Wieso bei Contis Spin-off-Plan Zweifel angebracht sind

Das Continental-Management um CEO Nikolai Setzer und Neu-CFO Olaf Schick setzt zur strategischen Kehrtwende an: Wie einst bei der Antriebssparte Vitesco prüft Continental nun auch die Abspaltung und einen Börsengang seines seit Jahren kriselnden Automotive-Geschäfts. Dabei hatte Setzer noch bis vor wenigen Monaten eine Abspaltung des Autozulieferergeschäfts ausgeschlossen und die Einheit als integraler Bestandteil Continentals hochgehalten. Diese war über die Jahre durch Zukäufe aufgebaut worden, etwa durch die Übernahmen des Bremsenherstellers Teves 1998 und vor allem des Zulieferers Siemens VDO 2007, für den Conti einen zweistelligen Milliardenbetrag auf den Tisch legte. In der Sparte werden auch Zukunftsgeschäfte wie Lösungen für das autonome Fahren entwickelt – die derzeit allerdings vor allem R&D-Mittel verschlingen dürften. Profitables Reifengeschäft ohne Automotive-Ballast Ein Spin-off der Sparte würde den Konzern in nahezu gleich große Hälften aufspalten. Allerdings wären deren Aussichten höchst unterschiedlich. Profitieren dürften vor allem die profitablen Unternehmensbereiche Tires und Contitech, die unter dem Conti-Dach verbleiben sollen. Sie kommen zusammen auf etwa 100.000 Mitarbeitende und einen kombinierten Jahresumsatz von zuletzt rund 20,8 Milliarden Euro im Jahr 2023. Auf das weitaus größere Reifengeschäft entfielen dabei 14 Milliarden Euro. „Dass die Reifensparte ein gutes Geschäft ist, das eigenständig noch besser funktionieren könnte, ist für uns deutlich weniger umstritten“, schreiben etwa die Deutsche-Bank-Analysten um Tim Rokossa in ihrer aktuellen Analyse. „Wir rechnen damit, dass ein ‚befreites‘ Conti-Reifengeschäft allein rund 20 Milliarden Euro wert sein könnte – das Doppelte der heutigen Marktkapitalisierung.“ Schwache Auto-Konjunktur belastet Reifengeschäft Befreit wäre die Sparte auch von der Querfinanzierung der defizitären Automotive-Sparte, in die derzeit mit 14 Prozent des Spartenumsatzes auch überproportional viele Entwicklungsgelder fließen, um im Wettbewerb mit den Zulieferern mitzuhalten. Bei Tires und Contitech sind es jeweils nur zwischen 2 und 3 Prozent des Spartenumsatzes. Das Reifengeschäft kann das Geld selbst gut gebrauchen: Denn obwohl es intakt und mit einer bereinigten operativen Marge (Ebit-Marge) von 13,5 Prozent im Jahr 2023 deutlich profitabel ist, spürt Conti dort aktuell den konjunkturellen Gegenwind in der Autoindustrie. Bemerkbar machte sich im 1. Halbjahr vor allem die schwache Nachfrage im Pkw-Geschäft, die auch bei Conti die Verkaufszahlen in der Erstausrüstung nach unten gedrückt hat. Zulegen konnte dagegen das Ersatzgeschäft. Laut einer aktuellen Analyse von Bernstein liegt Conti bei der Marge mittlerweile hinter dem Konkurrenten Pirelli und etwa gleichauf mit Michelin. Mehr zum Thema Continental-Vorstand will Automotive-Sparte abspalten Wie einst bei Vitesco: Continental prüft die Abspaltung und einen Börsengang seines Automotive-Geschäfts. Dieses bildet die umsatzstärkste Säule im Konzern, ist aber auch die mit den größten Problemen. Mehr lesen Continental: Automotive ist weiterhin defizitär Während eine Aufspaltung für das Reifengeschäft also einem Befreiungsschlag gleichkäme, wären die Zukunftsaussichten der Automotive-Sparte durch den Schritt ungewisser denn je. Diese kam 2023 zwar auf einen Umsatz von 20,3 Milliarden Euro, schreibt aber seit Jahren Verluste. Als Nikolai Setzer Ende 2020 CEO wurde, sollte er auch das Automotive-Geschäft wieder profitabel machen. Seitdem ringt Conti um die nachhaltige Wende. Zuletzt gab es zwar Fortschritte dank durchgesetzter Preiserhöhungen sowie erster Restrukturierungserfolge, aber der Weg zum Turnaround bleibt weit. Fürs Gesamtjahr 2024 rechnet Conti in der Automotive-Sparte mittlerweile nur noch mit einem Umsatz zwischen 19,5 und 21 Milliarden Euro und einer bereinigten Ebit-Marge bei 2,5 bis 3,5 Prozent. Doch selbst das könnte sich trotz