Der Schuldscheinmarkt hat 2024 das zweite Jahr in Folge Federn lassen müssen. Das emittierte Volumen lag mit 19,87 Milliarden Euro rund 10 Prozent unter dem Vorjahresniveau von 22,13 Milliarden Euro. Auch die Anzahl der Deals war 2024 mit 93 gut ein Zehntel rückläufig gegenüber 2023. Dies geht aus dem neuen FINANCE-Schuldschein-Update hervor, dass das Datenanalysehaus LSEG exklusiv für FINANCE aufbereitet.
Noch deutlicher fällt der Vergleich mit dem bisherigen Rekordjahr 2022 aus, in dem der Schulscheinmarkt ein Volumen von 29,7 Milliarden Euro verteilt auf 140 Transaktionen verzeichnen konnte.
Kein Jahresendspurt am Schuldscheinmarkt 2024
Wenig Action herrschte vor allem im zurückliegenden vierten Quartal 2024: „Es gab lediglich fünf syndizierte Transaktionen in den letzten drei Monaten des Jahres, sodass der Eindruck entstand, dieses sei frühzeitig zu Ende gegangen“, erklärt Klaus Pahle, Head Schuldschein Syndicate/Debt Capital Market bei der ING Deutschland. Auf Gesamtjahressicht attestiert er dem Markt dennoch eine ordentliche Performance: „Trotz aller Unsicherheiten und konjunkturellen Herausforderungen hat sich der Markt 2024 als sehr stabil und widerstandsfähig erwiesen.“
Ein wichtiger Grund für den abermaligen Rückgang liegt in der anhaltenden Attraktivität des Anleihemarkts: „Auch im Jahr 2024 hatte der Bondmarkt hinsichtlich Risikoaufschlägen im Vergleich zum Schuldscheinmarkt eine günstige Finanzierung für Unternehmen zu bieten – entsprechende Bonitäten und vorhandene externe Ratings vorausgesetzt“, sagt Sebastian Knapp, Director und stellvertretender Leiter Corporate DCM Origination bei der Helaba.
ING-Banker Pahle führt die Entwicklung darüber hinaus auf eine teils „sehr selektive Auswahl geeigneter Kreditrisiken auf Investorenseite“ zurück. Daher habe der Markt im vergangenen Jahr beispielsweise kaum Emissionen aus dem kriselnden Immobiliensektor gesehen.
Rückkehr französischer Schuldscheinemittenten
Doch es gab auch Lichtblicke, etwa, einen beachtlichen Anteil an Debüttransaktionen, der sich laut Pahle auf rund 25 Prozent belief. „Zudem traten viele internationale Emittenten auf, was insgesamt auf ein perspektivisches Wachstum und die Attraktivität des Marktes hinweist“, so der ING-Banker.
Vor allem französische Player seien 2024 zurückgekehrt, nachdem es in den Vorjahren durch den Orpea-Skandal zu einem Stillstand gekommen war. Allein im vierten Quartal waren mit Vicat und OP-Mobility zwei französische Unternehmen aktiv, auf das Gesamtjahr hochgerechnet summierten sich die Auftritte aus dem Nachbarland auf sieben – gegenüber einem im Jahr 2023.
Messer mit größtem Schuldscheindarlehen 2024
Heruntergebrochen auf Industrien bildete der Chemiesektor die volumenstärkste Emittentengruppe 2024. Darunter befindet sich das Schuldscheindebüt des Industriegase-Spezialisten Messer, der mit 950 Millionen Euro zugleich für den größten Deal des vergangenen Jahres verantwortlich zeichnete. Knapp dahinter folgte der Brillenhersteller Carl Zeiss Vision (900 Millionen Euro), gefolgt vom Autozulieferer ZF Friedrichshafen (650 Millionen Euro).
„2024 dominierten etliche Schwergewichte im Markt, wobei die zehn größten Deals mehr als ein Viertel des gesamten Marktvolumens ausmachten“, ordnet ING-Banker Pahle ein. Im Vorjahr habe dieser Anteil bei lediglich 19 Prozent gelegen – trotz der Tatsache, dass die Porsche SE 2023 den bislang größten Schuldschein überhaupt in Höhe von 2,7 Milliarden Euro realisierte.
