Eine Schuldverschreibung einprogrammiert in einen sogenannten „Token“. Ein solches ungewöhnliches Finanzierungsinstrument bietet das Berliner Start-up Bitbond seit dem 11. März zum Kauf an. Damit führt das Blockchain-Unternehmen das erste deutsche Security Token Offering (STO) durch. Die „Security“ soll daher kommen, dass ein Wertpapier als Sicherheit hinter den ausgegebenen Token steht. Die Tokens erwerben die Investoren in Euro oder einer Kryptowährung. Später können sie sie an so genannten „Exchanges“, virtuellen Börsen für Security Tokens, handeln.
Für seinen „Krypto-Börsengang“ hat Bitbond den Segen der Finanzaufsicht bekommen. „Die BaFin stellt die üblichen hohen Anforderungen an einen Wertpapierprospekt. Dass das STO von Bitbond genehmigt wurde, ist eine Art Dammbruch. Durch diese Entscheidung ist Deutschland bei STOs europaweit ganz vorne“, ordnet Philipp Sandner, Wirtschaftsprofessor am Blockchain-Center der Frankfurt School of Finance & Management, den Schachzug der BaFin ein. Er glaubt, dass dem Start-up Bitbond, das Unternehmensfinanzierungen via Blockchain vermittelt, in diesem Jahr noch viele weitere STOs folgen werden.
Skandale der ICOs sollen sich nicht wiederholen
Doch die Startvoraussetzungen für die STOs sind nicht einfach. Die Kapitalbeschaffung über die Blockchain hat auch in Deutschland schon für negative Schlagzeilen gesorgt. Mit Blick auf den noch jungen Markt der Initial Coin Offerings (ICOs) machten Wildwest-Analogien die Runde. Ende vergangenen Jahres griff die BaFin ein und stoppte erstmals ein ICO.
„Durch ein moderates Maß an Regulierung und dadurch zu erfüllende Anforderungen wird bei STOs der Löwenanteil der schlechten Projekten herausgefiltert“, hofft Sandner. Für die Zulassung eines STOs müsse ein Startup nicht nur eine solide Geschäftsidee vorweisen, sondern auch schon größer und etablierter sein. Dafür soll schon allein der höhere Aufwand sorgen: „Ein STO durchzuführen, kostet locker einen sechsstelligen Betrag. Einen solchen Kostenblock aufzubringen, schafft typischerweise kein windiges oder unerfahrenes Start-up“, so Sandner.
„Durch ein moderates Maß an Regulierung und dadurch zu erfüllende Anforderungen wird bei STOs der Löwenanteil der schlechten Projekten herausgefiltert.“
Auch auf Seiten der Investoren sollen sich ICOs und STOs voneinander unterscheiden: Während ICOs ihre Investoren meist in der risikofreudigen Krypto-Szene fanden, sind STOs laut Sandner auch etwas für breitere Anlegergruppen. Einzige Voraussetzung: Grundwissen über die Blockchain-Technologie. „Vielen Großinvestoren fehlt jedoch noch der Zugang zur Blockchain-Thematik. An den klassischen Börsen und in klassischen Industrien können sie ihre Risiken besser einschätzen.“ Zudem sind die Pionier-STOs noch sehr klein. Auch die dadurch bedingte fehlende Markttiefe verhindert den Markteintritt größerer Investoren.
Azhos will größere Investoren gewinnen
Deshalb ist die Erschließung dieser neuen Anlegerklasse den STO-Pionieren bisher auch noch nicht gelungen. „Neben kleinen vermögensverwaltenden GmbHs beteiligen sich in Deutschland hauptsächlich Privatpersonen an STOs, meist technikaffine junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren“, erklärt Sandner. In Asien sehe das schon anders aus: „Dort beteiligen sich auch zunehmend erste Fonds und Family Offices.“
„Trotz des Krypto-Winters scheinen sich professionelle Investoren dem Markt der STOs zu öffnen."
Eben solche Investoren will das Liechtensteiner Start-up Azhos bei seinem geplanten STO im Frühjahr gewinnen. „Trotz des Krypto-Winters scheinen sich professionelle Investoren dem Markt der STOs zu öffnen“, glaubt Azhos-CEO Marcel Kuhs beobachtet zu haben. Er umwirbt sie mit bekannten Industriekunden. Das Start-up hat speziell für die chemische Industrie eine Lösung für Supply Chain Finance entwickelt, basierend auf der Blockchain. Die Emission der Security Token soll Azhos in drei Runden 101 Millionen Euro frisches Wachstumskapital bringen.
Liechtenstein als Wegbereiter für STOs
Bei der Vorbereitung des Security Token Offerings fühlt sich Azhos-CEO Kuhs ausgerechnet an dem wenig genutzten Finanzplatz Liechtenstein gut aufgehoben: „Liechtenstein möchte sich als europäisches Tech-Hub etablieren, deswegen erfahren STO-Interessenten dort sehr viel Unterstützung. Die Liechtensteiner Finanzmarktaufsicht nimmt sich mehr Zeit und unterstützt auch bei Fragen zum Wertpapierprospekt.“
Auch das Start-up EdeXa schätzt die kurzen Behördenwege in Liechtenstein. Das STO von EdeXa, das Blockchainlösungen für Industrieunternehmen baut, ist schon im vollen Gange – es soll nach eigenen Angaben eines der ersten in ganz Europa werden. Dabei gibt das erst im Oktober gegründete Unternehmen stimmrechtslose Vorzugsaktien aus. „Stimmrechte sind auf der Blockchain noch nicht rechtssicher abbildbar. Wir wollten aber, dass alles rechtlich abgesichert und von der Finanzaufsicht akzeptiert wird“, sagt Tim Stockschläger, Mitglied des EdeXa-Vorstandes.
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Gegenüber einem Börsengang sieht er einige Vorteile: „Dazu gehören der Handel rund um die Uhr und niedrigere Ordergebühren für die Investoren. Und wir freuen uns über die günstige und technisch einfachere Durchführung.“ Die neuen EdeXa-Investoren werden ihre Token an Partnerbörsen handeln können.
Welche das sein werden, kann das Start-up noch nicht genau sagen. Einer, der wenigen schon bestehenden Handelsplätze, liegt – noch ungewöhnlicher als der Finanzplatz Liechtenstein – im Mittelmeer: die Malta Digital Exchange. Doch bald könnten Security Token auch über eine deutsche Krypto-Börse gehandelt werden. Vor kurzem hat die Deutsche Börse damit begonnen, ein Konzept für einen eigenen Handelsplatz für digitale Vermögenswerte zu entwickeln.
Kerngeschäft auf der Blockchain
Die Gemeinsamkeit der STO-Pioniere Bitbond, EdeXa und Azhos: Die Blockchain ist für sie kein Neuland. Die Start-ups haben ihr Kerngeschäft rund um die Blockchain entwickelt. Sandner sieht dies als wichtigen Hinweis für potentielle STO-Interessenten aus anderen Branchen: „Für Unternehmen, die nichts mit der Blockchain zu tun haben, wäre ein STO Stand heute eine Art „Medienbruch". Das macht ein Offering ohne Blockchain-Bezug aktuell noch schwierig und für die Investoren wenig glaubwürdig.“ Bevor die STOs die engen Grenzen der Blockchain-Community überwinden können, braucht es wohl noch eine deutlich längere Historie gelungener Emissionen – und vor allem eine skandalfreie.