Als das Coronavirus im Frühjahr über die Wirtschaft hereinbrach, traf das auch jene Unternehmen besonders empfindlich, die gerade den Kapitalmarkt anzapfen wollten: Wie auf Roadshow gehen, wenn persönliche Treffen verboten sind? Vor diesem Dilemma stand auch der Datenbankentwickler Exasol. „Wir hatten Investoren, die sich mit Anfang der Coronakrise weigerten, Videokonferenzen zu machen“, erinnert sich Chief Technology Officer (CTO) Mathias Golombek. Das Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt mitten im IPO-Prozess und wollte eigentlich im Frühjahr an die Börse. „Uns haben im März vermutlich 10 bis 14 Tage zur Beendigung des Börsengangs gefehlt“, so Golombek.
Einen Monat später sah die Welt bereits anders aus und die Interessenten waren plötzlich doch bereit, mit dem Management von der physischen auf die virtuelle Roadshow zu wechseln. „Die Arbeit der Investoren geht ja weiter. Sie müssen ihr Geld weiter investieren und interessante Firmen rauspicken. Damit bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als sich in der Krise der neuen Situation zu öffnen“, so die Erkenntnis des Technikvorstands.
Virtuelle Roadshow bei Exasol: 15 Länder in 11 Tagen
Exasol
Bei Exasol machten sich nun CEO Aron Auld und CTO Mathias Golombek daran, die Investoren virtuell vom Einstieg zu überzeugen. „Die Roadshow war super effizient mit den Zoom-Meetings“, so Golombek. Gemeinsam mit Aron Auld, der als früherer Exasol-CFO auch die Finanzfragen beantworten konnte, kam man auf bis zu 10 Meetings pro Tag, „jeweils zwischen 45 Minuten bis 1 Stunde“.
Am Ende schafften die beiden 70 virtuelle Meetings in elf Tagen plus sieben Konferenzen mit Gruppencalls. In Summe waren das über 110 Investoren aus 15 Ländern und 20 Städten, zählt Golombek auf. Schließlich schaffte das Unternehmen am 25. Mai den Sprung an die Börse: Alle angebotenen Aktien inklusive Mehrzuteilungs- und Aufstockungsoption wurden platziert, was dem Technologieunternehmen knapp 90 Millionen Euro einbrachte.
„Wir waren am Schluss der Meinung, dass wir jetzt noch zwei Wochen weitermachen könnten – nicht wie bei normalen Roadshows, wo man an den letzten Tagen nur noch durchhängt und nicht mehr reden will“, fasst Golombek sein persönliches Argument pro virtuelle Roadshow zusammen. Zudem müsse man nicht in Hotels einchecken und schlafe einfach besser zuhause, meint er. Die gewonnene Zeit könne man mit der Familie verbringen und so Kraft tanken für den nächsten Tag.
Ein weiterer Vorteil sei, dass man sich virtuell nochmals verabreden könne. „Man kann mit interessierten Leuten problemlos noch eine zweite oder dritte Session veranstalten, ohne dafür nach London oder Schweden zu fliegen.“ So hätten beispielsweise Investoren die Möglichkeit genutzt, einen zweiten Call zu tätigen, der nur die Technik von Exasol behandelte.
Wenn der CFO per Slack angefunkt wird
Aus technischer Sicht weiß Golombek nichts Schlechtes über die Videokonferenzen berichten: „Lediglich auf der Investorenseite gab es zweimal Tonprobleme mit Interessenten aus der Schweiz, die sich via Telefon einwählten.“ Als Investor sollte man sich ohnehin optimalerweise über den PC einwählen, da man auf dem Handy nicht wirklich die Präsentation lesen kann. Zudem ist ein stabiles Internet unerlässlich: So saß CEO Aron Auld im Gegensatz zu seinen Vorstandskollegen während dieser wichtigen Tage tatsächlich im Exasol-Büro, da er zuhause nicht über eine entsprechend gute Internetverbindung verfügte, plaudert Golombek aus dem Nähkästchen.
