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Bayer muss um Rating bangen

Die Pflanzenschutzsparte sorgt für Unruhe. Was passiert bei hohen Monsanto-Strafzahlungen mit dem Bayer-Rating? Moody’s hat drei Szenarien berechnet.
Bayer

Die Monsanto-Übernahme hat Bayer weiterhin fest im Griff. Der Aktienkurs ist auf Talfahrt, die Mehrheit der Aktionäre verweigerte dem Vorstand auf der jüngsten Hauptversammlung die Entlastung, und der Monsanto-Pflanzenschutzwirkstoff Glyphosat steht unter Verdacht, möglicherweise krebserregend zu sein. Bayer weist dies von sich, doch die Klagewelle rollt: 13.400 Kläger waren es bereits Mitte April. In ersten US-Glyphosat-Prozessen mit großer  Signalwirkung war Bayer vor Gericht unterlegen.

Was rollt da an Strafzahlungen auf Bayer zu? Und aus welchen Mitteln könnten die Leverkusener mögliche Milliardenstrafen begleichen? Die Ratingagentur Moody’s hat drei Szenarien durchgerechnet. In allen dreien würde sich Bayer mit den Glyphosat-Klägern auf einen Vergleich einigen.

Im „Best-Case-Szenario“ käme Bayer noch einigermaßen glimpflich davon: In diesem Szenario unterstellt Moody’s Ausgleichszahlungen von 5 Milliarden Euro, die im Jahr Jahr 2020 fällig würden. Moody’s stützt diese Kalkulation auf die „Baycol“-Verfaren aus dem Jahr 2003, in denen Bayer schon einmal eine Klagewelle in den USA managen musste. Damals erhielten die Betroffenen im Rahmen des Vergleichs jeweils 400.000 Dollar.

5 Milliarden Euro könnte Bayer begleichen, ohne sein Rating zu gefährden. Moody’s unterstellt dabei allerdings, dass die Zahl der Kläger von nun an nicht mehr signifikant ansteigt.

Was kann Bayer durch Verkäufe erlösen?

Eine wichtige Rolle für Bayers finanziellen Spielraum für Vergleichszahlungen spielen potentielle Erlöse aus der Ende 2018 angekündigten Portfoliobereinigung bei Bayer: Das Unternehmen hat eine Marke für Fußpflegeprodukte, eine Marke für Sonnenschutzmittel, die 60-prozentige Beteiligung an dem Chemieparkbetreiber Currenta sowie das Geschäft mit Tierarzneien ins Schaufenster gestellt.

Moody’s unterstellt in seinem ersten Szenario, dass Bayer mit den Verkäufen 8,5 Milliarden Euro erlöst – kein besonders aggressives Szenario, es könnte auch mehr werden – und zudem einen jährlichen Free Cashflow (nach Dividendenzahlungen) von rund 3,1 Milliarden Euro erzielt. Zum Vergleich: Den Free Cashflow für 2018 weist Bayer im Geschäftsbericht mit 4,65 Milliarden Euro aus. Die Dividendenzahlung summiert sich auf rund 2,6 Milliarden Euro. Moody’s geht davon aus, dass Bayer Verkaufserlöse nicht an die Aktionäre ausschüttet und zugleich eine Summe von 2 Milliarden Euro für Investitionen in die Auffrischung der Pharma-Pipeline zurückhält.

In diesem Szenario käme das Rating des Lifescience-Giganten nicht in Gefahr: Der Leverage der von Moody’s berechneten Verschuldung im Verhältnis zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) läge unter dem Faktor 3,0x. Damit würde Bayer die Anforderungen für sein Baa1-Rating noch souverän erfüllen. Moody’s hatte Bayers Baa1-Rating zuletzt bereits mit einem negativen Ausblick versehen. Ein Rating im Bereich Baa ist insgesamt wichtig, denn darunter beginnt bei Moody’s der Non-Investmentgrade-Bereich. 

FINANCE-Köpfe

Wolfgang Nickl, Bayer AG

Wolfgang Nickl startet seine Laufbahn 1992 als Berater und Controller bei dem deutschen IT-Dienstleister Sercon, bevor er 1995 zur Western Digital Corporation wechselt. Für den US-Festplattenhersteller ist er zunächst als Geschäftsplaner in den Niederlanden tätig, im Anschluss als Director Business Solutions in San José im Silicon Valley.

Im Jahr 2000 wechselt Nickl als Finanzvorstand zum US-amerikanischen IT-Unternehmen Converge, kehrt jedoch wenig später zu Western Digital zurück. Acht Jahre lang durchläuft Nickl dort mehrere Positionen im Finanz- und Strategiebereich. Währenddessen erwirbt Nickl 2005 einen MBA-Abschluss von der University of Southern California’s Marshall School of Business. 2010 wird er zum Finanzchef von Western Digital befördert.

Im Dezember 2013 kehrt Nickl nach Europa zurück und wird CFO des niederländischen Chipherstellers ASML. Im September 2017 beruft der Chemie- und Pharmakonzern Bayer, der seinerzeit inmitten der 63 Milliarden Dollar schweren Übernahme des Saatgutspezialisten Monsanto steckt, den damals 48-Jährigen zum CFO. Nickl tritt seine neue Position im Juni 2018 an.

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Bei diesen Szenario fiele das Bayer-Rating

Das zweite Szenario fällt für Bayer schon deutlich ernüchternder aus: Es unterstellt Vergleichszahlungen an Glyphosat-Kläger in Höhe von 20 Milliarden Euro. Diese Summe hat Moody’s aus dem Wertverlust der Aktie seit dem ersten negativen Richterspruch Mitte August 2018 hochgerechnet. Die allermeisten Equity-Analysten kalkulieren derzeit allerdings mit deutlich geringeren Strafsummen, überwiegend liegen die Prognosen im einstelligen Milliardenbereich.

Auch in diesem Szenario unterstellt Moody’s Verkaufserlöse von 8,5 Milliarden Euro. Die Strafzahlungen verteilt die Ratingagentur auf drei Jahre von 2020 bis 2022. In diesem Szenario würde Bayer’s Leverage zwischen 2020 und 2022  über dem Faktor 3,0x liegen – und damit oberhalb der Schwelle für ein Baa1-Rating. Dann müsste Bayer-CFO Wolfgang Nickl um das Investmentgrade-Rating bangen.

Noch schlechter sähe es für Bayer in einem dritten Szenario aus: Dieses unterstellt, dass die Zahlungen von 20 Milliarden Euro allein in den Jahren 2020 und 2021 geleistet werden müssten, Bayer zugleich aber nur Assets im Gegenwert von 5,75 Milliarden Euro verkaufen könnte. In diesem Fall würde der Leverage 2021 sogar einen Faktor von 4,0x erreichen – unvereinbar mit einem Investmentgrade-Rating. Tatsächlich könnte es in einem solchen Negativszenario für Bayer sogar mit einem möglichen Baa2-Rating eng werden.