Sicherheitspolitik: „Wir bestimmen die Regeln nicht mehr mit“

Die geopolitische Weltordnung verschiebt sich fundamental – deutsche Unternehmen sind gezwungen, sich darauf vorzubereiten. Aus der Politik ist von „kriegstüchtig werden“ zu hören. Während Russland Nato-Staaten mit Drohnen testet oder etwa die USA ihre globale Rolle neu definieren, fehlt es Finanzentscheidern häufig noch am Bewusstsein für diese existenziellen Risiken. Im Gespräch mit FINANCE analysieren Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, und Jens Paulus, Senior Managing Director und Geopolitik-Experte bei FTI Consulting, die drängendsten Herausforderungen für die Unternehmenswelt. Die beiden Experten erläutern, warum das klassische deutsche Geschäftsmodell unwiderruflich vorbei ist, welche Chancen die massiven Verteidigungsausgaben bieten und warum selbst Werkschutz und Lkw-Flotten plötzlich strategisch relevant werden. Ein erhellendes Interview über hybride Kriegsführung, politisierte Lieferketten und die Frage, wie Unternehmen vom Risikomanagement zum Krisenmanagement kommen – bevor es zu spät ist. Mehr zum Thema Private Equity und der große Run auf Rüstung Porsche SE, Heideldruck, Schaeffler – deutsche Konzerne drängen in den Rüstungssektor. Auch Private Equity wittert das Milliardengeschäft. Doch sind die Finanzinvestoren gerüstet für diesen heiklen Markt? Mehr lesen Diese geopolitischen Konflikte tangieren die Finanzmärkte Herr Masala, wenige Tage vor unserem Interview sind russische Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen. Seither gab es weitere Drohnensichtungen in Dänemark und München. Nutzt Russland diese Situation, um weiter auszutesten, wie verteidigungsstark beziehungsweise -schwach die europäischen Nato-Staaten aufgestellt sind? Carlo Masala: Seit Jahren testen die Russen uns bereits. Seit Monaten erleben wir Provokationen in der Ostsee, im internationalen Luftraum von Nato-Staaten oder Sabotageakte in Europa. Als die mindestens 19 Drohnen Anfang September in den polnischen Luftraum eingedrungen sind, hat man F-35- und F-16-Kampfjets aufsteigen lassen – das ist ein Riesenaufwand für drei abgeschossene Drohnen. Mit Millionengerät wurden billige 200-Euro-Drohnen heruntergeholt. Dabei kann man Drohnen mit Jamming und Spoofing stören, so dass sie gar nicht erst aufsteigen. Es gibt viele Möglichkeiten, Drohnen abzuhalten, aber Nato-Staaten entdecken das Thema erst seit etwa einem Jahr. Welches Beispiel gäbe es aus Deutschland zu erwähnen? Carlo Masala: Vor einiger Zeit ist in Deutschland neben einer Bahnschiene eine weiße Substanz ausgebracht worden. Diese war zwar ungefährlich. Doch mit solchen Methoden kann sehr gut getestet werden, wie unsere Prozesse in einem solchen Fall ablaufen, etwa wie sich die Behörden koordinieren und wer mit einbezogen wird. Info Carlo Masala ist nicht für FTI Consulting als Berater tätig. Jens Paulus und Masala kennen sich allerdings bereits seit vielen Jahren. FINANCE: Welche geopolitischen Konflikte könnten Ihrer Meinung nach die globalen Finanzmärkte in den nächsten Jahren am stärksten beeinflussen – China/Taiwan, Russland/Ukraine, im Nahen Osten – oder ganz andere? Carlo Masala: Es gibt nur eine Entwicklung, die wirklich wichtig ist: die der amerikanischen Rolle in der Welt. Die Amerikaner haben sich entschieden, ihre Rolle als Weltmacht neu zu definieren – ökonomisch und sicherheitspolitisch. Sie wollen Weltmacht bleiben. Dafür erkennen sie zwar an, dass sie Partner und Verbündete brauchen. Doch das hat seinen Preis. Die anderen Länder sollen dafür zahlen. Das haben wir in den Zollverhandlungen mit der EU erlebt. Die Amerikaner haben gedroht, die sicherheitspolitischen Zusagen