In der Industrie steigen Unternehmensschließungen an
Die mittelständische Industrie steckt in der Krise. Das zeigt eine Auswertung des Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Zusammenarbeit mit Creditreform. 2023 sind demnach in Deutschland rund 176.000 Unternehmen geschlossen worden. Doch lediglich 11 Prozent der Schließungen sind Folge einer Insolvenz gewesen. Gegenüber 2022 bedeutet das einen Anstieg von 2,3 Prozent – über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg.
So wurden im Vorjahr rund 37.000 Handelsunternehmen geschlossen, im Bereich der konsumnahen Dienstleistungen gaben circa 51.000 Unternehmen den Geschäftsbetrieb auf. Im Vergleich zu 2022 ist der Trend im Handel (-0,8 Prozent) und bei konsumnahen Dienstleistungen (-0,5 Prozent) leicht rückläufig.
Im Baugewerbe hat die Zahl der Schließungen jedoch zugenommen und erhöhte sich um 2,4 Prozent auf 20.000 Unternehmen – im verarbeitenden Gewerbe um 8,7 Prozent auf 11.000 Schließungen. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2004. Insbesondere die forschungsintensiven Wirtschaftszweige im verarbeitenden Gewerbe sind stark betroffen: Hier stellten 12,3 Prozent mehr den Betrieb ein.
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Für ihre Untersuchung greifen die ZEW-Ökonomen auf das Mannheimer Unternehmenspanel zu. Es basiert auf der Unternehmensdatenbank von Creditreform und ist die umfangreichste Datenbasis zur Gesamtheit der Unternehmen in Deutschland.
Ergebniseinbrüche bleiben der größte Krisentreiber
So manchen Unternehmensschließungen geht eine Restrukturierung voraus und auch von diesen gibt es wieder mehr. Das zeigt eine im März und April 2024 durchgeführte Umfrage der Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland unter Restrukturierern.
Besonders alarmierend: Bei der Krisenbewältigung verzeichnen die Experten kaum Besserung. Weiterhin haben zwei Drittel der krisenanfälligen Unternehmen keine entsprechenden Maßnahmen umgesetzt. Der Anteil derjenigen, die zumindest Maßnahmen definiert haben, ist leicht gestiegen. Die größten Probleme bereiten den Unternehmen weiterhin Ergebniseinbrüche, gefolgt von Liquiditätsproblemen.
„Trotz des akuten Krisenumfelds sind die Unternehmen bisweilen zu zögerlich bei der Ergreifung wirksamer Maßnahmen“, mahnt TMA-Mitglied und AlixPartners-Co-Head der Restrukturierungspraxis in DACH, Rainer Bizenberger. Unternehmen reagieren auf Krisenursachen im Wesentlichen mit operativen Maßnahmen und Optimierungen. Eher wenige planen eine ganzheitliche Transformation, Portfolioanpassung oder Restrukturierung.
BBL gewinnt Schultze & Braun-Team für neuen Standort
Die Restrukturierungskanzlei BBL Brockdorff hat zum Juni einen neuen Standort in Augsburg eröffnet. Dafür ist ein fünfköpfiges Mitarbeiterteam von Wettbewerber Schultze & Braun um Rechtsanwalt Constantin Graf Salm-Hoogstraeten zu BBL gewechselt.
Der Insolvenzrechtler wird als Local Partner unter der Verantwortung von BBL-Partner Florian Linkert den neuen Standort leiten und diesen auch bei der Führung des Münchener Standortes unterstützen.
Wohninvest gerät ins Wanken
Das Immobilienunternehmen Wohninvest muss für einzelne Gesellschaften Insolvenz beantragen. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Ilkin Bananyarli (Pluta) bestellt. Aktuell prüft Bananyarli, ob und unter welchen Voraussetzungen die Immobilienprojekte fortgeführt werden können.
Die Gruppe erklärt, dass sie seit mehr als drei Jahren fast vollständig vom Kapitalmarkt abgeschnitten sei. Grund hierfür seien Ermittlungen und der Prozess gegen den Eigentümer, die vor vier Wochen mit einer Einstellung des Verfahrens gegen Auflage zur Zahlung an karitative Zwecke beendet wurden. Die Auswirkungen für die Gruppe seien dramatisch: Viele Projekte konnten dadurch nicht umgesetzt oder fortgeführt werden. Hinzu komme das massiv veränderte Geschäftsumfeld. Derzeit werde die Gruppe nach eigenen Angaben mit Forderungen im dreistelligen Millionenbereich konfrontiert. Grund hierfür sei die Insolvenz von Schuldnern und Geschäftspartnern.
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Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren
Verzögerungen bei Projekten sowie Preis- und Lohnsteigerungen haben den Glasfaserspezialisten Soli Infratechnik in die Krise gestürzt. Nun musste das Unternehmen, das von Deutsche Telekom, Deutsche Glasfaser und Deutsche Giganetz Aufträge erhält, Insolvenz anmelden. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Silvio Höfer (Anchor) bestellt. Höfer plant derzeit Gespräche mit möglichen Investoren.
Nach einem Sanierungsversuch meldet die Wohnungsbau-Genossenschaft Maro schließlich ein Regelinsolvenzverfahren an. Als Grund für diesen Schritt beschreibt Insolvenzverwalter Ivo-Meinert Willrodt (Pluta) den hohen zeitlichen Druck, der auf allen Beteiligten liege, da ein langfristig tragfähiger Insolvenzplan nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnte. Man wolle Maro weiterhin zum Großteil erhalten.
