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Green Finance trotzt Corona

Green Finance liegt im Trend. Daran kann auch die Corona-Pandemie nicht rütteln.
Feydzhet Shabanov - stock.adobe.com

Der Bondmarkt lief nach dem Coronavirus-bedingten Stillstand gerade erst wieder richtig an, da platzierte E.on auch gleich einen Green Bond. 750 Millionen Euro sammelte der Energiekonzern im März ein und setzte damit ein Zeichen dafür, dass Grünes in der Krise nicht abgeschrieben ist. „Trotz deutlicher Marktverwerfungen in den letzten Wochen aufgrund von Covid-19 konnte sich E.on attraktive Zinskonditionen sichern“, teilte der Konzern damals mit. Der Kupon lag bei 1 Prozent, das Orderbuch war achtfach überzeichnet. Im Mai legte der Konzern sogar noch mal nach, mit einem 500 Millionen Euro schweren Green Bond, parallel zu 1,5 Milliarden Euro klassischen Bonds.

Die Marktzahlen zeigen, dass E.on nicht allein dasteht: Trotz Corona-Schock ist Green Finance bei CFOs immer noch auf der Agenda. Weltweit wurden laut Daten des Beratungshauses Capmarcon in diesem Jahr bis Ende Juli grüne Finanzierungen über 170 Milliarden Euro abgeschlossen. Das ist mehr als im Vorjahreszeitraum, allerdings hat die Wachstumsdynamik abgenommen. Wie eine Analyse des Beratungshauses zeigt, haben vor allem staatliche Stellen dafür gesorgt, dass das Volumen gestiegen ist. Unternehmen haben dagegen nur unwesentlich mehr über den Green-Finance-Markt eingesammelt als von Januar bis Juli 2019.

Green-Finance-Markt lockt Neulinge an

Trotz des herausfordernden Umfelds haben sich auch Neulinge nicht von ihrem Debüt abhalten lassen. Der Chemiekonzern BASF platzierte beispielsweise im Mai erstmals einen Green Bond. 1 Milliarde Euro nahmen die Ludwigshafener ein. „Mit der ersten Emission einer grünen Anleihe ist das Thema Nachhaltigkeit nun auch fest in der BASF-Finanzierungsstrategie verankert“, kommentierte Finanzchef Hans-Ulrich Engel damals die Transaktion. Auch der Stromnetzbetreiber 50Hertz setzte sein lange angekündigtes Green-Bond-Debüt im Mai um und sammelte so 750 Millionen Euro ein.

Doch nicht nur Green Bonds wurden im Pandemiejahr 2020 platziert. Auch in anderen Finanzierungsformen setzte sich der Nachhaltigkeitstrend fort. Der Automobilzulieferer Schaeffler platzierte im April einen teilweise grünen Schuldschein, von dessen Erlös 300 Millionen Euro zur Refinanzierung von nachhaltigen Projekten verwendet werden.

Bringt Green Finance einen finanziellen Vorteil?

Bringen Green Bonds und Schuldscheine einen Finanzierungsvorteil für Unternehmen?

Viel diskutiert wird am Markt eine Frage: Bringen Green Bonds und Schuldscheine einen Finanzierungsvorteil für die Unternehmen? Henryk Wuppermann, Leiter Corporate Finance bei E.on, hat einen Vergleich aus der Transaktion im Mai, als der Konzern einen Green Bond und herkömmliche Anleihen parallel platzierte. Er sieht seit einiger Zeit durchaus Vorteile bei den grünen Finanzierungen: „Bei dem elfjährigen Green Bond hatten wir mit 110 Basispunkten taggleich denselben Spread fixiert wie für die klassische achtjährige Tranche.“ Zudem zeige aktuell auch die Spreadkurve der fünf grünen E.on-Anleihen am Sekundärmarkt einen deutlichen Vorteil, vor allem am langen Ende, argumentiert der Treasurer.

Offensichtlicher als bei grünen Anleihen und Schuldscheinen ist die Verknüpfung mit den Finanzierungskosten bei den ESG-linked-Transaktionen. Diese Finanzierungsform, bei der die Marge an ein Nachhaltigkeitsrating oder individuell vereinbarte Nachhaltigkeitsziele gekoppelt ist, hat 2019 den deutschen Markt erobert und setzt ihre Verbreitung 2020 weiter fort.