zurückzunehmen, wenn die EU die Zölle nicht anerkennt. Die Wette der Amerikaner ist: Produktionen werden in die USA verlegt. Doch mittlerweile suchen sich Partner und Verbündete der USA auch neue Allianzen. Südkorea und Japan etwa mit China – sie haben ihre Antwort auf die Zölle gegeben. Auch die Politik gegenüber Indien führt dazu, dass die indische Regierung den Schulterschluss mit China und Russland sucht. Jens Paulus ist Senior Managing Director und Experte für Geopolitik bei FTI Consulting. Foto: FTI Consulting Unternehmen müssen proaktiv werden FINANCE: Herr Paulus, wie sollten Unternehmen, und insbesondere Finanzabteilungen, darauf reagieren? Jens Paulus: Meine Sorge ist, dass wir mittelfristig nicht mehr mit am Tisch sitzen, wenn neue Regeln gemacht werden. Weil wir die Binnenregulierung übertrieben haben, lähmen wir uns politisch und wirtschaftlich selbst so stark, dass wir nicht mehr selbstverständlich mitgestalten, sondern im Reaktionsmodus angekommen sind. Wie es in dem R.E.M.-Song heißt: „It’s the end of the world as we know it.“ Sanktionen, Zölle, Regulierung – das sind die Hebel, welche nun im Wettlauf der Staaten gegeneinander genutzt werden, auch um den politischen Willen durchzusetzen. Unternehmen müssen in diesem Setting proaktiv werden. Sie müssen in der Lage sein zu verstehen: Wo habe ich als Unternehmen Weak Spots? Sie müssen ihre Risiken identifizieren. Es reicht nicht mehr, ihre Umwelt nur über Medien wahrzunehmen. Diese Informationen müssen heute übersetzt werden ins operative Geschäft. „Meines Erachtens gehen die meisten viel zu sehr vom Best Case aus.“ Carlo Masala, Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Carlo Masala: Sowohl auf Seiten des Staates als auch in der Industrie besteht ein deutlicher Mangel an Bewusstsein für geopolitische Risiken und sicherheitsrelevante Fragestellungen. Während Millionen in Cybersicherheitsmaßnahmen investiert werden, bleiben grundlegende physische Sicherheitsaspekte häufig unbeachtet – etwa die Gastanks auf dem Werksgelände oder der klassische Werkschutz. Dabei zeigt sich ein Ungleichgewicht: Cybersicherheit lässt sich leicht messen und in Kennzahlen darstellen, physische Sicherheitsmaßnahmen hingegen sind schwerer quantifizierbar. Genau darin liegt ein zentrales Problem, denn was sich schwer messen lässt, lässt sich auch schwer begründen – insbesondere, wenn es um Investitionen geht. Insgesamt offenbart sich hier ein noch immer sehr unterentwickeltes Verständnis für ganzheitliche Sicherheit. Masala: „Lieferketten werden politisiert“ FINANCE: In vielen westlichen Ländern steigen die Verteidigungsausgaben. Deutschland hat sich auf das 5-Prozent-Ziel der Nato geeinigt. Herr Paulus, welche langfristigen Auswirkungen auf die Unternehmenswelt sind zu erwarten? Jens Paulus: Egal, wie man das politisch einordnet: Das ist eine riesengroße Chance für viele Unternehmen. 5 Prozent des BIP sollen eingesetzt werden, plus 800 Milliarden Euro auf EU-Ebene und 500 Milliarden Sondervermögen. Und das betrifft nicht nur klassische Verteidigungssektoren. Es gibt sehr viele positive Effekte für andere Industrien: Logistik und Baubranche, IT-Sektor, Chemie und Telekommunikation. Wir könnten bald erste Spillover-Effekte sehen. Rüstungsunternehmen könnten Mitarbeitende von Automobilherstellern übernehmen. Wir sind das Land der Entwickler und Ingenieure. Das scheint zuletzt eingeschlafen zu sein. Doch jetzt entstehen neue Ökosysteme. Mehr zum Thema Rüstungsfinanzierung auf dem Vormarsch Der Ukraine-Krieg hat eine Zeitenwende eingeläutet. Milliarden werden nun in die Verteidigung investiert und für Banken ist deren Finanzierung kein Tabu mehr. Doch für Mittelständler sind die