Spekulationen um seine Verwicklung in die Machenschaften des Bierkartells könnten möglicherweise den Aufstieg des Anfang 2014 amtierenden Oetker-CFOs Albert Christmann bei dem Bielefelder Familienkonzern bremsen. Bereits im Januar hatte das Bundeskartellamt gegen die Brauereien Warsteiner, Krombacher, Bitburger und Veltins Bußgelder wegen Preisabsprachen in den Jahren 2005 bis 2007 verhängt, nun bereitet die Behörde einen zweiten Bußgeldbescheid gegen weitere beteiligte Brauereien vor. Im Visier ist auch Radeberger. Das Unternehmen wurde in der aktiven Zeit des Kartells von Christmann geleitet.
Bislang hatte dieser allerdings jede Beteiligung an den Absprachen von sich gewiesen. Diese Aussagen halten die Ermittler offenbar nicht für glaubwürdig, wie die Wirtschaftswoche unter Verweis auf interne Akten der Behörde, die der Redaktion vorliegen, berichtet. Demnach handele es sich nach Einschätzung der Ermittler um eine reine Schutzbehauptung wenn Christmann im Hinblick auf Treffen der Kartellmitglieder erkläre, „dass es lediglich um die allgemeine Marktentwicklung und Kostensteigerung gegangen sei, die für die nächsten zwei, drei Jahre vorhersehbar waren“, zitiert das Magazin aus den Unterlagen.
Diese Haltung könnte für die Frankfurter Oetker-Tochter Radeberger nun teuer werden: Schon der erste Bußgeldbescheid gegen das Bierkartell war mit insgesamt 106,5 Millionen Euro saftig ausgefallen: Die dort bestraften Brauereien hatten während der Ermittlungen allerdings mit dem Amt kooperiert und waren daher mit niedrigeren Strafen davon gekommen, die ebenfalls involvierte AB InBev war als Kronzeugin am Ende sogar straffrei ausgegangen. Oetker dagegen könnte Medienberichten zufolge nun allein ein Bußgeld von mehr als 100 Millionen Euro drohen. Radeberger wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Man kommentiere grundsätzlich keine Marktgerüchte, teilte eine Sprecherin mit.
CFO Albert Christmann gilt als Wunschkandidat des älteren Erbenstamms
Sollte der Bußgeldbescheid ähnlich hoch ausfallen, dürfte dies Albert Christmanns Stellung als Kronprinz in dem Familienunternehmen gefährden. Christmann, der seine gesamte berufliche Laufbahn bei den Oetkers verbracht hat, gilt als Favorit des Familienstamms um den derzeitigen Gruppenchef Richard Oetker (63) für dessen Nachfolge, wenn er 2016 die interne Altersgrenze von 65 Jahren erreicht. Dieser Familienstamm repräsentiert 62,5 Prozent der Gesellschaftsanteile, die drei Oetker-Kinder aus der letzten Ehe des verstorbenen Firmenpatriarchen Rudolf-August Oetker haben 37,5 Prozent der Anteile. Sie wollen Presseberichten zufolge dagegen mit dem 46-jährigen Alfred Oetker endlich einen Vertreter der jungen Erben-Fraktion an der Spitze des Unternehmen sehen – zumal mit Richard im Jahr 2010 nach dem Abtritt von August, der heute Chef des Beirats ist, erneut ein Erbe aus der fünfköpfigen älteren Generation an die Oetker-Spitze gerückt war.
Aber nicht nur in Personalfragen wird die Gruppe durch den Gesellschafterstreit gelähmt: Denn alle wichtigen Entscheidungen müssen in der Gruppe aber mit einer Zweidrittel-Mehrheit abgesegnet werden – ein Ergebnis, dass bei der aktuellen Konstellation – fünf ältere Vertreter gegen drei jüngere – kaum zu erzielen ist, da die Grundhaltung der Generationen stark voneinander abweicht: Die älteren Geschwister werfen den jüngeren regelmäßig eine Blockadehaltung vor, die jüngeren kontern wiederum damit, dass die Risikobereitschaft der älteren zu hoch sei.
Am meisten Aufsehen hat dabei wohl das „Projekt Hanse“, der geplante Zusammenschluss der Oetker-Reederei Hamburg-Süd mit Hapag Lloyd, erregt: Ein Schiedsgericht sollte klären, ob die Geschäftsleitung die Fusion auch ohne Zustimmung des Beirats beschließen dürfe –die Oetker-Gruppe hätte sie zwar von der äußerst volatilen Schifffahrtsbranche noch stärker abhängig gemacht, andererseits hätte Oetker mit diesem Schritt auch das Problem der Überkapazitäten und niedrigen Frachtraten angehen können. Nun hat Hapag Lloyd mit der chilenischen Reederei CSAV offenbar einen anderen Partner gefunden, was die Bielefelder nicht freuen dürfte.
Oetker: Wer arbeitet die M&A-Agenda ab?
Wachstum steht nun auf der Konzernagenda: der Umsatz von rund 11 Milliarden Euro soll sich in den nächsten Jahren verdoppeln – das zu erreichen, ist der wohl wichtigste Punkt auf der Agenda von Finanzchef Christmann. Ohne Zukäufe in den einzelnen Sparten dürfte diese Vorgabe aber wohl nicht erfüllt werden. Das Problem: Trotz großer Cash-Bestände ist unklar, welches Budget die konservativen Familienmitglieder für M&A-Deals zur Verfügung stellen.
Sollten sich die Vorwürfe der Ermittler gegen Christmann nun bestätigen, dürfte dies seine Rolle bei Oetker schwächen. In jedem Fall könnte es aber schwer werden für die ältere Erbenfraktion, weiter an ihm als ersten familienfremden Chef für die Gruppenleitung festzuhalten.