Der kriselnde Industriekonzern Thyssenkrupp soll in den kommenden Jahren zerschlagen werden. Das Management um den Vorstandsvorsitzenden Miguel López wolle noch in diesem Geschäftsjahr, das am 30. September endet, dem Aufsichtsrat ein entsprechendes Konzept vorstellen. Das teilte der Konzern am heutigen Montagmittag mit. Zunächst hatte die „Bild am Sonntag“ mit Verweis auf Unternehmenskreise berichtet, dass der Vorstand Thyssenkrupp drastisch umbauen wolle.
Konkret sollen schrittweise alle Geschäftsbereiche des Konzerns verselbstständigt und für die Beteiligung Dritter geöffnet werden, teilte das Unternehmen mit. Die Thyssenkrupp AG selbst würde dann nur noch als strategische Konzernführungsgesellschaft agieren, mit Beteiligungen an ansonsten eigenverantwortlichen Unternehmen.
Thyssenkrupp will Mehrheitseigner bleiben
Dabei will Thyssenkrupp Mehrheitseigner der jeweiligen Geschäfte bleiben. Ausnahme ist die sanierungsbedürftige Stahlsparte Thyssenkrupp Steel Europe, für die unverändert ein 50/50-Joint-Venture mit EPG, der Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský, geplant ist. Allerdings zieht sich der Deal.
Auch die Abspaltungspläne für einen Minderheitsanteil der U-Boot-Tochter Thyssenkrupp Marine Systems waren bereits bekannt. Die Sparte soll noch in diesem Jahr in einem Teilbörsengang gelistet werden, nachdem Verkaufsversuche vorher gescheitert waren.
In den kommenden Jahren sollen darüber hinaus aber auch die weiteren Sparten Materials Services und Automotive Technology kapitalmarktfähig aufgestellt und verselbstständigt werden, „sobald die dafür nötigen Voraussetzungen geschaffen sind“, wie es heißt. Gleiches gilt für das fünfte, noch junge Segment der Decarbon Technologies.
López sieht Thyssenkrupp Nucera als Vorbild für Konzernumbau
„Die künftige Eigenständigkeit unserer heutigen Segmente – mit dem Vorteil eines eigenen Kapitalmarktzugangs und der Möglichkeit für die Beteiligung Dritter – wird ihre unternehmerische Flexibilität erhöhen, ihre Investitionsvorhaben sowie Ergebnisverantwortung stärken und die Transparenz für Investoren verbessern“, erklärte Vorstandschef Miguel López. Gleichzeitig behalte Thyssenkrupp in diesem Konstrukt die Kontrolle und könne „weiterhin an der zukünftigen Wertentwicklung der Geschäfte partizipieren“.
Als Vorbild führte er Thyssenkrupp Nucera an. Der Wasserstoff-Spezialist ist mittlerweile eigenständig, mit Thyssenkrupp als Mehrheitseigner. „Daran wollen wir anknüpfen. Wir sind davon überzeugt, dass die Segmente in einer eigenständigen Aufstellung die weltweiten Wachstumschancen ihrer Branchen am besten nutzen können und werden.“
Der Konzern werkelt schon seit Jahren am Umbau und der Verselbstständigung einzelner Sparten. An der Börse kamen die jüngsten Ankündigungen gut an. Am Montagnachmittag notierte die Thyssenkrupp-Aktie zeitweise sieben Prozent im Plus.
Lena Scherer ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Publizistik, Anglistik und Komparatistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz studiert und nebenbei für verschiedene Redaktionen gearbeitet. Bevor sie zu FINANCE kam, war sie mehr als acht Jahre lang beim Branchen-Fachdienst buchreport aktiv, zuletzt als Co-Chefredakteurin. Dort hat sie unter anderem Marktanalysen vorgenommen sowie die Bereiche Fachinformation, Recht/Wirtschaft/Steuern und Digitales betreut.
