Im Sommer 2023 gelang es Görtz, sich aus dem Schutzschirmverfahren zu befreien. Damals stieg die Wiener CK Technology Solutions bei dem 1875 gegründeten Hamburger Traditionsunternehmen ein. Wenige Monate später eröffnete die Schuh- und Lederhandelskette eine neue Filiale in Oldenburg – doch ein wirklicher Neustart gelang offenbar nicht.
Am Montag läutete das Amtsgericht Hamburg ein Insolvenzverfahren über die Teilgesellschaft Görtz Retail GmbH ein – es ist bereits das zweite Mal. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte das Gericht den Rechtsanwalt Gideon Böhm von der Kanzlei Münzel & Böhm. Die Insolvenz geht auf die Anträge von vier Gläubigern zurück, meldete die Dpa.
CFO verließ Görtz im September 2023
Hinter dem Investor CK Technology Solutions steht der Unternehmer Bolko Kissling. Der Beschluss des Gerichts weist ihn auch aktuell als alleinigen Geschäftsführer von Görtz Retail aus. Einen Finanzchef hat das Unternehmen in der Geschäftsleitung schon länger nicht mehr. Denn in der Folge von Kisslings Einstieg 2023 verließen der damalige CEO Frank Revermann und der CFO Tobias Volgmann den Schuhhändler. Aus Volgmanns Linkedin-Profil ist ersichtlich, dass er seit Januar 2024 in Fürth bei Onlineprinters als CFO tätig ist.
Kissling plante bei seinem Start im Sommer 2023 für 2024 mit einem Umsatz von 50 Millionen Euro und sah „ein negatives Ergebnis auf niedrigem Niveau“ vor. Das „Hamburger Abendblatt“ berichtete allerdings bereits im Dezember 2024, dass Vermieter an sechs Hamburger Standorten ab August wegen Mietrückständen Räumungsklagen angestoßen hatten.
Görtz zählt noch 45 Filialen
Görtz erklärte Ende vergangenen Jahres, das Unternehmen führe Gespräch mit allen Vermietern und verfolge die Strategie, Teilflächen aufzugeben und neue Flächen anzumieten. Auch die Mietpreise müssten stimmen. Aktuell beziffert Görtz die Anzahl der Filialen auf 45. Sie liegen überwiegend in Deutschland, sechs befinden sich in Österreich.
In der vorangegangenen Insolvenz 2022/23 durchliefen die Unternehmensteile unterschiedliche Verfahren. Die Muttergesellschaft Ludwig Görtz GmbH ging in ein Schutzschirmverfahren, in dem Sebastian Knapp von PwC Legal als Generalbevollmächtigter tätig war.
Die Görtz Retail GmbH und die Görtz Logistik GmbH stellten damals jeweils Eigenverwaltungsanträge, Lorenzo Matthaei und Robert Jödicke von der Kanzlei Finkenhof waren für die beiden Töchter als Generalbevollmächtigte am Ball. Zum Sachwalter bestellte das Amtsgericht Hamburg in diesen Sanierungsverfahren Sven-Holger Undritz von der Kanzlei White & Case.
Raphael Arnold ist Redakteur bei FINANCE. Er studierte in Gießen und Alexandria (Ägypten) Geschichte, Geografie und Arabisch. Schon vor und während des Studiums schrieb er für verschiedene Tageszeitungen. Bei den Nürnberger Nachrichten absolvierte er ein Volontariat und arbeitete im Anschluss in deren Wirtschaftsredaktion. Danach war er über 13 Jahre für den US-Investment News Service OTR Global als Researcher und Projektmanager tätig. Beim Juve Verlag verantwortete er bis Oktober 2024 knapp acht Jahre lang die Österreich-Publikationen.