Hürden hoch. Mehr lesen FINANCE: Neben der Ukraine haben wir noch eine ganze Reihe anderer Stressoren: der Konflikt im Nahen Osten, die Unberechenbarkeit der Trump-Regierung, die Zusammenkunft der BRICS-Staaten, die Atom-Thematik im Iran, hybride Kriegsführung. Welche dieser Stressfaktoren können für deutsche Unternehmen weitreichende Folgen haben? Carlo Masala: Meines Erachtens verschläft Europa die Entwicklungen in Zentralasien und dem Kaukasus. Russland verliert dort zunehmend seine Rolle, China drängt hingegen hinein und die Staaten dort erfinden sich neu und wollen mehr europäisches Engagement. Konfliktiv wird sich die Frage zum Iran entscheiden. Sollte es zeitnah zu keinem Abkommen zur Kontrolle eines Atomprogramms kommen, kann Israel neu angreifen. Das ist sehr unmittelbar. Die Konfliktlinie verschärft sich, wenn es keine Einigung gibt. Die Chinesen versuchen nachhaltig in Lateinamerika voranzukommen. Die Region ist besonders beliebt wegen der Rohstoffe. Das verhält sich wie vor zehn Jahren in Afrika. Was dort passiert, ist ebenfalls unterschätzt. „Hope for the best, prepare for the worst.“ Man muss auf das schlimmste Szenario vorbereitet sein. Meines Erachtens gehen die meisten viel zu sehr vom Best Case aus. „Wenn es zu einer Konfrontation von Russland und der Nato kommt, wird es in Deutschland keine Bundeswehr geben.“ Carlo Masala, Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Das Szenario „Multiple Krisen“ ist kein Neues. Das Problem ist heutzutage vielmehr, dass Akteure bewusst die Krisen miteinander verbinden. Das macht die neue Qualität der Krise aus. Ich möchte das am Beispiel des Zollstreits zwischen den USA und China erklären. Die USA erheben Zölle, die Chinesen nehmen die Auseinandersetzung an und liefern ihre Rohstoffe nicht mehr in die USA. Um dem vorzubeugen, dass die Europäer nicht auf die Idee kommen, sich den Amerikanern in den Zollforderungen anzuschließen, reduzieren die Chinesen ein bisschen die Rohstofflieferungen nach Europa. Die chinesische Regierung antizipiert jetzt schon mögliche Weiterentwicklungen. Die Europäer werden in Geiselhaft genommen, wo noch gar keine Politik existiert. Das macht die Gemengelage unberechenbar. Die globalisierte Welt ändert sich und Lieferketten werden politisiert. Risiken müssen identifiziert, bewertet und mitigiert werden FINANCE: Sie sind täglich wegen genau dieser Themen in Unternehmen aktiv. Wie können Unternehmen und Finanzentscheider proaktiv Risiken im Bereich Verteidigung und Sicherheit antizipieren? Jens Paulus: An erster Stelle gilt: Bewusstsein zu schaffen, dass man diesen Risiken ausgesetzt ist. Anschließend muss man klar entscheiden, wo die Verantwortung liegt. Der CFO und der CEO wäre der natürliche Entscheidungsträger. Aber es gibt zu wenige Best Practice. Klar ist bereits: Es braucht eine klare Verantwortung. An zweiter Stelle steht, Risiken zu identifizieren. Das ist nicht einfach, weil alles interdependent ist. Jedes Unternehmen ist einzigartig, auch branchengleiche Unternehmen. Daher muss jedes Unternehmen individuelle Trigger Points definieren: Wenn politisch ein Ereignis passiert, gilt es zu wissen, welcher Bereich beziehungsweise welche Bereiche betroffen sind. Drittens gilt es, die Übersetzungsleistung zu tätigen. Das bedeutet, Risiken zu bewerten: Was heißt das für meine Lieferkette, Finanzen, Reputation? Wenn dies passiert, wo leidet das Unternehmen? In diesem Schritt muss man tief in die Operationalisierung hineingehen. An vierter Stelle steht die Frage: Wie kann ich die Risiken mitigieren? Das muss in den Fachabteilungen durchdacht werden. Der fünfte Schritt ist die konkrete Vorbereitung auf den Ernstfall. Das geht mit