der versuchen könnte, sich einzumischen und von den Verantwortlichen Gehorsam zu verlangen.
Doch was auf den ersten Blick smart klingt – 50 Millionen zu mobilisieren, um die Mannschaft zu verstärken und in die Erste Liga zurückzuführen –, erscheint bei genauerem Hinsehen als ein – vorsichtig formuliert – recht ambitioniertes Vorhaben mit einer Fülle an Fallstricken.
Es geht gar nicht darum, wie es einem Klub, der in den vergangenen zehn Jahren ein katastrophales Missmanagement betrieben hat, gelingen soll, sich mit frischen 50 Millionen Euro von der Dritten Liga in die Bundesliga zu katapultieren. Die zentralen Fragen sind zwei andere: Sind Verkaufserlöse von 50 Millionen Euro überhaupt realistisch? Und welcher Teil davon stünde für Investitionen in den Kader zur Verfügung?
Der FCK muss die 50+1-Regel beachten
Zu Frage 1 drängen sich folgende Überlegungen auf: Der FCK ist ein Verein, der ausweislich seiner Bücher ein negatives Eigenkapital, also mehr Schulden als Vermögenswerte hat – wahrscheinlich auch dann noch, wenn man die für Fußballklubs typischen, beim FCK aber sehr niedrigen „stillen Reserven“ in den Spielerwerten mit einrechnet. Zudem häuft der Traditionsverein im operativen Tagesgeschäft Jahr für Jahr Millionendefizite an, die in der Vergangenheit nur durch den Verkauf von Talenten halbwegs kompensiert wurden.
Welcher Investor soll so ein Unternehmen auf weit mehr als 50 Millionen Euro taxieren und dabei auch noch auf den Durchgriff bei wichtigen Entscheidungen verzichten? Der FCK setzt sich zwar keine Höchstgrenze beim abzugebenden Anteil, muss gleichzeitig aber die 50+1-Regelung beachten.
Das bedeutet im Grunde, dass selbst ein Großinvestor in wichtigen Fragen vom Mutterverein überstimmt werden könnte. Dafür gibt es im „Vier-Säulen-Modell“ eine Organisationsstruktur, mit der man zwar einerseits die Tür für Investoren öffnen, aber gleichzeitig bei Entscheidungen die Stimmenverhältnisse zugunsten des Vereins gewichten möchte.
Der FCK setzt sich keine Höchstgrenze beim abzugebenden Anteil.
Dritte Liga: FCK erwartet Defizit von 5 Millionen Euro
Beim Nachdenken über Frage 2, die möglichen Investitionen in den Kader, landet man unweigerlich bei den Löchern, die mit den frischen Mitteln zunächst gestopft werden müssten, bevor das übrige Geld in neues Personal fließen könnte. Aufsichtsratschef Banf sprach bei der Mitgliederversammlung davon, dass der FCK in der abgelaufenen Zweitligasaison einen Verlust von 2 Millionen Euro eingefahren habe. Für die kommende Saison in der Dritten Liga erwarte man einen Verlust von rund 5 Millionen Euro.
Zudem läuft der FCK auch noch in große Fälligkeiten aus früheren Finanzierungen hinein: Ein 3-Millionen-Euro-Darlehen, das laut Klatt 2016 aufgenommen werden musste, um überhaupt „handlungsfähig“ zu bleiben, gehört ebenso dazu wie eine im August 2019 auslaufende Fananleihe von über 6 Millionen Euro.
Die nächste Deadline ist schon in Sicht
Klatt und Banf wissen, dass die Zeit drängt. Mit der Ausgliederung wolle man „schnellstmöglich Eigenkapital einsammeln“, so lautet das Ziel der Klubführung. Das Geldsammeln soll schnellstmöglich beginnen, aus gutem Grund: Schon im Frühjahr 2019 muss der Klub wieder Liquidität in Millionenhöhe nachweisen, um die Lizenz für die Spielzeit 2019/20 zu erhalten. Und bis dahin muss er auch zwingend eine Lösung für die Rückzahlung der Fananleihe finden.
In der Pfalz geht es also nicht im Entferntesten um ein Aufschließen zu Werder Bremen, sondern um das nackte Überleben. Der FCK braucht kurzfristig mindestens 10 oder besser noch 20 Millionen Euro, alleine um sich zu stabilisieren. Ob danach überhaupt noch genügend Anteile übrig wären, um mit deren Verkauf im großen Stil den Kader aufzupolieren, steht in den Sternen. Auch in der Pfalz steht vor dem Träumen das Hoffen.
Info
Noch mehr Analysen zur Finanzlage anderer Vereine wie Bayern München, Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt finden Sie in unserem Fußballfinanz-Blog „Dritte Halbzeit“.