Der angeschlagene Sangerhausener Fahrradhersteller Mifa beruft den ehemaligen EnBW-Chef Utz Claassen als neues Aufsichtsratsmitglied. Claassen folgt auf Klaus-Dietrich Kramer, der sein Mandat zu Wochenbeginn niedergelegt hatte. Claassen gilt als Vertreter des Großaktionärs Carsten Maschmeyer – beide leben in Hannover. Vor einigen Jahren war Claassen durch ein nur zehn Wochen dauerndes Intermezzo bei Solar Millennium als operativer Manager aufgefallen und in der Folge mit einem jahrelangen Prozess um millionenschwere Abfindungen.
Bei dem Fahrradhersteller aus Sachsen-Anhalt, den im März ein Bilanzskandal eingeholt hatte, soll Claassen als Aufsichtsrat Impulse für die geplante Restrukturierung liefern. Derzeit arbeiten Vorstand und Aufsichtsrat mit Unterstützung von EY ein Sanierungskonzept aus. Der 51-Jährige ist darüber hinaus Aufsichtsratsvorsitzender beim Hannoveraner Syntellix-Konzern und Honorarprofessor an der Universität Hannover.
Mifa: Anleihegläubiger sollen Zinsstundung beschließen
Claassen stößt zu Mifa in einer schwierigen Situation: Infolge des Bilanzskandals steht eine schwierige Restrukturierung auf Eigenkapital- und Fremdkapitalseite bevor. Der neue Großinvestor Hero Cycles hat sein Engagement an Bedingungen geknüpft.
Vom 10. bis zum 13 Juni stimmen die Anleihegläubiger der im August 2013 begebenen Mittelstandsanleihe im Volumen von 25 Millionen Euro, über einen gemeinsamen Vertreter ab. Zudem erhofft sich der Fahrradhersteller, dass die Gläubiger eine Stundung der am 12. August 2014 fälligen Zinsansprüche sowie den vorübergehenden Ausschluss von Kündigungsrechten jeweils bis zum 31. Oktober 2014 beschließen. Weiterhin erwartet Hero Cycles von den Anleihegläubigern einen Haircut in Höhe von 60 bis 80 Prozent des Nennwerts. Die Mittelstandsanleihe notierte entsprechend bei rund 24 Prozent.
Die erste Gläubigerabstimmung findet im Schriftverfahren statt. In der Regel sind diese nicht zustimmungsfähig, da die notwendigen hohen Quoren von Kapitalpräsenz und Zustimmung nicht erreicht werden. Eine zweite Gläubigerversammlung könnte – dann in Präsenzform – rund zwei bis drei Wochen später stattfinden. Während von den Anleihegläubigern hohe Zugeständnisse gefordert werden, ist noch offen, wieviel Verluste die Altaktionäre hinnehmen sollen. Die Diskussionen darüber dürften lebhaft ausfallen.
Ex-Alleinvorstand Peter Wicht vor Aktienverkauf?
Nach der Kapitalerhöhung unter Ausschluss der Altaktionäre sollen die Altaktionäre in einem zweiten Schritt zwei Millionen Aktien an Hero Cycles abgeben. In der Investmentvereinbarung mit Hero Cycles ist bereits festgehalten, wer dies sein könnte. Die Zeichen deuten auf den früheren Alleinvorstand von Mifa Peter Wicht, der sich aus Krankheitsgründen im Frühjahr zurückgezogen hatte.
Gegenüber FINANCE hatte Carsten Maschmeyer, derzeit mit rund 20 Prozent der Anteile größter Mifa-Aktionär, bereits einen Verkauf ausgeschlossen: „Ich werde keine Aktien verkaufen, da ich an die Zukunft des Fahrradmarktes und dieser Zusammenarbeit glaube.“
„Die nicht korrekten Bilanzansätze des Vorratsvermögens innerhalb der vergangenen Geschäftsjahre fallen naturgemäß in die Verantwortung des damals amtierenden Vorstands“, sagte ein Konzernsprecher. Inzwischen ist klar, dass IT-Probleme nicht ursächlich für die falschen Wertansätze der Vorräte in der Bilanz waren, wie Mifa bestätigt. Eine interne Prüfung der Jahreszahlen erstreckt sich auch auf die Jahre der Vergangenheit. Nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2013 und des Abschlusses für das 1. Quartal 2014 ist mit weiteren Informationen zu den Jahresabschlüssen der vorherigen Geschäftsjahre zu rechnen.
Damit erscheint es wahrscheinlich, dass auch die Wertpapierprospekte für die 2013 platzierte Mittelstandsanleihe, aber etwa auch die Kapitalerhöhung von 2012 auf falschen Daten basiert haben könnten.
Info
Lesen Sie mehr über die Hintergründe des Bilanzskandals und die anstehende Sanierung bei Mifa auf unserer Themenseite.