Stresstests, Szenarien und Risikoexpositionsanalysen. So schafft man Bewusstsein und Sensibilität. Und so bekommt man vom Risikomanagement zum Krisenmanagement einen flüssigen Übergang. Und genau das macht Unternehmen resilient. Carlo Masala: Für deutsche Unternehmen gibt es ein entscheidendes Problem: Der Operationsplan Deutschland ist von den Streitkräften ausgearbeitet worden. Aber: Ein Leutnant kann nicht sagen, was Unternehmen tun müssen. Das ist Aufgabe des Innenministeriums. Mehr zum Thema Drei Jahre Ukraine-Krieg: der (fast) unmögliche Russland-Exit Vor gut drei Jahren marschierte Russland in die Ukraine ein. Der Exit deutscher Unternehmen aus Russland gestaltet sich so schwierig wie nie. Doch das Geschäft aufrechtzuerhalten, ist für viele keine Option. Mehr lesen Daran fehlt es für den Ernstfall FINANCE: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius. Was bedeutet das für Unternehmen? Carlo Masala: Ich bin gespalten über das Ins-Fenster-Stellen von Jahreszahlen. Wenn ich die Nato testen will, mache ich das nicht, wenn ein Jahr feststeht, sondern eher vorher. Meiner Ansicht nach ist klar, dass wir nicht bis 2029 kriegstüchtig werden. Wir müssen aber so weit wie möglich kommen. Die Einsicht in der deutschen Wirtschaft muss greifen: Wenn es zu einer Konfrontation von Russland und der Nato kommt, wird es in Deutschland keine Bundeswehr geben. Die Aufgaben müssen von anderen gemacht werden. Fest steht aber: Unternehmen bereiten sich unzureichend vor. Es gibt eine Gesetzgebung für den Verteidigungsfall. Aktuell funktioniert es in kooperativer Bereitschaft. Im Verteidigungsfall kommen Leute in Uniform aufs Werksgelände und requirieren Lkw und Fahrer. Darauf bereitet sich aber keiner vor. „Bisher fehlt es an einer organisierten Kommunikation zwischen Staat, Bundeswehr und Unternehmen.“ Carlo Masala, Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Die große Frage wird im Ernstfall sein: Wie halte ich das Business am Laufen, wenn ein Viertel der Lkw weg ist? Wer ist denn Reservist in meinem Unternehmen? Wie halten wir die Produktion am Laufen, wenn zehn Prozent der Belegschaft anderweitig eingesetzt werden müssen? Bisher fehlt es zudem an einer organisierten Kommunikation zwischen Staat, Bundeswehr und Unternehmen. Man müsste sagen: Am ersten Tag habt ihr 15 Prozent Lkw weniger. Am zweiten Tag fehlen Leute, die im Ehrenamt sind. Organisiert den Werkschutz so, dass Reservisten das machen können – sie übernehmen hoheitliche Aufgaben, weil sie das Werk schützen. Dafür bedarf es allerdings politischer Führung, und die wird nicht ausgeübt. Das könnte vom Kanzler kommen, vom Justizminister oder Innenminister. Aber nicht nur vom Verteidigungsminister, da er kein autoritativer Sprecher für das Gesamte ist. FINANCE: Kennen Sie Unternehmen, die bereits Konzepte für einen Kriegsfall in der Schublade haben? Jens Paulus: Ehrlich gesagt, ich kenne keine. Nicht in dieser konkreten Form. Studien zeigen, dass eine signifikante Mehrheit an Unternehmen Störungen in ihren Lieferketten als das Top-Geschäftsrisiko der kommenden Monate sehen. Das ist alarmierend. Es braucht eine permanente Beobachtung des Geschehens und eine gewisse Sensibilität für politische Entwicklungen und Verwerfungen. Zudem wäre grundsätzlich ein verstärkter Austausch zwischen Politik und Wirtschaft wichtig. Ein reziproker Austausch ist derzeit noch nicht wahrzunehmen. Das scheint ein großes Problem zu sein. Paulus: „Europa erscheint politisch mehr Objekt denn Subjekt“ FINANCE: Wo sehen Sie sicherheitspolitisch derzeit die wichtigsten Handlungsfelder für Unternehmen? Carlo Masala: Das grundlegende Problem, das wir als Gesellschaft haben – dazu zählen Unternehmen