Die größte Transaktion im zurückliegenden vierten Quartal 2024 kam erneut aus Deutschland: Der Verpackungsspezialist Gerresheimer realisierte Ende Oktober eine 600 Millionen Euro schwere Transaktion.
Zurückhaltung bei grünen Schuldscheinen
Während hohe Einzelvolumina 2024 beliebt waren, hielten sich die Emittenten bei grünen Schuldscheinen eher zurück – ein Trend, der bereits 2023 zu beobachten war, erläutert Sebastian Knapp: „Das Volumen an nachhaltigen SSD war in den vergangenen beiden Jahren insgesamt rückläufig. 2024 lag der Anteil insgesamt bei nur rund 20 Prozent.“ Hauptgrund dafür sei gewesen, dass die in den Vorjahren beliebten ESG-Ratings kaum noch genutzt würden.
Zudem werde die weitere Entwicklung von KPI-linked Schuldscheinen auch durch die Umsetzung der CSRD-Berichtspflichten beeinflusst, beobachtet Knapp. Nichtsdestoweniger sollten grüne Schuldscheine aber wieder an Bedeutung gewinnen: „Die erforderlichen Investitionen in die Transformation der Wirtschaft dürften in den kommenden Jahren für steigende Volumina bei zweckgebundenen Green Schuldscheinen führen.“
Anstehende Refinanzierungen aus Rekordjahren
Ein solcher ESG-Impuls würde auch dem Gesamtmarkt guttun. Ob der Abwärtstrend bei Volumina und Anzahl der Deals im laufenden Jahr gestoppt werden kann, bleibt jedoch abzuwarten. „Solange der Bondmarkt in guter Verfassung bleibt, werden die Volumina im Schuldscheinmarkt nicht komplett durch die Decke gehen“, schätzt Helaba-Experte Sebastian Knapp.
ING-Banker Pahle rechnet derweil mit einer noch stärkeren Internationalisierung des Marktes – getrieben von der Nachfrageseite: „Insbesondere von internationalen Banken, die den Markt als europäischen Privatplatzierungsmarkt mit attraktiven Krediten zur Portfoliodiversifizierung betrachten“, so Pahle. „Darüber hinaus erwarten wir verstärkt Refinanzierungen mit Fälligkeiten aus den Rekordjahren 2018 und 2022.“
Keine Bedrohung habe derweil bislang die chronisch schwache Konjunktur in Deutschland dargestellt – eventuell ändert sich das aber im laufenden Jahr: „Im Schuldscheinmarkt war 2024 kein signifikanter Anstieg von Insolvenzen zu beobachten, wohl aber eine Zunahme von Restrukturierungen, die in den Folgejahren auch zu Ausfällen führen können“, gibt Pahle zu bedenken.
LBBW bleibt wichtigster Bookrunner
Bei den Bookrunnern im Schuldscheinmarkt 2024 wurde die LBBW einmal mehr ihrem Ruf als Platzhirsch gerecht: Mit einem Marktanteil von 20,8 Prozent führt sie das Ranking an, auch wenn dies einem Rückgang um rund 5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Auf Rang 2 folgt die Helaba mit 17,4 (2023: 14,9) Prozent. Die Hessen waren im Vorjahr noch Dritter hinter der Unicredit, die 2024 allerdings Federn lassen musste – von 15,4 auf 12,2 Prozent.
Den größten Satz nach vorne im Ranking der begleitenden Banken im Schuldscheinmarkt machte im vergangenen Jahr die Commerzbank, die sich von Platz 7 auf 4 nach vorne schob. Derweil fiel die ING, die sich 2023 noch von Rang 9 auf 5 verbessern konnte, 2024 wieder auf Rang 10 zurück. Neu in den Top-10 ist mit einem Marktanteil von 3 Prozent Crédit Agricole vertreten. Das französische Institut ersetzt die HSBC, die 2023 auf Platz 10 gelandet war.
Info
Hier können Sie das neue FINANCE-Schuldschein-Update herunterladen. Die Daten werden von LSEG exklusiv für FINANCE zusammengestellt.
Philipp Hafner ist Redakteur bei FINANCE. Er hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth sowie an der University of Amsterdam studiert. Vor FINANCE arbeitete Philipp Hafner mehr als sechs Jahre bei der Verlagsgruppe Knapp/Richardi, zunächst als Volontär, anschließend dann als Redakteur für die Fachzeitschrift „Immobilien & Finanzierung“.
