Die Pleiteserie bei den Emittenten von Mittelstandsanleihen hat eine wahre Klageflut geschädigter Anleger heraufbeschworen. Häufiger Angriffspunkt für Anlegerschutzanwälte sind mögliche Fehler in den Anleiheprospekten. Mittlerweile beschäftigen sich Gerichte mit einer ganzen Reihe von solchen Prospekthaftungsfällen. Klagen wurden unter anderem gegen SiC Processing, Solar Millennium und Getgoods eingereicht.
Doch im Fall des insolventen Solarzulieferers SiC Processing mussten die Anleihegläubiger bereits einen empfindlichen Dämpfer hinnehmen. Im Prozess gegen den ehemaligen Geschäftsführer Thomas Heckmann hatte die 10. Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth Anfang Juli bereits während des ersten Verhandlungstages darauf hingewiesen, dass „gegen den beklagten Geschäftsführer keine Ansprüche bestehen“.
Er könne nach Auffassung des Gerichts nicht als Prospektveranlasser angesehen werden, heißt es in einer Mitteilung der Anwaltskanzlei Hermann, Jobe und Partner, die Heckmann vertritt. Zudem bestünden keine „hinreichenden Anhaltspunkte für einen Prospektfehler“, heißt es seitens der Kanzlei weiter.
SiC Processing: Zu positiv im Prospekt beschrieben?
Die Anwälte der Gläubiger schätzen die Lage hingegen ganz anders ein. Zu Jahresbeginn sagte Marc Liebscher, Rechtsanwalt bei der Berliner Kanzlei Dr. Späth & Partner gegenüber FINANCE, dass SiC die wirtschaftliche Situation des norwegischen Hauptkunden REC Wafer Norway im Prospekt viel zu positiv dargestellt habe. „Hierfür haftet Herr Heckmann den Anleihekäufern nach unserer Ansicht als Prospektveranlasser“, hieß es damals bei der Kanzlei.
Ein Grund für die gegensätzliche Einschätzung dürfte der große Spielraum für Auslegungen in Sachen Prospekthaftung sein. Laut Bundesgerichtshof (BGH) unterliegt der Prospekthaftung die Person, die den Anleiheprospekt „erlassen“ hat oder von der er „ausgeht“. Doch auch die Personen, die hinter dem Prospekt stehen, würden laut der Auslegung des BGH der Haftung unterworfen.
Auch in Sachen Prospektfehlern ist der Rahmen für Interpretationen weit gefasst. Ein Prospekt ist laut Grundaussagen des BGH dann fehlerhaft, wenn für die Beurteilung der Anleihen wesentliche Angaben nicht richtig oder nicht vollständig sind. Darüber hinaus muss der Prospekt für den potentiellen Anleihezeichner verständlich sein.
Schlechte Karten für die Gläubiger
Im Fall des Solarzulieferers SiC wird das Urteil voraussichtlich am 26. September verkündet werden. Die Chancen für die Bondgläubiger, die insgesamt 82 Millionen Euro bei der Platzierung im Februar 2011 gezeichnet hatten, stehen momentan jedoch nicht gut. „Eine Klageabweisung ist wahrscheinlich“, heißt es auf Anfrage von FINANCE seitens der Kanzlei Hermann, Jobe und Partner.
Noch völlig offen ist hingegen der Fall Getgoods. Im Juli hatte hier die Kanzlei Dr. Späth & Partner Schadensersatzklagen gegen den ehemaligen Vorstand des im November 2013 in die Insolvenz gegangenen Onlinehändlers eingereicht. „Inzwischen haben sich Anhaltspunkte für Prospekthaftungsansprüche ergeben“, berichtet die Kanzlei. Anleger seien im Verkaufsprospekt nach Ansicht der Kanzlei nicht über alle wesentlichen Punkte informiert worden.
Auch hier heißt es nun abwarten für die Gläubiger. Doch bei aller Unsicherheit steht eines fest: Anwälte haben bereits die nächsten möglichen Fälle für weitere Prospekthaftungsklagen auf dem Radar. Die Kanzlei Dr. Steinhübel Rechtsanwälte aus Tübingen empfiehlt etwa Gläubigern der insolventen Prokon, ihre Ansprüche vom „deliktischen Handeln bis hin zur Prospekthaftung“ prüfen zu lassen. Der Fall SiC könnte eine erste Signalwirkung entfalten.
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