auch –, ist, dass wir nicht resilient sind. Es gibt viele technische Möglichkeiten der Resilienz, zum Beispiel IT-Systeme. Aber wir sind noch nicht auf der Ebene der gesellschaftlichen Resilienz, die die Voraussetzung dafür ist, dass ein Prozess wie kriegstüchtig oder verteidigungsbereit zu werden zum Erfolg führen kann. Außerdem halte ich es für schlimm, wenn prorussische und prochinesische Parteien politische Macht haben. Ich weise darauf hin: 25 Prozent haben bei der jüngsten Bundestagswahl prorussische Parteien gewählt oder zumindest in Kauf genommen, dass deren Einstellung prorussisch ist. Unternehmen haben da auch ihren Beitrag zu leisten. Ein Unternehmen hat eine Verantwortung gegenüber der eigenen Belegschaft, deutlich zu machen, was die Konsequenzen sind, wenn man diese Regierungskonstellationen bekommt. Ein vorbildliches Beispiel ist Trigema: Die Unternehmensspitze hat einen Brief an die Belegschaft geschrieben und darin ermuntert wählen zu gehen, und zwar demokratische Parteien. Mehr zum Thema Mittel- und Osteuropa: Ein Paradies für deutsche Unternehmen? Mittel- und Osteuropa macht das Nearshoring mit Kostenvorteilen und gut ausgebildeten Arbeitskräften attraktiv für die deutsche Wirtschaft – doch mancherorts werden die ersten Grenzen des Wachstums sichtbar. Mehr lesen FINANCE: Wenn wir auf die nächsten fünf bis zehn Jahre blicken: Was sind aus Ihrer Sicht die größten unbekannten Risiken? Jens Paulus: Die Neuformierung der Welt ohne ein starkes Europa halte ich für das größte Risiko. Europa erscheint politisch mittlerweile mehr Objekt denn Subjekt. Wir bestimmen die Regeln nicht mehr mit. Wir haben starke Unternehmen, aber natürlich bleibt diese politische Entwicklung auch für unsere deutschen und europäischen Weltmarktführer nicht ohne Folgen. Die Politik muss Antworten finden und lernen, Wirtschaft nicht nur durch die Regulierungsbrille zu betrachten, sondern als das zu verstehen, was sie ist: die Grundlage unseres Wohlstands. Carlo Masala: Die zunehmende Dysfunktionalität der Europäischen Union ist ein konkretes Risiko. Wir wissen nicht, was politisch in Frankreich und Polen passiert. Wie entwickelt sich Großbritannien unter Keir Starmer und welche Kräfte wird Nigel Farage mobilisieren? Wir haben in wichtigen europäischen Staaten eine Phalanx von Europahassern. Geschäftsmodelle müssen neu ausgerichtet werden FINANCE: Zum Abschluss: Ihr Appell an die Finanzentscheider? Jens Paulus: Erkennen Sie an, dass die Welt eine andere ist. Dass die Wirtschaft sich politisiert. Dass das typische deutsche Geschäftsmodell – ein großer Absatzmarkt in China, billige Energie aus Russland und amerikanischer Schutz „for free“– als Garantie für Wohlstand unwiderruflich vorbei ist. Verstehen Sie, dass Sie Geschäftsmodelle und strategische, ökonomische Entscheidungen neu ausrichten müssen! „Wenn die zurückliegeden fünf Jahre etwas gezeigt haben, dann ist es: Expect the unexpected.“ Carlo Masala, Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Carlo Masala: Unternehmen sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass ihre Investitions- und Produktionsentscheidungen auch dazu beitragen, die Frage zu beantworten: In welcher Welt werden wir in zehn Jahren leben? Das sind nicht nur politische Entscheidungen. Unternehmensentscheidungen haben politische Konsequenzen. Wenn die zurückliegenden fünf Jahre etwas gezeigt haben, dann ist es: Expect the unexpected. Denken Sie über Sachen nach, die auf den ersten Blick unrealistisch erscheinen. Wer hätte gedacht, dass es eine Rückkehr des Landkriegs in Europa gibt? Einen umfassenden Konflikt im Nahen Osten? Die Corona-Pandemie?

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