Keine Kartellstrafen dank einer rechtlichen Umstrukturierung: Die Strategie, mit der Clemens Tönnies mit Unternehmen seiner Zur-Mühlen-Gruppe nach dem Wurstkartell offenbar Erfolg haben könnte, ist bei Melitta nun endgültig gescheitert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Melitta eine Strafe aus dem „Kaffeeröster“-Kartell bezahlen muss, auch wenn das ursprüngliche Unternehmen in der Gruppe nicht mehr existiert.
Das Bundeskartellamt hatte 2009 gegen die Melitta Kaffee GmbH sowie gegen Alois Dallmayr Kaffee und Tchibo wegen Preisabsprachen Bußgelder von insgesamt rund 160 Millionen Euro verhängt. Die Melitta-Gruppe hatte die Melitta Kaffee GmbH danach auf deren Schwestergesellschaft Melitta Europa GmbH & Co. KG verschmolzen. Der Konzern wehrte sich nach der Verschmelzung gegen den Bußgeldbescheid mit dem Argument, dass die Melitta Kaffee GmbH überhaupt nicht mehr existiere.
Allerdings scheiterte Melitta schon vor einem Jahr in der ersten Instanz beim OLG Düsseldorf, dessen Entscheidung der BGH in einem Beschluss bestätigte. Melitta hatte sich offenbar gute Chancen ausgerechnet, da die Umstrukturierung im Jahr 2012 abgeschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnten Unternehmen Bußgeldern häufig noch durch Verschmelzungen oder andere gesellschaftsrechtliche Umbauten entgehen, konkrete gesetzliche Vorgaben dazu gab es noch nicht. Da dem Gesetzgeber diese Praxis bekannt war, änderte er die Vorgaben Mitte 2013 – das Gesetz sagt heute ausdrücklich, dass bei Verschmelzungen das neue Unternehmen als Rechtsnachfolger für Bußgelder haftet.
Melitta haftet trotz Verschmelzung
Obwohl Melitta die Verschmelzung vor der Gesetzesänderung über die Bühne brachte, suchte man bei der Mindener Gruppe eine zusätzliche Absicherung – offensichtlich rechneten die Verantwortlichen angesichts der 2012 bereits laufenden Diskussion um eine Gesetzesänderung mit Schwierigkeiten. Melitta verschmolz daher nicht nur die Melitta Kaffee GmbH, sondern auch die Melitta Haushaltsprodukte GmbH & Co. KG auf Melitta Europa – diese doppelte Verschmelzung hatte die Justiz bis dahin noch nicht beschäftigt.
Für die Gerichte änderte das aber nichts daran, dass die Melitta-Gruppe das Bußgeld weiterhin bezahlen sollte. „Schon bei der Ankündigung der Gesetzesänderung war es relativ wahrscheinlich, dass man mit der normalen Verschmelzung nicht den gewünschten Erfolg haben könnte“, sagt der Kartellrechtler Jens Steger von der Kanzlei Kaye Scholer. Für die Richter zählte die wirtschaftliche Identität des neuen Unternehmens mit der Kartelltäterin: Das Vermögen von Melitta Kaffee war von dem der neuen Gesellschaft faktisch getrennt, der Geschäftsbetrieb inklusive Personalstamm praktisch nicht verändert.
„Bei einem Share Deal haftet der Rechtsnachfolger deshalb fast immer – erst Recht nach der Gesetzesänderung“, sagt Steger. Anders sieht es aber bei einem Asset Deal aus: Wird ein Unternehmen, das an einem Kartell beteiligt war, zerschlagen und als leere Hülle an eine natürliche Person verkauft, gibt es kaum eine Handhabe, von dieser das Bußgeld zu verlangen – so hat es Clemens Tönnies mit seinen Unternehmen Böklunder und Könecke gemacht, Juristen halten die Strategie für erfolgsversprechend.
Asset Deals: Lücke im Gesetz bleibt
Das könnte sich aber bald ändern. Nicht nur das Bundeskartellamt drängt darauf, dass diese Lücke im Gesetz geschlossen wird, auch der BGH hat im aktuellen Beschluss nachgelegt. Steger: „Rechtlich war in dem Beschluss keine Begründung erforderlich. Der BGH hat aber ein paar Aussagen angefügt, in denen er deutlich macht, dass er mit der aktuellen Rechtslage nicht zufrieden ist.“ Der Druck auf die Bundesregierung wächst. Asset Deals zur Haftungsvermeidung dürften damit in nicht allzu ferner Zeit Geschichte sein.