Für Webasto tickt die Uhr

Die Lage bei dem Automobilzulieferer Webasto spitzt sich immer weiter zu. Das Unternehmen aus Stockdorf bei München muss sich restrukturieren und steht dabei ordentlich unter Zeitdruck. Ende Mai läuft eine Stabilisierungsvereinbarung mit den Gläubigern aus. Diese wurde kurz vor Weihnachten mit den Kernbanken, Schuldscheingläubigern und bilateralen Finanziers getroffen. Womöglich müssen die Gläubiger weiter verlängern. Denn dass der Zulieferer in dieser kurzen Zeit eine tragfähige Lösung präsentiert, ist laut FINANCE-Informationen im Moment unklar. Immerhin berichtet ein Insider, dass ein Finanzierungskonzept vorliege und sich das Management rund um CFO Jörg Bremer, den neuen CEO Jörg Buchheim und Restrukturierer Johann Stohner derzeit mitten in der Verhandlung mit den Gläubigern befinde. Das Konzept sehe vor, dass eine Durchfinanzierung für 2028 konsensual vereinbart werden solle. Bis dahin sollen die Gläubiger ihre Finanzierung verlängern und die Sanierung abgeschlossen werden. Zudem würde Webasto als Absicherung ein Finanzierungsbedarf von maximal 200 Millionen Euro ausreichen. Bis das Ganze in trockenen Tüchern ist, könnte es allerdings noch dauern. Webastos Kapitalbedarf ist ungewiss Insgesamt wies der Hersteller von Autodächern, Heiz- und Kühllösungen sowie Batteriesystemen im Jahresabschluss 2023 kurz- und langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von fast 1 Milliarde Euro aus. Die Banken haben bei Webasto einen Konsortialkredit in Höhe von 681 Millionen Euro im Feuer. Dieser wird im September 2026 fällig. Laut einem Bericht von Bloomberg gehören zu den finanzierenden Banken unter anderem BayernLB und Unicredit. Laut FINANCE-Informationen gehört auch die DZ Bank dazu. Zudem hat der Zulieferer Schuldscheine mit einem Volumen von rund 100 Millionen Euro auf dem Markt, die teilweise schon im Dezember vergangenen Jahres fällig wurden. Das Finanzierungskonzept könnte jedoch auf wackligen Beinen stehen. Die Summe für den weiteren Restrukturierungsbedarf deckt sich nicht mit FINANCE-Informationen. Aus Branchenkreisen ist zu hören, dass Webasto sogar wesentlich mehr Cash gebrauchen könnte als die besagten 200 Millionen Euro. Die Rede ist von mindestens einer halben Milliarde Euro. So sollen die 200 Millionen Euro aus einem älteren Gutachten von McKinsey stammen, das laut FINANCE-Informationen Webasto berät. Ein aktuelleres Gutachten, das PwC erstellt haben soll, hätte einen Bedarf von 500 Millionen Euro identifiziert. Webasto wollte dies gegenüber FINANCE nicht kommentieren. „Eine Lücke von 500 Millionen Euro wird schwierig zu schließen.“ eine mit dem Unternehmen vertraute Person Sollte sich doch ein höherer Bedarf herausstellen, besteht die Gefahr, dass die Gläubiger die Vereinbarung nicht annehmen. „Eine Lücke von 500 Millionen Euro wird schwierig zu schließen. Das könnte zu einem echten Problem werden“, so eine mit dem Unternehmen vertraute Person. „Wenn man auf die jetzige Verschuldung nochmal 500 Millionen Euro draufrechnet, wird es schwer, eine Sanierung bis Ende 2028 zu bescheinigen.“ Autozulieferer braucht frisches Kapital Laut FINANCE-Informationen ist die Investmentbank Rothschild als Financial Advisor damit beauftragt, frisches Fremd- oder Eigenkapital einzusammeln. Die Eigentümerfamilien Baier und Mey könnten weiteres Geld nachschießen. Auch bestehe die Option, dass ein neuer Investor einspringe, heißt es aus Beobachterkreisen. Doch beides gestalte sich schwierig. Die Eigentümer seien „definitiv nicht willens“, frisches Geld bereitzustellen. Auch die Suche nach einem neuen Investor in der aktuellen Situation soll herausfordernd sein, will ein Unternehmenskenner wissen, der anonym bleiben möchte: „Immer weniger Investoren zeigen Interesse.