Der Umsatz blieb hinter den Erwartungen zurück, woraufhin sich der Sanitärgroßhändler Sanitop-Wingenroth bereits vor Zahlungsunfähigkeit für ein Insolvenzverfahren entschieden hat. Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde Stephan Michels (Michels Vorast) bestimmt. Grund für den Umsatzrückgang sei die allgemeine Wirtschaftslage sowie individuelle Entwicklungen im Baumarktbereich und der Wohnungswirtschaft.
Distressed M&A
Die Gießereigruppe Dihag Integrated Foundry Group wird die insolvente Eisenwerk Hasenclever & Sohn übernehmen. Hasenclever & Sohn fertigt aktuell mit rund 840 Beschäftigten hochtemperaturfeste Abgaskomponenten für die Automobilbranche. Im November 2023 musste das Unternehmen aufgrund starker Nachfrageschwankungen Insolvenz anmelden. Dihag tritt mit diesem Distressed-M&A-Deal in die Automobilbranche ein. Bislang beliefert das in Deutschland, Polen und Ungarn tätige Unternehmen ausschließlich Schienenverkehr, Windenergie, Anlagen- und Maschinenbau, Baumaschinen, Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie sowie Landmaschinen mit ihren Gussprodukten. Insolvenzverwalter Martin Mucha (Grub Brugger) konnte bei dem Deal alle Arbeitsplätze sichern.
Das Bekleidungsunternehmen Leineweber, das hinter der Marke Brax steht, übernimmt zum August den Outdoorspezialisten Fuchs & Schmitt. Im Rahmen einer laufenden Umstrukturierung mit der finanzierenden Sparkasse wurden vereinbarte Ziele aufgrund externer Ereignisse verfehlt, teilt die Insolvenz-Kanzlei Grub Brugger gegenüber dem Regionalmagazin „In Franken“ mit. Hintergrund seien vor allem Insolvenzen großer Kunden wie Peter Hahn sowie eine „schlechte wirtschaftliche Gesamtsituation im Einzelhandel“ gewesen. Als keine Einigung mit der Sparkasse zu erzielen war, musste Fuchs & Schmitt Anfang Mai Insolvenz beantragen.
Keine Zerschlagung für Interboden. Der insolvente Immobilienentwickler hat einen Käufer gefunden. Der Londoner Investor Arrow Global Germany übernimmt in einem Distressed-M&A-Deal ab Juni immaterielle und materielle Vermögensgegenstände sowie alle Beschäftigten übernehmen. Zudem wurde ein Service-Agreement geschlossen. Sämtliche im Bau befindlichen Projekte können nun fertiggestellt werden, heißt es in der Mitteilung von Insolvenzverwalter Uwe Paul (Pluta).
Für die insolvente Klinikgruppe Regiomed scheint Licht am Ende des Tunnels ersichtlich. Die Sana-Kliniken haben ihr Interesse an den Regiomed-Kliniken in Bayern bekundet. Für die Thüringer Standorte zeichnet sich die Übernahme durch Landkreise ab. Das teile die Gruppe mit ihrem Insolvenzverwalter Rainer Eckert (Eckert) mit. Der Gläubigerausschuss habe einstimmig dafür gestimmt, das Sana-Angebot zu Ende zu verhandeln. Auf finale Ergebnisse muss Regiomed allerdings noch warten.
Beendete Insolvenz- und Sanierungsverfahren
Wegen einer offenen Steuerforderung über 363.035,35 Euro hatte das Finanzamt für CG Projektmanagement Insolvenz angemeldet. Das berichtete das „Handelsblatt“. Nun sei das Verfahren der Gruppe um den Bauunternehmer Christoph Gröner beendet. Die Beteiligten empörten sich gegenüber „Handelsblatt“ über die Behörden. Obwohl die Forderungen beglichen wurden, sei der Antrag nicht zurückgenommen worden. Das Finanzamt begründete dies mit „neuerlich aufgelaufenen Lohnsteuern“.
Die neuesten Restrukturierer-Personalien

Die Restrukturierungsberatung FTI Consulting stärkt sich mit Stefan Van Thienen als Partner im Bereich Corporate Finance und Restrukturierung. Van Thienen kommt von der Big Four Deloitte, wo er den Bereich Energy & Chemicals in Deutschland und Mitteleuropa leitete, und ist erfahren in komplexen Transformationsprojekten in der Chemieindustrie. Zuvor war er in leitenden Funktionen, etwa bei Bayer oder J.M. Huber tätig.
Linklaters-Partner Sven Schelo wechselt Mitte Juni zu DLA Piper. Der Restrukturierungsberater wechselt in die Finance-Gruppe als Partner am Frankfurter Standort. Er war seit 2003 bei Linklaters tätig, seit 2008 als Partner. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Restrukturierungsberatung von Banken und Finanzinstituten, auch Behörden mandatieren ihn für seine Einschätzung.
Die Schweizer Investment- und Beratungsboutique Strotbek & Co., die Niederlassungen in Engelberg, Frankfurt am Main und Innsbruck hat, baut ihr Turnaround-Geschäft im deutschen Immobilienmarkt aus: Die Boutique gewinnt in der Schweiz Arnd Stricker als neuen CEO. Er soll zudem eine M&A-Einheit aufbauen. Stricker bringt über 30 Jahre Erfahrung mit und wird sowohl in der Schweizer Zentrale in Engelberg als auch in Frankfurt tätig sein.
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Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.


