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Zeitenwende im Factoring

Die Goldgräberstimmung in der deutschen Factoringbranche ist vorbei. Viele Anbieter haben sich in den vergangenen Jahren wieder zurückgezogen.
iStock / Thinkstock / Getty Images

Wieder ein gutes Jahr für Factoring: 2011 sind die Umsätze der deutschen Anbieter um fast 19 Prozent auf rund 157 Milliarden Euro gestiegen. Eine kleine Wachstumsdelle gab es allenfalls im schwächeren zweiten Halbjahr, als die Kapitalmärkte allgemein unter dem Eindruck der Euro-Staatsschuldenkrise erstarrten. Auch die Kundenzahlen sind wieder gewachsen – auf weit mehr als 14.000 Nutzer im Mittelstand. Ein Indiz dafür, dass der Verkauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen immer bekannter wird. Aber auch dafür, dass viele Mittelständler den traditionellen Hausbankkredit um ein weiteres Instrument ergänzen wollen – oder müssen. „Diesmal gab es Zuwächse  besonders bei Kleinstunternehmen und bei den Big Tickets, also bei Mittelständlern mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz“, sagt Hauke Kahlcke, Vorstandsmitglied des Deutschen Factoring-Verbands (DVF). Der Verband repräsentiert nach eigenen Angaben rund 90 Prozent des deutschen Marktes. Insgesamt hat das Factoring mit einem Anteil von rund 6 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) eine respektable Größe erreicht. Die Quote liegt zwar noch unter der weiter entwickelter Factoringmärkte wie Großbritannien, doch die starke Steigerung in den 2000er Jahre kam selbst für viele langjährige Branchenkenner überraschend. Der Verband geht davon aus, dass mittelfristig sogar eine zweistellige Factoringquote erreicht werden kann.

Doch die Struktur der Anbieter ändert sich momentan drastisch. Unübersehbar ist der Konsolidierungstrend: Während noch vor wenigen Jahren sehr viele neue Gesellschaften auf den deutschen Markt drängten und es zeitweise eine Art Goldgräberstimmung gab, haben sich viele  Anbieter in den letzten Jahren wieder zurückgezogen. Das lag zum Teil an den Folgen der Finanzkrise, in der sich ausländische Banken und Finanzdienstleister auf ihr Kerngeschäft besinnen mussten und ihre deutschen Aktivitäten einstellten und verkauft haben. Dazu gehörten die britische Lloyds TSB, die RBS Factoring als Teil der Royal Bank of Scotland (RBS) und der angeschlagene US-Mittelstandsfinanzierer CIT.

Kleinere in der Zange

Dramatischer noch sind die Wirkungen für kleine und bankunabhängige Factoringanbieter. Mittlerweile geht die Anzahl der Gesellschaften zurück. Die kleinen werden von zwei Seiten in die Zange genommen. Einerseits gelten seit 2008 härtere aufsichtsrechtliche Regelungen für Factoringgesellschaften: Obwohl sie kein Einlagengeschäft betreiben, müssen sie fast bankähnliche Anforderungen erfüllen. Besonders den kleinen fällt es schwer, weil ihnen oft die schiere Organisationsgröße fehlt.  Für größere, die meistens ohnehin Banktöchter sind, ist es hingegen eher unproblematisch, die Auflagen zu erfüllen. Andererseits ist für viele kleinere die Refinanzierung inzwischen eine echte Herausforderung, denn Banken halten sich immer stärker zurück, unabhängige Factoringgesellschaften zu refinanzieren. Jüngst musste Vantargis, ein Münchener Factoring- und Leasinganbieter, Insolvenz anmelden, nachdem die Conduit-Refinanzierung über die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) weggebrochen war. Vereinzelt kam es 2011 zu Insolvenzen wie etwa bei der Frankfurter Alpha Factoring.

Eine Folge der Konsolidierung: Mittlerweile werden rund 80 Prozent des Factoringvolumens nur von fünf Gesellschaften „gefactort“. Diese Entwicklung werde „eher  noch zunehmen“, heißt es im Jahresbericht des Verbands. Für die Factoringnutzer sind die Auswirkungen der Konsolidierung momentan noch wenig spürbar. Auf Dauer könnte der Trend aber dazu führen, dass die Preise wegen des geringeren Wettbewerbs wieder steigen. Besonders um größere Engagements hatten sich die Anbieter in der Vergangenheit einen fast ruinösen Wettbewerb geleistet. Mittlerweile gibt es vermehrt Zeichen aus dem Markt, dass die Factoringanbieter darauf achten, risikoadjustierte Preise zu verlangen. Gleichzeitig wird auch die herkömmliche Bankkreditvergabe vor dem Hintergrund der stärkeren Regulierung eingeschränkt. Höhere Preise mögen für Mittelständler schmerzhaft sein. Am Ende muss aber auch den Unternehmen an einem gesunden und stabilen Finanzsektor gelegen sein, in dem das Factoring ein kleiner, aber feiner Teil ist.

Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.