Henkel, Lanxess, Continental – die Liste der Konzerne, die in der Finanzierung auf ESG-linked Loans setzen, ist inzwischen recht lang. Im Mittelstand sieht das allerdings ganz anders aus. Dort sind solche Finanzierungsvereinbarungen, bei denen die Zinsmarge an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt ist, oft noch weniger verbreitet.
Stefan Kehr, CFO von Babor, ist einer der wenigen CFOs aus dem Mittelstand, der sich an diesen Markt gewagt und einen solchen Kredit mit der Deutschen Bank abgeschlossen hat. Das Unternehmen macht rund 200 Millionen Euro Umsatz und ist auf die Herstellung von hochwertigen Kosmetikprodukten spezialisiert. Babor ist ein familiengeführtes Unternehmen in dritter Generation. Das Unternehmen mit 700 Mitarbeitern vertreibt nicht nur eine eigene Kosmetikmarke, sondern stellt auch für andere Unternehmen Produkte her. Insgesamt ist Babor in 70 Ländern aktiv, produziert wird ausschließlich in Aachen. Der erste ESG-linked Loan hat ein Volumen von 15 Millionen Euro.
Babor-CFO Stefan Kehr: „Wir prüfen ESG-Ziele einmal pro Jahr“
„Die Kreditmarge ist an ESG-Ziele gekoppelt, die einmal im Jahr von einer unabhängigen Nachhaltigkeitsagentur überprüft werden“, erklärt CFO Kehr. „Der Step-up und Step-down liegt bei solchen Finanzierungslösungen üblicherweise bei zwei bis fünf Basispunkten“, ergänzt Marcus Thiel, Sustainable-Lending-Experte bei der Deutschen Bank.
Konkret heißt das Ziel, das erreicht werden muss, CO2-Reduktion: Babor soll jährlich die CO2-Emissionen senken, bis das Unternehmen schließlich in fünf Jahren die Emissionen um 50 Prozent gesenkt hat. Wird diese Zielmarke erreicht, dann wird das Darlehen günstiger. Wird die Zielmarke nicht erreicht, dann muss Babor einen Betrag an eine Klimaschutzorganisation spenden, die Projekte zur Kompensation von CO2 finanziert.
Nach fünf Jahren werden die Einsparziele neu verhandelt, so sieht es der Kreditvertrag vor. Insgesamt hat der Kredit eine Laufzeit von zehn Jahren.
ESG-KPIs müssen leicht zu messen sein
Der ESG-Kredit ist der erste seiner Art für Babor. Es ist vor allem ein Bauvorhaben, mit dem der Mittelständler seinen CO2-Fußabdruck halbieren will. „Die modernste und nachhaltigste Kosmetikfabrik der Welt“ soll entstehen, die insgesamt 60 Millionen Euro kostet. Die neue Kosmetikfabrik soll ebenfalls in der Region Aachen erbaut werden. Die neue Fabrik wird den Energieeffizienzstandard KfW 40 haben und soll mittelfristig energieautark arbeiten. Auch Wasserstoff soll eingesetzt werden. Neben der innovativen, klimafreundlichen Fabrik kursieren bei Babor Beauty noch weitere Ideen, klimafreundlicher zu werden, zum Beispiel Windbäume, die wie echte Bäume aussehen, aber grüne Sonnenkollektoren haben, die Sonnenstrahlen in Energie umwandeln.
Neben dem ESG-linked Loan flankieren auch noch zwei weitere Finanzierungsbausteine dieses Projekt: Energieeffizienzdarlehen bei zwei weiteren Geschäftsbanken sowie Eigenkapital.
Viel anders seien die Darlehensgespräche für den ESG-linked Loan laut CFO Kehr nicht gewesen. Doch die Deutsche Bank hatte klare Vorstellungen von dem Prozess: „Wenn wir einen Kredit vergeben, der an ESG-Ziele gekoppelt ist, prüfen wir, ob die gesteckten Nachhaltigkeitsziele auch wirklich ambitioniert sind. Voraussetzung auf Unternehmensseite ist, dass die Ziele über die Kreditlaufzeit messbar sind“, erklärt Deutsch-Banker Thiel. Bei Babor war das der Fall, für viele andere Unternehmen sei das aber häufig noch eine Hürde, so der Banker.
Babor hat nach Kehrs Aussage davon profitiert, dass schon mehrere ESG-Standards und -Prozesse eingeführt gewesen seien, anhand derer Nachhaltigkeitskennzahlen gemessen werden können.
Babor hat schon eigene ESG-Prozesse etabliert
So hat das Unternehmen dazu bereits vor zwei Jahren entsprechende Arbeitsabläufe samt eines selbst programmierten Dashboards eingeführt. Babor könne auf Knopfdruck schauen, wann, von wem und wo wie viel CO2 verbraucht wird, erklärt Kehr. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Drucker täglich zählen, wie viel Papier und Tinte verbraucht werden. Zum anderen gibt es auf dem Mitarbeiterparkplatz eine Schranke, die erkennt, welche Mitarbeiter mit dem Auto angereist sind und daraus ebenfalls den Verbrauch misst. „Insgesamt machen Personen und Vorgänge im Unternehmen rund 50 Prozent unseres ökologischen Fußabdrucks aus, der Rest wird während der Produktion erzeugt“, erklärt Kehr.
Das große Ziel ist es, die CO2-Emissionen bis 2025 von 8000 auf 4000 Tonnen zu reduzieren, Verpackungen ohne Kunststoff zu benutzen und auch bei den Rezepturen der Kosmetikartikel komplett auf Mikroplastik zu verzichten.
Hinkt der Mittelstand bei ESG hinterher?
Banker Thiel lobt die „umfassende ESG-Strategie“ seines Kunden Babor, bemängelt aber, dass dies eine Ausnahme sei : „Viele Mittelständler leben zwar schon ESG. Wo es oft hakt ist, dass eine ESG-Strategie auch systematisiert und messbar gemacht werden muss. Insgesamt ist in diesem Bereich aber viel Bewegung, auch getrieben durch neue Reporting-Pflichten“, meint er. Gebremst werde der Mittelstand durch das fehlende Know-how, wie ein ESG-Reporting umgesetzt werden kann.
CFO Kehr bricht eine Lanze für seine Kollegen: „Viele CFOs im Mittelstand überlegen, wie sie das Thema angehen. Immerhin sind die Maßstäbe bei kleineren Unternehmen ganz andere und die Abstimmungswege auch viel kürzer. Mittelständler haben deshalb die Chance, das Thema schnell im eigenen Haus umzusetzen.“
Für solche nachhaltigen Verwendungszwecke hätte Babor auch auf einen Green Loan setzen können. Diese Kredite sind nicht an konkrete ESG-Ziele gekoppelt, müssen aber in nachhaltige Projekte investiert werden. CFO Kehr entschied sich aber für den ESG-linked Loan. „Wir möchten unser nachhaltiges Engagement transparent darstellen und haben den Mut, uns an unseren Zielen messen zu lassen. Darum haben wir uns für den ambitionierten ESG-linked Loan entschieden.“
sarah.backhaus[at]finance-magazin.de
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.