„Die Roadshow war super effizient mit den Zoom-Meetings.“
Der Neu-Experte für virtuelle Roadshows verrät dabei auch seine Insiderkniffe: So wurde CFO Michael Konrad bei speziellen Finanzfragen während der Präsentation über den Instant-Messenger-Dienst Slack angeschrieben, der dann sofort dem CEO die Antworten im Hintergrund zuspielen konnte. Alternativ schaltete man ihn aber auch live dazu, berichtet Golombek. Auch die Möglichkeit, innerhalb von Zoom einzelnen Teilnehmern Nachrichten zu schreiben, wurde genutzt, um die Vertreter der IPO-begleitenden Investmentbank als Timekeeper einzusetzen.
Ein weiterer Vorteil sei, dass man schnell zwischen den Präsentationsfolien springen könne, wenn entsprechende Fragen kommen. Zudem könne man besser auf unvorbereitete Fragen reagieren, indem man beispielsweise im Hintergrund noch nach Daten suchte, die zwar nicht in der Präsentation, aber auf dem Rechner sind. „So etwas spontan hervorzuzaubern, wäre vor Ort schwer möglich gewesen.“
Virtuelle Roadshow: Fehlende Reaktion der Investoren
Pareto Securities
Auch in Oslo fällt es Tarjei Mellin-Olsen schwer, etwas wirklich Negatives über virtuelle Roadshows zu sagen. Er betreute für Pareto Securities den Börsengang des norwegischen Videokonferenz-Anbieters Pexip. Dieser lief im Gegensatz zu Exasol von der Roadshow bis zum Marketing bereits vollständig virtuell ab und erreichte letztlich am 14. Mai ein Platzierungsvolumen von rund 220 Millionen.
Für Tarjei Mellin-Olsen bleibe aber der menschliche Aspekt weiterhin wichtig, der für ihn im Virtuellen etwas verloren gehe. „Man bekommt im Vergleich ein bisschen weniger Reaktion von den Investoren oder es ist schwerer, die Reaktion der Investoren während der Videokonferenz zu bestimmen“, hat er beobachtet. Auch sollten die Kerninvestoren seiner Meinung nach weiterhin auf jeden Fall persönlich getroffen werden.
Allerdings kann er dem Fehlen des persönlichen physischen Treffens auch positive Aspekte abgewinnen: „Manche Investoren merken für sich, dass manchmal der erste Eindruck trügt. Normalerweise haben sie eine Stunde Zeit, sich eine Meinung über das Managementteam zu bilden. Durch Videokonferenzen wird der Fokus nochmal mehr auf die Story und die Performance des Unternehmens gelegt.“
Zudem erreiche die Diversität der Investorenschaft durch virtuelle Roadshows eine neue Dimension, findet Mellin-Olsen. So habe man in den USA nun beispielsweise potenzielle Kapitalgeber aus Salt Lake City oder Arlington in Virgina getroffen, die sonst nicht auf der Liste einer physischen Roadshow gestanden hätten.
Aurubis-CFO Verhoeven findet virtuelle Roadshows gut
Aurubis-Finanzvorstand Rainer Verhoeven ist ebenfalls schon auf virtuelle Tour gegangen und kann dem einiges abgewinnen: „Ich halte virtuelle Roadshows für eine gute Lösung, da man sich viel Zeit spart, die Arbeit aufteilen kann und zwischen den Gesprächen sogar noch einiges in der Firma erledigen kann.“ Gerade in Zeiten des Coronavirus seien die Investoren verunsichert, so der CFO. „Da helfen solche Roadshows sehr, darzustellen, wie es dem Unternehmen aktuell geht.“
Auf Negativaspekte angesprochen fällt ihm spontan eine Sache ein: „Ich finde es schwierig, wenn sich Leute ohne Kamera in ein Gruppen-Meeting einwählen. Wir wissen dann nicht, ob sie angestrengt lauschen oder sich gerade einen Kaffee holen.“ Zudem fehle es ihm in den Gruppenpräsentationen öfters an Feedback. In Zukunft dürfe es seiner Meinung nach eine Mischung geben, da virtuelle Roadshows Zeit, Kosten und Aufwand für alle Beteiligten einsparen.
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