Die Ukraine-Krise schwelt weiter – die russische Führung scheint weiter denn je von einem Einlenken entfernt zu sein: Der Verfall des russischen Rubel ist bislang die sichtbarste Auswirkung der Sanktionen, die die EU und die USA wegen des Ukraine-Konflikts gegen Russland verhängt haben. Henkel, Adidas, Stada, Fuchs Petrolub – zahlreiche deutsche Unternehmen mussten bereits Umsatz- oder Gewinneinbußen hinnehmen.
Die größte Bedrohung für CFOs kommt aber aus dem Zahlungsverkehr: Russische Banken könnten vom Swift-Netz ausgeschlossen werden, über das 10.000 Banken, Institutionen und Unternehmen in 210 Ländern Zahlungsnachrichten austauschen. Das jedenfalls schlagen das EU-Parlament und Großbritannien vor. Setzen sie sich durch, würde dies Unternehmen mit Russland-Geschäft empfindlich treffen.
Denn sollten russische Banken tatsächlich den Zugang zum weltweiten Bankenkommunikationsnetz Swift verlieren, wären sie de facto vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten: Bei grenzüberschreitenden Zahlungen hält der Swift faktisch ein Monopol. „Ein Swift-Ausschluss wäre ein Albtraum“, sagt Wolfgang Bläsi, CFO des in Russland tätigen Milchproduzenten Ekosem Agrar und des Schwesterunternehmens Ekotechnika, das mit Landmaschinen handelt. „Wie soll ich dann Zahlungen in westliche Länder tätigen?“
Swift-Ausschluss legte Zahlungsverkehr mit Iran lahm
Ein Blick auf den Iran, der seit März 2012 von Swift ausgeschlossen ist, zeigt, dass diese Sorge nicht übertrieben ist: Unternehmen können Gelder von iranischen Kunden nur noch über Mittelsmänner erhalten, auch Überweisungen an lokale Lieferanten erfolgen fast ausschließlich auf diesem Weg. Einen geordneten, gesicherten Kanal gibt es nicht mehr, bemängelt Michael Faller, Finanzdirektor bei dem Stahlhändler Primex Steel Trading, der seit 40 Jahren im Iran tätig ist.
Zwar hat die russische Zentralbank Medienberichten zufolge lokale Banken bereits mit dem Aufbau eines eigenen Datenübertragungsnetzwerks beauftragt, doch das muss erst einmal stehen. Außerdem würde es dann wohl auch nur für nationale Zahlungen gelten beziehungsweise für Zahlungen von Konten der russischen Banken, die an das neue Netz angeschlossen sind.
Treasurer ziehen Cash aus Russland ab
Die britische Regierung hatte den Swift-Ausschluss Russlands Ende August in den Umlauf gebracht, war mit dem Vorschlag aber zunächst gescheitert. Nun plädiert aber auch das EU-Parlament in einer jüngst veröffentlichten Resolution dafür, über eine solche Sanktion nachzudenken.
Swift selbst reagiert in einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung empört: Man bedauere den politischen Druck, werde aber deshalb keine einseitigen Entscheidungen treffen und einzelne Institute vom Netzwerk abtrennen, teilte die in Belgien ansässige Organisation mit. Für Swift ist das Thema heikel, da sie als Genossenschaft aufgestellt ist und den Mitgliedsbanken gehört. Zugleich ist die Organisation EU-Recht unterworfen.
Ekosem-Agrar-CFO Bläsi hält einen Swift-Ausschluss Russlands für völlig kontraproduktiv – auch aus Sicht des „Westens“, der dann Probleme haben dürfte, seine Gasrechnungen an Russland zu bezahlen. Die Drohung eines Swift-Ausschlusses steht dennoch im Raum, und sollte Russland im Ukraine-Konflikt nicht einlenken, könnte die EU die nächsten Sanktionsrunde einläuten.
Aus Sorge vor Einschränkungen im Zahlungsverkehr mit Russland haben deutsche Unternehmen bereits begonnen, ihre Liquidität abzuziehen – schließlich wäre auch der Zugang zu ihrem eigenen Cash auf russischen Konten erschwert. „Wir haben unser Cash in Russland zurückgefahren“, sagt Sigurd Dahrendorf von Knorr-Bremse. Geld von außen werde keins mehr hereingepumpt, die Finanzierung erfolge inzwischen rein lokal. Darüber hinaus hat Knorr-Bremse alle konzernweiten Forderungen und Verbindlichkeiten mit dem russischen Partner weitestgehend ausgeglichen. Das Worst-Case-Szenario, nach dem der russische Markt wegen der Sanktionen ganz wegbrechen würde, halten zwar alle von FINANCE befragten Firmen für äußerst unwahrscheinlich – unvorbereitet will jedoch niemand sein.
Info
In Unternehmen mit Russland-Geschäft sind CFOs und Treasurer jetzt auf vielen Ebenen gefordert. Der Zahlungsverkehr ist nur eine Komponente. Wie Unternehmen auf den Rubel-Verfall reagieren und was bei Exportfinanzierungen noch möglich ist, lesen Sie in der nächsten Printausgabe von FINANCE, die am Freitag erscheint.