Aussicht auf bessere Geschäfte in der zweiten Jahreshälfte als nicht erreichbar erweisen: Zum Ende des ersten Halbjahres standen 9,8 Milliarden Euro beim Umsatz und eine bereinigte Ebit-Marge von -0,7 Prozent. „Selbst die gesenkten Automobilziele erfordern eine deutliche Steigerung im 2. Halbjahr im Vergleich zur ersten Jahreshälfte, und wir erwarten, dass Continental diese noch einmal revidieren wird“, schätzt Deutsche-Bank-Analyst Rokossa. Offen, ob Restrukturierung ausreichend greift Bei der Bewertung eines künftigen Automotive-Standalone-Unternehmens gibt sich Rokossa in seiner Studie denn auch zurückhaltend: Es bleibe abzuwarten, wo das Geschäft, das seit geraumer Zeit Geld verbrennt, zum Zeitpunkt der Transaktion letztlich steht, schreibt er. „Wenn alles gut läuft (das heißt, wenn die Sparte ordnungsgemäß umstrukturiert wird und nicht noch mehr Geld verliert), könnte sie zwischen 3,5 und 4,5 Milliarden Euro wert sein.“ Tatsächlich dürfte die zweite Jahreshälfte 2024 mitentscheidend für die Zukunft der Automotive-Sparte sein. Bis Jahresende will und muss das Conti-Management substanzielle Fortschritte erzielen. Dazu gehören unter anderem weitere Fixkosten-Einsparungen. Insgesamt 150 Millionen Euro sollen es in diesem Jahr sein; bis 2025 dann 400 Millionen Euro. Auch die Entwicklungskosten sollen bis 2027 auf einen einstelligen Prozentbereich vom Umsatz gedrückt werden. Zudem setzt man für die Zukunft stärker auf Geschäfte mit asiatischen Autobauern. Mehr zum Thema Olaf Schick: Der naheliegende Conti-CFO Der Automobilzulieferer Continental findet seinen neuen CFO in den eigenen Reihen. Dass die Wahl auf Olaf Schick fällt, war naheliegend. Mehr lesen Spin-off als die beste unter bescheidenen Optionen? Dass Conti mit dem Gedanken spielt, eine defizitäre Sparte eigenständig aufzustellen und an die Börse zu bringen, liest Stifel-Analyst Alexander Wahl als Eingeständnis, dass die bisherigen Restrukturierungsversuche gescheitert sind. Wahl hatte schon im vergangenen Herbst in einer Studie darauf hingewiesen, dass ein Spin-off eine wertschöpfende Lösung vor allem für das Reifengeschäft sein könnte. Einen Verkauf der Sparte dagegen hält er für unwahrscheinlich – weil sie für Käufer wenig attraktiv sei. In der aktuellen Konstellation sieht er aber dennoch zwei Probleme bei einem Spin-off: Die lange Timeline und der Fakt, dass die Automotive-Sparte unverändert ein Restrukturierungs-Asset ist. „In den vergangenen Jahren wurde dort Geld verbrannt“, sagt Wahl im Gespräch mit FINANCE und äußert auch Zweifel, ob das Geschäft in den kommenden zwei Jahren profitabel aufgestellt werden kann. Für ihn hängt dessen Zukunft von den Details der Abspaltung ab: „Automotive muss schuldenfrei starten und mit genügend Cash ausgestattet werden.“ Contis Automotive-Vorstand Philipp von Hirschheydt betonte in einer Pressekonferenz, dass die Sparte „kapitalmarktfähig“ werden müsse. Wie genau das geschehen soll, ist bisher nicht klar; kommuniziert wurde lediglich ein schwammiger Verweis auf eine „solide Bilanz und geringe Verschuldung“. Analysten blicken skeptisch auf Contis Automotive-Sparte Auch andere Analysten, etwa von Bernstein und UBS, blicken angesichts des fehlenden Aufwärtstrends skeptisch auf einen Erfolg eines Automotive-Spin-offs. Deutsche-Bank-Analyst Rokossa schließt sogar nicht aus, dass die Abspaltung noch abgeblasen werden könnte, schließlich habe man schon in der Vergangenheit mehrere Strategiewechsel bei Continental gesehen. In der Tat ist das Spin-off noch nicht final beschlossene Sache. Zwar laufen die Vorbereitungen, aber die offizielle Entscheidung soll erst im vierten Quartal getroffen werden. Mit einem Vollzug ist erst bis Ende 2025 zu rechnen. Bis dahin muss das Conti-Management noch viele offene Fragen beantworten – und vor allem durch substanziellere Fortschritte als bislang beweisen, dass eine Restrukturierung des Autozulieferergeschäfts gelingen kann.

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