Drei Kandidaten bewerben sich auf der morgigen Gläubigerversammlung der Praktiker-Anleihegläubiger in Saarbrücken um das Amt des gemeinsamen Vertreters (siehe Infobox). Der gemeinsame Vertreter wäre es, der sich beim Praktiker-Management über aktuelle Entwicklungen informiert und die Interessen der Gläubiger, insbesondere der Retailanleger, bündelt und vertritt.
In der Vergangenheit wurden gemeinsame Vertreter häufig erst bestimmt, wenn eine akute Krise dies erforderte – zuletzt etwa bei den Unternehmen Q-Cells oder Pfleiderer. Ganz so dramatisch ist die Lage bei Praktiker zwar noch nicht, aber auch die Gläubiger der 250 Millionen Euro schweren Praktiker-Anleihe sitzen auf hohen Verlusten, möglicherweise steht ihnen im Zuge der Neuordnung der Konzernfinanzen ein Haircut bevor. Das Papier mit 5,875 Prozent Verzinsung und Fälligkeit im Februar 2016 notierte zuletzt um den Wert 60.
In Restrukturierungsverhandlungen könnte ein gemeinsamer Vertreter als Sprecher der Anleihegläubiger auftreten – und damit auch Praktiker-CFO Markus Schürholz und seinen Vorstandskollegen die Arbeit erleichtern. „Wir schätzen, dass die Praktiker-Anleihe zu etwa 75 Prozent von Retail-Investoren gezeichnet wurde. Ein gemeinsamer Vertreter reduziert den Koordinierungsaufwand enorm“, sagt Peter Veranneman von der Deutschen Gesellschaft zur Vertretung von Anleihegläubigern (DGVA), die auch bei der morgigen Wahl zum gemeinsamen Vertreter antritt. Unternehmensbeobachter gehen davon aus, dass die Mehrzahl der Retail-Anleger das Investment in Praktiker aufrecht erhalten hat.
Anleihegläubiger kritisieren Kommunikation
Trotzdem kam der Vorschlag für einen gemeinsamen Vertreter nicht vom Emittenten Praktiker, sondern aus den Reihen der Anleihegläubiger. Alandsbanken Asset Management und VPB Finance, zwei große Gläubiger, hatten das Thema Ende Juli auf die Tagesordnung gebracht. Nachdem eine erste Abstimmung ohne Versammlung das erforderliche Quorum verfehlt hatte, beantragten die beiden Gläubiger eine Gläubigerversammlung.
Einige Anleihegläubiger hätten sich von Praktiker mehr Unterstützung im Vorfeld der Wahl gewünscht. „Die Einladungen dafür hat Praktiker nach mehreren Monaten Wartezeit erst kurz vor den Weihnachtsfeiertagen verschickt. Für die Gläubiger ist es deshalb schwer, sich zu organisieren“, kritisiert Thomas Warnholtz von der DGVA.
Dass die Euphorie für das Thema bei Praktiker nicht so recht aufkommen wollte, mag zum einen daran liegen, dass Praktiker als Emittent den gemeinsamen Vertreter bezahlen muss. Veranneman sieht einen weiteren Aspekt in unternehmensseitigen pauschalen Vorurteilen gegenüber dem gemeinsamen Vertreter. „Es ist wichtig, dass im Vorstand die Erkenntnis reift, dass der gemeinsame Vertreter dem Unternehmen nichts Böses will.“
Gläubigervertreter muss auf Kooperation setzen
Die Praktiker-Finanzabteilung musste in den vergangenen Wochen neben der Gläubigerversammlung auch das Großprojekt Kapitalerhöhung stemmen. Dass die Kapitalerhöhung die Aufmerksamkeit des Praktiker-Managements in den vergangenen Wochen von den Retail-Gläubigern weggelenkt hat, könnte sich nun rächen: „Ein gemeinsamer Vertreter kommt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Aber die Chance, ihn für das Eigenmarketing zu nutzen und das Konzept von Beginn an offen zu unterstützen, hat Praktiker vertan“, urteilt Veranneman.
Ein Unternehmen, das die Anleihegläubiger bei der Wahl eines gemeinsamen Vertreters unterstützt und mit dem Vertreter offen zusammenarbeitet, kann bei den Anlegern mit Transparenz punkten. Das lohnt sich besonders, wenn weitere Kapitalmarkttransaktionen oder Refinanzierungen anstehen. Die Scharte auswetzen kann Praktiker in den nächsten Monaten, schließlichist ein gemeinsamer Vertreter bei der Informationsbeschaffung auf die Hilfe des Managements angewiesen. „Praktiker hat im Bereich Bond Investor Relations zuletzt viel Porzellan zerschlagen“, sagt Warnholtz. „Dies ist eine Chance zur Wiedergutmachung.“
Info
Bei der Gläubigerversammlung am morgigen Mittwoch von 11 Uhr an haben die Anleihegläubiger von Praktiker die Wahl zwischen drei Kandidaten:
Die Gläubiger Alandsbanken Asset Management und FPB haben die Bestellung von Dr. Ingo Scholz zum gemeinsamen Vertreter beantragt. Er ist Partner der Kanzlei Ashurst und war bereits gemeinsamer Vertreter für Anleihegläubiger der Unternehmen Arcandor und Deutsche Nickel.
Der Anleihegläubiger Dr. Karsten Wohlenberg hat den Antrag auf Wahl der DGVA zum gemeinsamen Vertreter gestellt. Sollte sie gewählt werden, will die DGVA mit dem Debt Advisory Team von Leonardo & Co sowie einem Anwaltsteam von Latham & Watkins zusammenarbeiten.
Den dritten Bewerber unterstützt die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Sie nominiert den Rechtsanwalt Dr. Peter Dreier.
Für den Beschluss der Gläubigerversammlung ist kein Quorum erforderlich, ein gemeinsamer Vertreter kann mit der einfachen Mehrheit des bei der Beschlussfassung stimmberechtigten Anleihekapitals bestellt werden.