“ Zu dem finanziellen Aspekt kommen noch interne Herausforderungen hinzu. Laut FINANCE-Recherchen herrscht intern eine „extrem angespannte Stimmung“, wie eine mit dem Unternehmen vertraute Person berichtet. Grund dafür sollen zwei Seiten im Unternehmen sein, die jeweils um die Entscheidungsgewalt bei Webasto kämpfen sollen. Mehr zum Thema Webasto: Entbrennt ein Machtkampf zwischen CRO Stohner und McKinsey? Webasto steckt in einer tiefen Krise. Interne Machtkämpfe, die Rolle von McKinsey und eine benötigte Finanzspritze werfen Fragen über die Zukunft des Automobilzulieferers auf. Mehr lesen Auf der einen Seite wäre da CRO Johann Stohner, der seit Januar im Amt ist und das Vertrauen der Banken genießen soll. Dafür sehen ihn offenbar die Eigentümerfamilien Baier und Mey kritisch. Diese wiederum stützen den seit März amtierenden CEO Jörg Buchheim und ein McKinsey-Beratungsteam um Partner Timo Kamp. Mit dem McKinsey-Mann auf ihrer Seite wollen die beiden Familienstämme offenbar ihre Position bei Entscheidungen innerhalb des Unternehmens stärken. So wird in Branchenkreisen gemunkelt, dass die Beratungsgesellschaft McKinsey sich bei Webasto „breitmachen“ wolle. Weder Webasto noch McKinsey wollten sich auf FINANCE-Anfrage dazu äußern. Nervosität auf Bankenseite steigt Gerade die Banken sollen die Situation offenbar mit wachsender Nervosität beobachten. „Die Restrukturierung scheint weiterhin unter erheblichem Druck zu stehen“, so eine mit dem Unternehmen vertraute Person. Im Zuge der komplizierten Gemengelage soll wohl eine weitere größere Beratungsgesellschaft ins Boot geholt werden. Jetzt noch eine weitere Beratung hinzuziehen, sei laut einem Unternehmenskenner „ein eher ungewöhnlicher Schritt, der auf fehlendes Vertrauen, zunehmende Komplexität und Unruhe im Prozess schließen lässt“. Offenbar seien die Turbulenzen nicht vollständig unter Kontrolle, auch weil zur ursprünglichen Stakeholder-Krise externe Schocks wie Marktverwerfungen in Asien hinzugekommen seien. Stand Mitte Mai sollen verschiedene Häuser bereits gepitcht haben. Wer das Rennen gemacht hat, ist noch nicht bekannt. Webasto kommentierte das auf FINANCE-Anfrage nicht. Um sich neben den bestehenden Beratern behaupten zu können, wird vermutet, dass ein großes Haus zum Zuge gekommen sein könnte. FINANCE Köpfe Jörg Bremer Webasto SE Mehr lesen Webasto: War CEO Buchheim die richtige Wahl? Neben dem möglichen neuen Beraterteam gibt es an der Spitze von Webasto seit März auch einen neuen CEO. Auf den langjährigen Vorstandschef Holger Engelmann folgte Jörg Buchheim. Die Berufung von Buchheim war in Branchenkreisen zwar ein deutliches Zeichen für einen Kurswechsel. Gleichwohl hat die Personalie auch einige überrascht. „Interessant ist in diesem Kontext sein angeblicher erfolgreicher Track Record als Sanierer und seine enge Verbindung zu McKinsey“, heißt es aus Branchenkreisen. Buchheim soll keine Restrukturierungserfahrung in einer vergleichbaren Größe haben. Er habe zwar eine Restrukturierung bei seinem vorherigen Arbeitgeber Kongsberg Automotive durchgeführt, doch diese soll nicht die erwartete Performance gebracht haben. Interessant: Bei Kongsberg soll er laut FINANCE-Informationen dabei von McKinsey beraten worden sein. McKinsey soll damals ein Honorar von über 10 Millionen Euro bekommen haben. Auf FINANCE-Nachfrage wollte McKinsey das nicht kommentieren. Geldsorgen, ängstliche Banken, Reibereien im Management. So viel ist sicher, bei Webasto bleibt es aufregend – und die Zeit rennt.

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