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Kommt ein deutsches „Scheme of Arrangement“?

Die EU-Kommission diskutiert über eine neue Regelung für vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren. Auch in Deutschland macht man sich Gedanken, wie so ein Verfahren aussehen könnte.
artJazz/iStock/Thinkstock/Getty Images

Die EU-Kommission diskutiert aktuell über eine Richtlinie, die einen neuen Rahmen für vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren schaffen soll. Dabei drückt die Kommission aufs Gas. Am 26. Oktober will sie ihr Ergebnis bereits verkünden. Damit überrascht sie die Experten, die erst Ende des Jahres mit einer Entscheidung gerechnet hatten. Die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinie im Anschluss in nationales Recht gießen.

Experten diskutieren deshalb jetzt, wie ein deutsches Format aussehen könnte. Bislang gibt es keine einheitliche Regelung für Verfahren, über die nichtinsolvente Unternehmen ihre Finanzschulden restrukturieren können. Das bekannteste Verfahren dieser Art ist das britische Scheme of Arrangement. Dabei können Unternehmen ihre Schuldenlast bei einzelnen Gläubigern reduzieren, wenn mindestens 75 Prozent der Betroffenen dem zustimmen.

„Einen Eingriff in Forderungen dissentierender Gläubiger, insbesondere einen Verzicht, gibt es im deutschen Recht außerhalb eines Insolvenzverfahrens bislang nicht. Die Ausnahme bilden Anleihen, bei denen dies in den Anleihebedingungen geregelt ist“, erklärt Rechtsanwalt Michael Bremen, der für den Verband der Insolvenzverwalter (VID) an einem deutschen Vorschlag für ein solches Verfahren mitgearbeitet hat. Insgesamt gibt es mehrere Vorschläge, die mit Blick auf ein mögliches deutsches „Scheme of Arrangement“ diskutiert werden.

Deutsches Scheme of Arrangement: Diskussion um Voraussetzungen

Die EU-Kommission fordert solche vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren als Teil ihrer Agenda zur Schaffung einer Kapitalmarktunion. „In Deutschland wäre es möglich, die bestehende Insolvenzordnung entsprechend anzupassen“, so Bremen. Knackpunkt dabei sind die Eintrittsvoraussetzungen für ein solches Verfahren: Man könnte die Regeln des Schutzschirmverfahrens anpassen, wenn die Voraussetzung für ein solches Verfahren die drohende Zahlungsunfähigkeit ist. Dann könnte der Schuldner zwischen dem neuen und den bereits bestehenden Verfahren auswählen. Alternativ könnte ein  vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren den Verfahren nach der Insolvenzordnung vorgelagert werden. Das Verfahren stünde dann nicht mehr zur Verfügung, sobald ein Insolvenzgrund eintritt.

Der aktuelle Vorschlag des VID geht diesen zweiten Weg. Er fordert den Nachweis, dass das Unternehmen noch mindestens sechs Monate lang zahlungsfähig ist. Damit soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen nicht während des Verfahrens in die Insolvenz rutscht.

„Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten müssen allerdings so groß sein, dass der Bestand des Unternehmens mittelfristig in Gefahr ist“, erklärt Bremen. Er warnt davor, dass es ansonsten ein hohes Missbrauchspotential gebe. Mit dieser Regelung grenzt sich der Verband der Insolvenzverwalter deutlich vom britischen „Scheme of Arrangement“ ab. Für dieses Verfahren gibt es keine Eintrittsbedingungen.

Welche Rolle kommt den Gerichten zu?

Im englischen Verfahren wird der Antrag außerdem erst vor ein Gericht gebracht, wenn das Unternehmen sich schon mit der Mehrheit seiner Gläubiger über die Maßnahmen geeinigt hat. Michael Bremen und seine Verbandskollegen sehen das kritisch. „Wir stellen uns vor, dass das Gericht bei Antragstellung eine niedrigschwellige Prüfung vornimmt“, erklärt er.

Nach dem Vorschlag des VID hat das Unternehmen zwei Monate Zeit, um einen Sanierungsplan vorzulegen. „Über diesen Plan stimmen die Gläubiger in Gruppen ab“, so Bremen. Um den Plan anzunehmen, sieht der VID eine qualifizierte Mehrheit von 75 Prozent vor. Damit wäre auch in dem deutschen Verfahren das erreicht, was als großer Vorteil des Scheme of Arrangements gilt. Auch Gläubiger, die den Vorschlag ablehnen, sind an die Entscheidung gebunden, wenn das Gericht die Entscheidung der Gläubiger bestätigt.

Warten auf die EU-Richtlinie

Ob ein deutscher Vorschlag in dieser oder ähnlicher Form umgesetzt werden kann, ist aber noch nicht klar. „Es kommt darauf an, wie die EU-Richtlinie im Detail formuliert ist“, so Bremen. Er hofft, dass die EU-Kommission den Ländern Spielraum für flexible eigene Regelungen lässt.

Wenn die EU-Kommission ihre Richtlinie nicht allzu fest zurrt, dann dürfte es auch nach der Umsetzung noch erhebliche Unterschiede in den Verfahren der einzelnen Länder geben. CFOs sollten also nicht darauf bauen, dass ein deutsches Verfahren so schlank und einfach strukturiert sein wird wie ein britisches „Scheme of Arrangement“.

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.