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Ausländer erobern den Schuldscheinmarkt

Der indische Erdölkonzern Reliance hat am Schuldscheinmarkt gerade 450 Millionen Euro eingesammelt.
zhengzaishuru/iStock/Thinkstock/Getty Images

Diese Finanzierung war eine Ansage: Der Erdöl- und Petrochemiekonzern Reliance Industries – Indiens größtes privatwirtschaftliches Unternehmen – hat kürzlich einen 450 Millionen Euro schweren Schuldschein aufgenommen. Es ist der größte syndizierte Schuldschein, den ein außereuropäisches Unternehmen jemals begeben hat.

Aber wenn es nach der LBBW geht, die die Finanzierung gemeinsam mit der KfW arrangiert hat, soll es nicht der letzte gewesen sein: „Die Reliance-Transaktion war für uns eine Premiere, die sehr erfolgreich lief“, sagt Christoph Zender, Head of Corporate Finance Origination bei der Landesbank. „Nun wollen wir weitere asiatische Unternehmen an den Schuldscheinmarkt begleiten.“ Das Interesse sei groß, weitere Emissionen bereits in der Vorbereitung.

Das Zinsniveau lockt Ausländer nach Deutschland

Dass ausländische Unternehmen den Schuldscheinmarkt anzapfen, ist nicht neu. Französische, niederländische und belgische Emittenten haben die Vorzüge des einst typisch deutschen Finanzierungsinstruments schon vor Jahren für sich entdeckt. Doch bis dato waren die deutschen Emittenten stets in der Überzahl.

In diesem Jahr ist das erstmals anders: „Gemessen an der Stückzahl machen ausländische Darlehensnehmer in diesem Jahr die Hälfte der Transaktionen aus“, sagt Zender. In den vergangenen beiden Jahren waren die ausländischen Unternehmen nur auf ein gutes Drittel gekommen.

Dem LBBW-Banker zufolge hat das steigende Interesse gerade außereuropäischer Firmen am deutschen Schuldscheinmarkt handfeste Gründe: „Viele ausländische Unternehmen suchen derzeit nach Möglichkeiten, ihre Finanzierungsquellen zu diversifizieren.“ Das gelte sowohl produktseitig als auch regional – da liege der Euro-Markt aufgrund des aktuellen Zinsniveaus nahe. „Und da bietet sich der Schuldschein als privates Instrument als erster Schritt in die Euro-Welt an.“

Banken suchen neuen Erlösquellen im Schuldschein

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es auch die Banken sind, die die Internationalisierung des Schuldscheins aktiv vorantreiben. Aus ihrer Sicht ist das verständlich, schließlich eröffnen sich dadurch neue Geschäftschancen für die arrangierenden Häuser.

Das ist auch deshalb nötig, weil deutsche Unternehmen bei der Platzierung inzwischen verstärkt auf digitale Plattformen zurückgreifen. Manche – wie beispielsweise der Mainzer Spezialglashersteller Schott – begeben ihre Papiere dort sogar komplett in Eigenregie. Auf die Bank als Intermediär verzichten sie dabei und sparen sich so Gebühren. Ausländische Unternehmen, die den Markt zum ersten Mal anzapfen, kommen dagegen in der Regel nicht ohne Arrangeur und Berater aus.

Ausländische Emittenten sind schwerer zu bewerten

Aus Marktsicht birgt die Öffnung für außereuropäische Unternehmen jedoch auch Risiken. So dürfte es sowohl den arrangierenden Banken als auch den Investoren schwer fallen, die Bonität von ausländischen Emittenten zu bewerten, die nach anderen Standards bilanzieren und anderen Veröffentlichungspflichten unterliegen.

Gerade für kleine Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die zu den aktivsten Käufern von Schuldscheinen zählen, dürfte die Risikobewertung kaum darstellbar sein. Damit steigt die Gefahr, dass die Qualität des Segments verwässert – just zu einer Zeit, in der die Risiken durch eine konjunkturelle Abschwächung ohnehin wachsen. 

„Wir machen eine klare Bonitätsauslese bei den Darlehensnehmern.“

Christoph Zender, Schuldscheinexperte, LBBW

„Wir nehmen diese Sorgen ernst“, beteuert LBBW-Banker Zender. „Deshalb machen wir eine klare Bonitätsauslese bei den Darlehensnehmern.“ Dafür habe die Landesbank selbst Knowhow aufgebaut. Man arbeite aber auch mit Rechtsberatern zusammen, die sich im asiatischen Raum gut auskennen. Und noch einen weiteren Punkt ergänzt Zender: „Wir achten bei der Auswahl potentieller Darlehensnehmer darauf, dass Unternehmen börsennotiert sind und daher gewissen Veröffentlichungspflichten unterliegen.“

Auch die Einschätzungen von Ratingagenturen spielen eine wichtige Rolle. „Ausländische Unternehmen, die einen Schuldschein begeben wollen, sollten über ein externes Rating verfügen“, findet Zender. Der indische Konzern Reliance Industries wird von S&P mit BBB+ und von Moody’s mit Baa2 bewertet. Auf Investorenseite wiederum würden vor allem professionelle Auslandsbanken in die Papiere ausländischer Emittenten investieren.

Die Sicht der Stuttgarter Landesbank auf den von ihr als Marktführer geprägten Markt ist Zender zufolge klar: „Der Schuldschein ist und bleibt ein Ort für Investment-Grade-Adressen.“ Die LBBW habe auch bereits Anfragen von interessierten Unternehmen abgelehnt – wie viele, will der Banker allerdings nicht verraten.

desiree.backhaus[at]finance-magazin.de