Der Maschinenbauer Dürr, der diese Nachhaltigkeitskomponente als erstes Unternehmen an den Schuldscheinmarkt gebracht hatte, legte mit einem weiteren Papier dieser Art nach. Im März baute der Werkstoffhersteller Covestro eine Koppelung an das ESG-Rating in einen syndizierten Kredit ein. Die VW-Tochter Traton nutzte den Mechanismus sogar im ersten eigenen Konsortialkredit überhaupt. Und auch die Energietechniksparte Siemens Energy nutzte die Komponente kurz vor dem bevorstehenden Spin-off von Siemens bei einem revolvierenden Konsortialkredit. Und das ist nur eine Auswahl der Unternehmen, die in diesem Jahr auf eine Koppelung der Zinsmarge an eine Nachhaltigkeitskomponente setzten.

Mittelstand bei Green Finance zurückhaltend

Doch bei aller Euphorie: Finanzierungsberater Hans-Werner Grunow beobachtet gerade bei mittelständischen Unternehmen in Sachen Green Finance noch viel Trägheit – weil der finanzielle Effekt noch sehr klein ausfalle. „Es gibt viele, die den Mehraufwand von grünen Finanzierungen noch scheuen, weil die Anreize dafür noch nicht groß genug sind“, berichtet er. Bei Green Bonds und Schuldscheinen sei ein Preisvorteil wegen der schwierigen Vergleichbarkeit nur selten valide zu berechnen, bei ESG-linked-Transaktionen fielen die möglichen Vergünstigungen bei Verbesserung der Kennzahlen oft überschaubar aus. „Hinzu kommt, dass die Unternehmen für ihre ESG-Ratings und eine umfassendere Berichterstattung bezahlen müssen und zudem mehr Arbeit haben“, berichtet er. Dazu seien viele noch nicht bereit.

Es ist allerdings abzusehen, dass der Druck auf Unternehmen weiter zunehmen wird, sich in der Finanzabteilung mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Dafür sorgen etwa der European Green Deal und die Taxonomie als Kriterienkatalog für nachhaltige Investments, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden. Der Green Deal umfasst den von der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen vorgeschlagenen Plan, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Die Taxonomie soll dabei helfen, das notwendige Kapital dafür in die richtigen Projekte und Wirtschaftszweige zu leiten.

Für Grunow ist der regulatorische Rahmen zentral für die Weiterentwicklung des Green-Finance-Marktes: „Grüne Finanzierungen sollten immer nur die eigene Nachhaltigkeitsstrategie gegenüber dem Kapitalmarkt sichtbar machen“, so Grunow. „Und eine wirklich nachhaltige Strategie entwickelt die Mehrheit der Unternehmen nur, wenn sie dazu gezwungen ist.“ Es bestünde derzeit immer noch die Gefahr, dass Green-Finance-Produkte vor allem zu Marketing-Zwecken genutzt würden.

Kritik an unzureichenden ESG-Berichte

„Die Qualität der offengelegten Informationen ist noch häufig mangelhaft.“

Michael Diegelmann, Vorstand von Cometis

Eine aktuelle Analyse über die ESG-Berichterstattung bei Dax- und MDax-Unternehmen zeigt ein ähnlich kritisches Bild. Die Kommunikationsagentur Cometis und das Sozial- und Wirtschaftsforschungshaus Kohorten haben die Berichte von 87 Unternehmen aus dem Geschäftsjahr 2018 analysiert. Während einige Unternehmen das Thema sehr ernst nähmen, konstatiert die Analyse Schwächen in der Breite: „Die Qualität der offengelegten Informationen ist immer noch häufig mangelhaft. Die Berichte sind kaum vergleichbar“, lautet das Urteil von Michael Diegelmann, Vorstand von Cometis. „Dadurch entsteht Raum für Verschleierungen und Schönfärbereien.“

Zwar sind laut der Analyse in vielen der untersuchten Unternehmen inzwischen ESG-Strukturen etabliert. Dafür wurden Gremien geschaffen und neue Berichtslinien definiert. Doch die Untersuchung ergab auch, dass ESG „vor allem als Möglichkeit gesehen wird, ein gutes Image aufzubauen“.

Auch wenn ein gutes Image per se nichts Schlechtes ist – der Green-Finance-Markt muss in den nächsten Jahren beweisen, dass er nicht zu Marketing-Zwecken existiert, sondern ein funktionierender Werkzeugkasten ist, um die Transformation zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen voranzutreiben. Die Chancen dafür stehen gut, denn die Gespräche mit Finanzverantwortlichen zeigen deutlich: Kaum etwas ist derzeit so konsensfähig wie der Wunsch danach, die Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Dafür hat auch die Corona-Pandemie Anstöße gegeben. Sie zeigt, dass großer Wandel in kurzer Zeit durchaus möglich ist.

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.