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Know-how-Schutz: Verträge müssen auf den Prüfstand

Damit das Know-how einer Firma auch geheim bleibt, müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichten. Doch in vielen Verträgen finden sich ungültige Klauseln.
RynioProductions/iStock/Thinkstock/Getty Images

Das Know-how zählt für viele Industrieunternehmen zu den größten Schätzen. Manche Erfindung lässt sich gut durch ein Patent schützen, doch in anderen Bereichen muss das Unternehmen dafür sorgen, dass das Wissen geheim bleibt. Der Schutz von kritischem Know-how wie Rezepturen, Produktionsprozessen, Kundendaten, Businessplänen oder Marketingideen soll künftig EU-weit einheitlich geregelt sein. Die Richtlinie der EU zum Know-how-Schutz steht im November vor der ersten Lesung im EU-Parlament.

Für Unternehmen wird es dadurch leichter, gegen Missbrauch ihres Know-hows vorzugehen – vorausgesetzt, sie haben das Wissen entsprechend geschützt. „In der Praxis ist die Bedeutung des Themas Know-how-Schutz bei vielen Unternehmen zurzeit aber noch nicht auf dem Radar“, beobachtet Sandra Sophia Redeker, Associated Partnerin und Spezialistin für IP-Recht im Berliner Büro der Kanzlei Noerr.

Eine der größten Veränderungen betrifft aus ihrer Sicht den Nachbau von Produkten, das sogenannte Reverse Engineering: Bislang ist es in Deutschland grundsätzlich verboten, komplexe Produkte von Wettbewerbern auseinanderzunehmen, von Spezialisten analysieren und nachbauen zu lassen und anschließend unter eigener Flagge an den Markt zu bringen. Von diesem Rechtsverständnis müssen deutsche Unternehmen sich allerdings verabschieden: Gemäß der neuen EU-Richtlinie soll diese Praxis künftig grundsätzlich erlaubt sein. „Insbesondere im Mittelstand ist dieses Problem vielen Unternehmen noch nicht bewusst“, sagt Redeker.

Know-how-Schutz: Vertrag muss Reverse Engineering ausschließen

Wer nicht möchte, dass die Produkte von Vertragspartnern nachgebaut werden, sollte dies im Vertrag explizit ausschließen. Dafür müssen Unternehmen prüfen, unter welchen Bedingungen sie an ihre Kunden und Zwischenhändler verkaufen und ihnen das Reverse Engineering vertraglich untersagen. Bei einem Verstoß könnten sie dann vor Gericht ziehen und hätten neben der Aussicht auf Schadensersatz auch die Möglichkeit, das mit eigenem Know-how entstandene Konkurrenzprodukt vom Markt nehmen zu lassen.

Im Streitfall müssen Unternehmen künftig vor Gericht zudem beweisen können, dass sie ihre Geschäftsgeheimnisse mit „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ geschützt haben. Grundsätzlich gilt dabei: Je wertvoller das Geschäftsgeheimnis, um so aufwendiger muss auch der Schutz ausfallen, um als angemessen zu gelten.

Einige Standards sollten die Unternehmen immer berücksichtigen: Sie sollten beispielsweise darauf achten, sensible Dokumente nur verschlossen aufzubewahren, ihre PCs vor fremdem Zugriff zu schützen, wichtige Dokumente durch Passwörter abzusichern und Kunden, Zulieferer sowie Arbeitnehmer auf Geheimhaltung zu verpflichten.

Viele Klauseln zur Verschwiegenheit sind ungültig

Die Verträge mit Mitarbeitern sollten Unternehmen in diesem Zusammenhang dringend auf den Prüfstand stellen: Viele sind zwar der Meinung, sie hätten ihre Arbeitnehmer auf Geheimhaltung verpflichtet. Doch oft stehen in den Verträgen pauschale Erklärungen, nach denen sich der Mitarbeiter beispielsweise verpflichtet, „über alle ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten des Betriebes gegenüber jedermann Verschwiegenheit zu bewahren.“

Derlei Klauseln werden Redeker zufolge insbesondere in mittelständischen Unternehmen noch verwendet und stellen ein Risiko dar. „Diese pauschalen Klauseln sind bereits seit Jahren unwirksam und werden deshalb künftig auch nicht als angemessene Geheimhaltungsmaßnahme im Sinne der Richtlinie anerkannt sein“, sagt die Juristin. Unternehmen müssen die Klauseln durch rechtssichere Formulierungen ersetzen, die eine möglichst präzise Beschreibung des Know-hows enthalten sollten, das geschützt werden muss. Dabei müssen sie nicht für jeden Mitarbeiter individuelle Anpassungen treffen. „Man kann Mitarbeiter mit vergleichbaren Profilen in Gruppen bündeln und den Prozess dadurch ein Stück weit standardisieren“, sagt Redeker.

Mindestens ebenso wichtig ist es ihrer Meinung nach jedoch, dass die Geheimhaltung in der Unternehmenspraxis wirklich gelebt wird. Das fängt bei Kleinigkeiten an: „Wenn der Inhalt einer E-Mail vertraulich ist, sollte ich den Vermerk ‚Vertraulich‘ auch in den Betreff schreiben“, sagt die Anwältin. Wenn Unternehmen den Geheimnisschutz ernst nehmen, können sie von dem einheitlichen Know-how-Schutz profitieren. Um eine intensive Überprüfung der Verträge werden sie aber nicht umhinkommen.

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